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|25|bb) Mordmerkmale der 2. Gruppe

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51Die tatbezogenen objektiven Mordmerkmale der 2. Gruppe setzen nicht voraus, dass der Täter aus einer besonders verwerflichen Motivation heraus handelt.[107] Steht fest, dass der Täter die objektiven Unrechtsmerkmale eines Mordmerkmales der 2. Gruppe erfüllt hat, braucht daher im subjektiven Tatbestand nur noch geprüft werden, ob er insoweit auch (zumindest bedingt) vorsätzlich gehandelt hat.

52Abb. 3: Mordmerkmale der 2. Gruppe


53(1) Heimtücke: Die Erstreckung des Mordtatbestandes auf heimtückische Tötungen liegt darin begründet, dass der Täter dem Opfer nicht offen feindselig gegenüber tritt und ihm dadurch eine Verteidigung gegen den sein Leben bedrohenden Angriff praktisch unmöglich macht.[108] »Der in diesem Mordmerkmal zum Ausdruck kommende höhere Unrechtsgehalt des Täterverhaltens liegt darin, daß der Mörder sein Opfer in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren.«[109] Vor diesem gesetzgeberischen Hintergrund handelt nach »ständiger Rechtsprechung […] heimtückisch, wer in feindseliger Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewußt zu dessen Tötung ausnutzt.«[110] Für die Prüfung des Heimtückemerkmals folgt hieraus ein dreistufiger Aufbau: Im Anschluss an die Feststellung, dass das Tatopfer |26|zu Beginn der Tötungshandlung arg- und wehrlos war, ist der Frage nachzugehen, ob der Täter dies bewusst zur Tötung ausgenutzt hat. Ist dies der Fall, ist zuletzt (ggf. kurz) darauf einzuegehen, ob der Täter auch in feindseliger Willensrichtung handelte.

54(a) Arglosigkeit: »Arglos ist der Getötete dann, wenn er nicht mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten erheblichen, gar mit einem lebensbedrohlichen Angriff rechnet.«[111] Im Ausgangspunkt kommt es hiernach darauf an, dass das Tatopfer in dem Moment, in dem der Täter unmittelbar i.S.v. § 22 StGB zur Tötung ansetzt, keinen Angriff auf seine körperliche Integrität befürchtet. Im Gegenzug entfällt die Arglosigkeit in der Regel, wenn das Tatopfer vor Eintritt ins Versuchsstadium erkennt, dass es dem Täter auf die Beeinträchtigung seiner körperlichen Unversehrtheit ankommt.[112] Insbesondere ist die Arglosigkeit auch dann zu verneinen, wenn es zwischen Täter und Opfer zu einer tätlichen Auseinandersetzung kommt und sich der Täter in deren Verlauf dazu entschließt, das Opfer zu töten, da dieses dann bereits infolge der noch andauernden Auseinandersetzung nicht mehr davon ausgeht, der Täter werde sich ihm gegenüber nicht feindselig verhalten.[113]

55Dass der Täter dem Opfer offen feindselig gegenübertritt, dieses bei Beginn der Tötungshandlung also nicht arglos ist, steht der Verwirklichung des Heimtückemerkmals ausnahmsweise dann nicht entgegen, »wenn der Täter das Opfer mit Tötungsvorsatz planmäßig in einen Hinterhalt lockt, um eine günstige Gelegenheit zur Tötung zu schaffen, und die entsprechenden Vorkehrungen und Maßnahmen bei Ausführung der Tat noch fortwirken.«[114] So liegt es insbesondere dann, wenn der Täter das Opfer unter einem Vorwand an einen abgelegenen Ort verbringt und dieses dort (wie von Anfang an geplant) offen mit seinem Tötungsvorhaben konfrontiert. Dass auch in dieser Konstellation ein Heimtückemord anzunehmen sein kann, sieht der BGH darin begründet, dass andernfalls »gerade besonders schwere Fälle der Tötung wie das wohldurchdachte Locken in einen Hinterhalt oder das raffinierte Fallenstellen nicht als Mord qualifiziert werden [könnten]. Darauf, daß das Opfer unmittelbar vor der Tötungshandlung nicht mehr arglos war, und ihm noch gewisse Verteidigungsmöglichkeiten zur Verfügung standen, [möge] es ankommen, wenn der Täter die Tötung gerade erst vor ihrer Ausführung ins Auge gefaßt hat. Handelt es sich aber um eine von langer Hand geplante und vorbereitete Tat, so [könne] das Heimtückische bereits und gerade in den Vorkehrungen und |27|Maßnahmen liegen, die der Täter ergreift, um eine günstige Gelegenheit zur Tötung zu schaffen, falls sie bei der Ausführung der Tat noch fortwirken.«[115]

