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5 Die wichtigste Kompetenz: das Schulsystem

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Ganz deutlich steht im Dekret vom 19. April 2004 über die Vermittlung und den Gebrauch der Sprachen im Unterrichtswesen Artikel 4 § 1: „Deutsch ist Unterrichtssprache“. Dies ist heute so, war in der Geschichte der DG jedoch nicht immer selbstverständlich.

Als die deutschsprachigen Gebiete zu Belgien gekommen waren, sind viele deutschsprachige Lehrer ausgewiesen worden. Obwohl Gouverneur Baltia um das Jahr 1920 versucht hat, einen deutschsprachigen Unterricht aufrechtzuerhalten, „wurde vor allem in den oberen Klassen und den höheren Schulen Französisch die Unterrichtssprache“ (Greten 2008: 12). Dies änderte sich wieder nach der Annexion Eupen-Malmedys durch das Dritte Reich, wo selbstverständlich alle Unterrichte auf Deutsch waren. Nach dem Krieg wurde anders herum der größte Teil des Unterrichts an den Gymnasien und in der Sekundarschule auf Französisch erteilt, um so eine Distanz zur jüngsten Geschichte herzustellen. Doch wie schon erwähnt, wurde durch die Sprachgesetzgebung Deutsch im Jahr 1963 offiziell zur dritten Landessprache und somit de facto auch zur Unterrichtssprache in der DG.

Durch die Staatsreform von 1988–1990 bekam die DG die Befugnisse im Unterrichtswesen. Dieser Kompetenzbereich ist umfassend: Unterrichtsinhalte, Sprachengebrauch, Schülertransport, Feriendauer, Studienbeihilfen, Lehrergehälter, Schulbauten, Internate usw. Finanziell ist dies einer der wichtigsten Kompetenzbereiche der DG.

Wie im übrigen Belgien werden drei verschiedene Schulnetze in ihrer eigenen Organisation respektiert: das freie subventionierte Unterrichtswesen (FSUW), das offizielle subventionierte Unterrichtswesen (OSUW) und das Gemeinschaftsunterrichtswesen (GUW).1

Das Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft legt den rechtlichen Rahmen für alle drei Schulnetze fest:

 Bei den Schulen des freien subventionierten Unterrichtswesens handelt es sich um privatrechtliche Schulen, die von Organisationen oder privaten Personen betrieben und von der DG subventioniert werden.

 Die Schulen des offiziellen subventionierten Unterrichtswesens sind öffentlich-rechtliche Schulen, die in der Regel von den Gemeinden organisiert und von der DG subventioniert werden. Im OSUW übernehmen die neun Gemeinden der DG die Trägerschaft der Primarschulen. Die überwiegende Mehrheit der Primarschulen in der DG ist in kommunaler Trägerschaft.

 Bei den Schulen des Gemeinschaftsunterrichtswesens handelt es sich um öffentlich-rechtliche Schulen, die von der DG organisiert werden und Dotationen erhalten. Das GUW steht unter der direkten Trägerschaft des Ministers für Unterricht und wissenschaftliche Forschung der DG. Dies betrifft sowohl die Primarschulen wie die Sekundarschulen.

Schließlich hat die Deutschsprachige Gemeinschaft sogar eine eigene Hochschule. Die Autonome Hochschule in der Deutschsprachigen Gemeinschaft (AHS) ist von ihrer Form her einzigartig in Belgien. Sie ist durch die Zusammenlegung der ehemaligen Hochschulen der drei Unterrichtsnetze entstanden und steht unter der Trägerschaft eines autonomen Verwaltungsrates. Es gibt drei Bachelor-Abschlussmöglichkeiten: Kindergärtner(in)/Grundschullehrer(in), Krankenpfleger(in) und Buchhalter(in).

Insgesamt gibt es 58 Kindergärten, 57 Primarschulen, 9 Sekundarschulen und eine Hochschule (Senster 2010). Somit organisiert die DG ihren Unterricht in deutscher Sprache vom Kindergarten bis zur Hochschule in der Form, wie sie es demokratisch selbst beschließt.

Die Abiturienten, die später Jura, Medizin, Germanistik usw. studieren wollen, besuchen meistens die belgischen Universitäten von Lüttich, Neulöwen, Brüssel, Namur usw. Des Öfteren immatrikulieren sich Studenten auch an deutschen Universitäten, wenn es um Abschlüsse geht, die nicht zu rechtlich geschützten Berufen führen (wie zum Beispiel die Lehrbefähigung).

Den Rahmen der Arbeit im Unterricht bilden die Dekrete. Für die Ausführung sorgt der Fachbereich Pädagogik des Ministeriums. Zu den wesentlichen Aufgabenbereichen des Fachbereichs gehört die Ausarbeitung von Kernkompetenzen, von Rahmenplänen sowie der schul- und netzübergreifenden Anforderungen für das Lernen und Lehren. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Implementierung von Rahmenplänen oder Entwicklungszielen. Dabei geht es nicht darum, völlig neue didaktische und methodische Wege zu entwickeln. Ziel ist es vielmehr, einen fortdauernden Veränderungsprozess in den Schulen zu initiieren, um den nachhaltigen Kompetenzzuwachs bei Schülern bestmöglich zu fördern. Diese Arbeit unterstützt die Ausarbeitung von Dekreten, wie zum Beispiel das am 16. Juni 2008 vom PDG verabschiedete Dekret zu den Kernkompetenzen und Rahmenplänen. Das oberste Ziel all dieser Bemühungen ist natürlich, die Abiturienten und Hochschulabsolventen so auszubilden, dass sie sich mit ihresgleichen aus der Wallonie oder Deutschland vergleichen können.

Handbuch des Deutschen in West- und Mitteleuropa

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