Читать книгу Handbuch des Deutschen in West- und Mitteleuropa - Группа авторов - Страница 52

9 Schlussfolgerung

Оглавление

Es wird oft behauptet, die Deutschsprachige Gemeinschaft Ostbelgiens sei eine der bestgeschützten Minderheiten der Welt. Da mag etwas Wahres dran sein. Als deutschsprachige Minderheit haben die Ostbelgier eine tragisch beladene Geschichte: Sie wurden zwischen den Mächten hin und her geschoben, ein Spielzeug der großen Politik. Einige dieser Menschen haben ihre Staatsangehörigkeit mehrmals gewechselt. Das hat den Ostbelgier vorsichtig gemacht. Man konnte ja nie wissen, ob sich das Blatt nicht wieder einmal wenden würde.

So hat die deutschsprachige Minderheit sich erst langsam zu einer – wenn auch kleinen – Einheit herangetastet. Als der belgische Staat mehrmals reformiert wurde, hat die Deutschsprachige Gemeinschaft von den großen Prinzipien der Umverteilung profitiert. Es war schwer zu übersehen, dass sie nicht mehr assimiliert werden konnte und dass ihr die gleichen Personenrechte zukommen sollten wie den beiden größeren Gemeinschaften. Dies war alles optimal, solange der Staat ihr die sogenannte Dotation zukommen ließ. Doch wie sähe die Lage aus, wenn diese Autonomie auch „von unten“ finanziert werden müsste? Könnte die DG diesen Schritt finanziell überleben? Die Schaffung einer vierten Region „Ostbelgien“ wäre logisch, doch wären die Ostbelgier strukturell damit nicht überfordert? Die Entwicklung der belgischen Staatsstruktur sowie die politischen Vorstellungen der ostbelgischen Politiker werden darüber entscheiden.

Wenn es um die Identitätsbildung des Ostbelgiers geht, spricht Christoph Brüll (2009) von einer Nicht-Identität. Was macht einen „Ostbelgier“ aus? Die meisten Einwohner der DG haben sich heutzutage auf diese beiden Bezugspunkte eingestellt: politisch mit Blick auf das belgische System, kulturell und sprachlich mit Blick auf die deutsche Kultur und Sprachgemeinschaft. Viele haben eine Art Janus-Identität aufgebaut, wo beide Aspekte, der romanische und der deutsche, eher harmonisch in der gleichen Person zusammenleben. Der römische Gott Janus mit den zwei Gesichtern könnte symbolisch sein für die Identität der deutschsprachigen Belgier. Eben diesen Identitätsfragen sind die Ostbelgier in ihren politischen Aktivitäten, wissenschaftlichen Untersuchungen und vielfältigen kulturellen Ausdrucksmöglichkeiten bewusst oder unbewusst nachgegangen.

Was die Eigenart der meisten Einwohner der Deutschsprachigen Gemeinschaft ausmacht, ist schließlich diese Vereinigung in einer Person des deutschen Kulturerbes und einer gewissen Integration in belgische Begebenheiten mit regionaler französischsprachiger Dominanz. Durch die Janus-Identität werden beide Aspekte ständig verschmolzen, funktionieren nur in Bezug auf ihren Gegenpart und dies mit individueller Anpassung. Das Minderheitenbewusstsein hält klein, erlaubt allerdings meistens doppelte Ausblicke, was persönlich für die Ostbelgierinnen und Ostbelgier eine ständige Bereicherung darstellt. Auch in der Diaspora bleibt dies erhalten.

Handbuch des Deutschen in West- und Mitteleuropa

Подняться наверх