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2.2 Häufigkeit von Zwangsstörungen in der Allgemeinbevölkerung

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Motiviert durch die Entwicklung von reliablen diagnostischen Kriterien und standardisierten diagnostischen Instrumente begann in den 1980er Jahren die systematische Erforschung der epidemiologischen Aspekte der Zwangsstörung. Als erste Studie hier kann wohl die vom US-amerikanischen National Institute of Mental Health durchgeführte ECA-Studie (Epidemiological Catchment Area Program) genannt werden, in der unter Anwendung operationalisierter Kriterien (DSM-III) und standardisierter Instrumente Informationen die Prävalenz der Zwangsstörung in der Allgemeinbevölkerung untersucht wurde (Karno et al. 1988). Seitdem wurde eine Reihe bevölkerungsbezogener Erhebungen mit standardisierten diagnostischen Instrumenten und der Operationalisierung diagnostischer Kriterien nach DSM-III, DSM-III-R, DSM-IV oder ICD-10 durchgeführt. Epidemiologische Studien, in denen die Häufigkeit von Störungen erhoben wird, bestimmen in der Regel zwei Schätzwerte: die Lebenszeitprävalenzrate (Anteil an Personen der Risikopopulation, der irgendwann im Verlauf ihres Lebens die diagnostischen Kriterien erfüllte) und die 12-Monats-Prävalenzrate (Anteil an Personen der Risikopopulation, der im Verlauf von zwölf Monaten – in der Regel erfasst für die zwölf Monate vor der Befragung – die diagnostischen Kriterien erfüllte). Bezogen auf die Lebenszeitprävalenz von Zwangsstörungen bei Erwachsenen deuten Ergebnisse von epidemiologischen Studien in der Allgemeinbevölkerung darauf hin, dass zwischen 0,3 % und 3,5 % der erwachsenen Bevölkerung mindestens einmal in ihrem Leben die diagnostischen Kriterien für eine Zwangsstörung erfüllen (siehe Caraveo-Anduaga und Bermúdez 2004; De Bruijn et al. 2010; Fontenelle et al. 2006; Ruscio et al. 2010). Auf der Grundlage der Prävalenzschätzungen von 14 Studien kommen Somers et al. (2006) zu einer gepoolten »besten Schätzung« von 1,3 % [95 % -Konfidenzintervall (CI) = 0,86 %–1,8 %]. Zu ähnlichen Befunden kommt die Metaanalyse von Fawcett et al. (2020). Diese Arbeit ermittelte eine gemittelte Schätzung der Lebenszeitprävalenz von 1,3 % über alle in die Analyse einbezogenen Allgemeinbevölkerungsstudien hinweg. Die geschätzten 12-Monats-Prävalenzraten der Zwangsstörung variieren über die Studien hinweg zwischen 0,1 % und 3,6 % (siehe Adam et al. 2012; Fontenelle et al. 2006; Jacobi et al. 2014; Ruscio et al. 2010; Somers et al. 2006). Hier betrug die von Somers et al. (2006) auf der Grundlage von neun Studien ermittelte gepoolte »beste Schätzung« 0,54 % (95 % CI = 0,28 %–0,86 %).

Epidemiologische Studien konnten ferner aufzeigen, dass Zwangsstörungen bereits im Kindes- und Jugendalter auftreten. Studien, die auf der Basis von operationalisierten Kriterien und standardisierter Erhebungsinstrumente durchgeführt wurden, ergaben Schätzungen der Lebenszeitprävalenz zwischen 0,5 % und 2,6 % und für die 12-Monats-Prävalenz zwischen 0,0 % und 4,0 % für Kinder und Jugendliche (z. B. Beesdo-Baum et al. 2015; Fontenelle et al. 2006; Valleni-Basile et al. 1994; Wittchen et al. 1998).

Bevölkerungsbasierte epidemiologische Studien konnten weiter aufzeigen, dass sog. subklinische Ausprägungen der Zwangsstörung, somit Störungsbilder, die nicht alle diagnostischen Kriterien erfüllen, relativ häufig in der Bevölkerung vorkommen. Für solche subklinischen Störungsbilder wurden über die Studien hinweg Lebenszeitprävalenzen zwischen 2,0 % und 8,7 % geschätzt (Adam et al. 2012; Angst et al. 2004; De Bruijn et al. 2010; Grabe et al. 2000). Betrachtet man sich schließlich die Zwangsstörung auf der Symptomebene, also dem Vorkommen von Zwangshandlungen oder Zwangsgedanken, ohne dass die betroffenen Personen die diagnostischen Kriterien für die Diagnose einer Zwangsstörung erfüllen, so konnte die Replikationsstudie des National Comorbidity Survey (NCS-R) aufzeigen, dass immerhin 28,2 % der befragten Personen irgendwann in ihrem Leben Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen erlebten (Ruscio et al. 2010). Auch aus den Befunden weiterer Allgemeinbevölkerungsstudien lässt sich der Schluss ableiten, dass bis zu einem Viertel der Allgemeinbevölkerung irgendwann in ihrem Leben Zwangssymptome erlebt (Adam et al. 2012; Fullana et al. 2010; Stein et al. 1997; Valleni-Basile et al. 1994). Zusammenfassend zeigt sich somit das Bild, dass Zwangsstörungen, die die diagnostischen Kriterien voll erfüllen, eher selten in der Bevölkerung vorkommen. Erweitert man jedoch den Blick und zieht auch subklinische Störungsformen oder auch symptomatisch auftretende Zwangshandlungen oder Zwangsgedanken in die Betrachtung ein, so sind weit mehr Menschen in der Allgemeinbevölkerung betroffen.

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