Читать книгу Was ist Popmusik? - Группа авторов - Страница 16

Braxton wird in Interviews nicht müde zu betonen, dass er seine Musik als Ausdruck einer affirmativen Haltung begreift und nicht als Verneinung der Tradition oder gar Destruktion bestehender Formen, was viele ihm unterstellen. „I see the reality of my work in creativity as an affirmation of all that I am – that being, an affirmation of what I have learned in so-called jazz – so-called western art music and world music“ (BRAXTON 1985, 353). Von seinen Musikerinnen und Musikern wünscht er sich eine positive Grundeinstellung und als Publikum „friendly experiencer“. Lauter Ja-Sager also? Ist Bejahung nicht Sache des Pop? Heißt es nicht von Pop Art und Popmusik, sie bestünden „aus einem großen Ja (zu Leben, Welt, Moderner Welt)“ (DIEDERICHSEN 2013, 190)? Und war es nicht Andy Warhol, der die schlechthin affirmative Lebenshaltung des „Alles ist gut“ zur Pop-Philosophie erklärt hat? Mit solch einer unkritischen Akzeptanz hat Braxton allerdings nichts am Hut. Für diesen Antipop-Musiker ist Affirmation Ausdruck eines offenen Weltbezugs, aus dem ein produktiver Umgang mit Erfahrungen und ein in die Zukunft gerichteter Umgang mit Vergangenem und Gegenwärtigen resultiert.

Braxton und der Antipop bejahen die radikale Transformation, die ungeahnte Entwicklung, den Richtungswechsel. Antipop-Musiker/innen sind, mit einem Ausdruck Braxtons, leidenschaftliche Restrukturalisten. Der musikalischen Umstrukturierung geht bei Braxton die wertschätzende Anerkennung der vorhandenen Strukturen voraus. Weil deren Textur verändert wird, kann der täuschende Eindruck entstehen, hier sei Geringschätzung, Abwertung oder pure Zerstörungswut im Gange. Das erklärt die heftigen Reaktionen vonseiten der Traditionalisten und Genrepuristen. Fundamentale Umstrukturierungen führen ins Unbekannte, sie verunsichern Gewissheiten, verstören Hörund Denkgewohnheiten. Aber das Neue, das der Antipop schafft, löscht das Alte nicht aus, es fügt ihm unbekannte Formen hinzu.