Читать книгу Zwangsstörung - Группа авторов - Страница 15
Zwangsstörung – Diagnostische Kriterien (F42.2)
ОглавлениеA. Entweder Zwangsgedanken, Zwangshandlungen oder beides:
Zwangsgedanken sind durch (1) und (2) definiert:
1. Immer wiederkehrende und anhaltende Gedanken, Impulse oder Vorstellungen, die im Krankheitsverlauf mindestens zeitweilig als aufdringlich und ungewollt empfunden werden, und die meist ausgeprägte Angst und großes Unbehagen hervorrufen.
2. Die Person versucht, diese Gedanken, Impulse oder Vorstellungen zu ignorieren oder zu unterdrücken oder sie mithilfe anderer Gedanken oder Tätigkeiten zu neutralisieren (z. B. durhc die Ausführung einer Zwangshandlung).
Zwangshandlungen sind durch (1) und (2) definiert:
1. Wiederholte Verhaltensweisen (z. B. Händewaschen, Ordnen, Kontrollieren) oder mentale Handlungen (z. B. Beten, Zählen, Wörter lautlos wiederholen), zu denen sich die Person als Reaktion auf einen Zwangsgedanken oder aufgrund von streng zu befolgenden Regeln gezwungen fühlt.
2. Die Verhaltensweisen oder mentalen Handlungen dienen dazu, Angst oder Unbehagen zu verhindern oder zu reduzieren oder gefürchteten Ereignissen oder Situationen vorzubeugen; diese Verhaltensweisen oder mentalen Handlungen stehen jedoch in keinem realistischen Bezug zu dem, was sie zu neutralisieren oder zu verhindern versuchen oder sie sind deutlich übertrieben.
Beachte: Kleine Kinder könnten nicht in der Lage sein, den Zweck dieser Verhaltensweisen oder mentalen Handlungen auszudrücken.
B. Die Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen sind zeitintensiv (sie beanspruchen z. B. mehr als 1 Stunde pro Tag) oder verursachen in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionbereichen.
C. Die Symptome der Zwangsstörungen sind nicht Folge der physiologischen Wirkung einer Substanz (z. B. Substanz mit Missbrauchspotenzial, Medikament) oder eines medizinischen Krankheitsfaktors.
D. Das Störungsbild kann nicht besser durch das Vorliegen einer anderen psychischen Störung erklärt werden (z. B. exzessive Sorgen, wie bei der Generalisierten Angststörung; übermäßige Beschäftigung mit dem äußeren Erscheinungsbild, wie bei der Körperdysmorphen Störung; Schwierigkeiten, Gegenstände auszusondern oder sich von diesen zu trennen, wie beim Pathologischen Horten; Haareausreißen, wie bei der Trichotillomanie [Pathologisches Haareausreißen]; Hautzupfen/-quetschen, wie bei der Dermatillomanie [Pathologisches Hautzupfen/-quetschen]; Stereotypien, wie bei der Stereotypen Bewegungsstörung; ritualisiertes Essverhalten, wie bei Essstörungen; übermäßige Beschäftigung mit Substanzen oder Glücksspielen, wie bei den Störungen im Zusammenhang mit psychotropen Substanzen und abhängigen Verhaltensweisen; übermäßige Beschäftigung, eine Krankheit zu haben, wie bei der Krankheitsangststörung; sexuell dranghafte Bedürfnisse oder Fantasien, wie bei der Paraphilie; Impulsdurchbrüche, wie bei den disruptiven, Impulskontroll- und Sozialverhaltensstörungen; Grübeln über Schuld, wie bei einer Major Depression; Gedankeneingebung oder Wahn, wie bei einer Störung aus dem Schizophrenie-Spektrum oder anderen psychotischen Störungen; oder stereotyp wiederholten Verhaltensmustern, wie bei der Autismus-Spektrum-Störung).
Bestimme, ob:
Mit Guter oder Angemessener Einsicht: Die Person erkennt, dass die zwangsbezogenen Überzeugungen definitiv nicht, wahrscheinlich nicht oder möglicherweise nicht zutreffen.
Mit Wenig Einsicht: Die Person denkt, dass die zwangsbezogenen Überzeugungen wahrscheinlich zutreffen.
Mit Fehlender Einsicht/Wahnhaften Überzeugungen: Die Person ist vollkommen davon überzeugt, dass die zwangsbezogenen Überzeugungen zutreffen.
Bestimme, ob:
Tic-Bezogen: Die Person weist gegenwärtig oder in der Vorgeschichte eine Tic-Störung auf.
Abdruck erfolgt mit Genehmigung vom Hogrefe Verlag Göttingen aus dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Fifth Edition, © 2013 American Psychiatric Association, dt. Version © 2018 Hogrefe Verlag.
Die wichtigste differenzialdiagnostische Abgrenzung betrifft das Merkmal der Angststörungen – dies deshalb, weil das Merkmal der Angst auch in den Kriterien bei Zwängen benannt wird. Folgende Gesichtspunkte erlauben eine Differenzierung von Zwängen einerseits und Angststörungen andererseits:
• Art der Emotionen: Patienten und Patientinnen mit Ängsten (z. B. Phobien) benennen die Emotion als Angst, während bei Zwängen eher undifferenzierte emotionale Zustände beschrieben werden, nämlich Unruhe, Anspannung etc.
• Merkmale der Vermeidung: Bei Patienten und Patientinnen mit Ängsten sprechen wir eher von passiver Vermeidung, d. h. die Personen versuchen, mit einer gefürchteten Situation gar nicht in Kontakt zu kommen (z. B. Vermeidung von öffentlichen Plätzen, sozialen Kontakten). Bei Zwängen spielt aktive Vermeidung eine wichtige Rolle, die Patienten und Patientinnen versuchen durch eigenes Verhalten, die entsprechende Emotion zu reduzieren (z. B. durch Waschen, Reinigen, Zählen und weitere gedankliche Rituale).
• Patienten und Patientinnen mit Ängsten können die Auslöser ihrer Ängste zumeist recht konkret beschreiben (z. B. bei Phobien, oder auch bei generalisierter Angststörung). Frägt man Patienten und Patientinnen mit Zwängen nach den Auslösern ihrer Unruhe und ihrer Zwänge, so können sie diese kaum konkret benennen. Entscheidend ist für Betroffene vielmehr das Gefühl, eine Situation nicht mehr aushalten zu können (also eher ein innerer Spannungszustand).
• Wirkung von Medikamenten: Patienten und Patientinnen mit Angststörungen reagieren in der Regel signifikant auf Anxiolytika (z. B. Benzodiazepine), diese erweisen sich bei Zwängen als weitgehend unwirksam. Ebenso interessant ist die deutliche Reaktion von Patienten und Patientinnen mit Ängsten auf Placebos, während sich diese Reaktion in Studien bei Zwängen nicht zeigt.
Zwangsstörungen treten in der Regel mit einer Reihe von anderen psychischen Störungen auf. Hier ist vor allem die Problematik der Depression zu erwähnen, aber auch viele andere Störungsbilder sind häufig mit Zwängen verknüpft (Komorbidität, Kap. 10 in diesem Buch). Daneben sind Erscheinungsbilder zu berücksichtigen, die große Ähnlichkeiten mit Zwängen aufweisen, die aber in der Klassifikation davon getrennt gesehen werden sollten (z. B. Horten, Trichotillomanie etc., Kap. 8 in diesem Buch). Vielfach wird hier auch von Zwangsspektrumsstörungen gesprochen.