56Dass das Tatopfer davon ausgeht, der Täter sei ihm gegenüber feindselig eingestellt, lässt die Arglosigkeit ebenso wenig entfallen, wie der Umstand, dass es zwischen Täter und Opfer zu einem vorangegangenen Zeitpunkt zu verbalen und/oder tätlichen Auseinandersetzungen gekommen ist.[116] Entscheidend ist allein, ob das Opfer in der konkreten Tatsituation erkannte, dass vom Täter eine unmittelbare Gefahr für sein Leben oder seine körperliche Unversehrtheit ausging. Demgegenüber fehlt es an der Arglosigkeit, wenn das Tatopfer den Täter über einen längeren Zeitraum erpresst hat und daher mit dessen Gegenwehr rechnen musste.[117]

57Personen, die konstitutionell nicht in der Lage sind, Misstrauen gegenüber anderen Personen zu entwickeln, kommen als Opfer eines Heimtückemordes nicht in Betracht. Insbesondere Schwerkranke und Kleinstkinder im Alter bis ca. drei Jahren hegen in der Regel keinen Argwohn gegenüber ihren Mitmenschen und können daher nicht arglos i.S.d. soeben skizzierten Anforderungen sein.[118] Allerdings gehen Rechtsprechung und Literatur überwiegend davon aus, dass »eine Ausnahme der prinzipiellen Ausklammerung kleiner Kinder [und Schwerkranker] aus dem Anwendungsbereich des Mordmerkmals der Heimtücke dann zu machen ist, wenn der Täter schutzbereite Dritte ausschaltet, um dann die Tötung des nicht mehr behüteten [Opfers] ungehindert begehen zu können.«[119] »Schutzbereiter Dritter ist [hierbei] jede Person, die den Schutz eines [Kleinstkindes oder] Besinnungslosen vor Leib- und Lebensgefahren dauernd oder vorübergehend übernommen hat und diesen im Augenblick der Tat entweder tatsächlich ausübt oder dies deshalb nicht tut, weil sie dem Täter vertraut […]. Sie muss auf Grund der Umstände des Einzelfalls allerdings den Schutz wirksam erbringen können, wofür eine gewisse räumliche Nähe und eine überschaubare Anzahl der ihrem Schutz anvertrauten Menschen erforderlich sind.«[120] Nach diesen Maßgaben kommt ein Heimtückemord etwa dadurch in Betracht, dass der Täter die Arglosigkeit der Eltern eines Kleinstkindes bzw. des für die Betreuung eines Intensivpatienten zuständigen Pflegepersonals zur Tötung des Kindes bzw. des Patienten ausnutzt|28|. Ausnahmsweise will der BGH im Fall der Tötung eines Kleinstkindes darüber hinaus eine heimtückische Begehungsweise auch dann bejahen, wenn der Täter die instinktiven Abwehrmechanismen des Kindes gezielt umgeht, also beispielsweise ein tödlich wirkendes Mittel in die Nahrung des Kindes mischt, weil dieses andernfalls das Mittel seines Geschmacks wegen nicht zu sich nehmen würde.[121]

58Schlafende sind in der Regel arglos, da sie ihre Arglosigkeit mit in den Schlaf nehmen.[122] Demgegenüber verneint der BGH die Arglosigkeit eines Bewusstlosen, denn diesen überkomme »sein Zustand, ohne daß er es hindern könnte; er [könne] nicht in der Erwartung, ihm werde niemand etwas anhaben, getäuscht werden.«[123] Im Ergebnis vermag die unterschiedliche rechtliche Behandlung der Tötung von Schlafenden und Bewusstlosen jedoch nicht zu überzeugen. Vielmehr haben beide Konstellationen gemein, dass sich die Tat gegen eine Person richtet, die (soweit es sich nicht zugleich um einen konstitutionell Arglosen i.S.v. Rn. 57 handelt) grundsätzlich Misstrauen gegenüber dem Verhalten anderer Personen entwickeln kann, hierzu aber infolge situativer Umstände ausnahmsweise nicht in der Lage ist. Da der Täter in beiden Fällen die (nur) in der konkreten Situation bestehende besondere Schutzlosigkeit des Opfers ausnutzt, erscheint es sachgerecht, sowohl Schlafende als auch Bewusstlose als arglos anzusehen und nicht zwischen dem freiwilligen Einschlafen auf der einen und dem unfreiwlligen Eintritt der Bewusstlosigkeit auf der anderen Seite zu differenzieren.[124]

59(b) Wehrlosigkeit:Wehrlos ist, wer gerade aufgrund seiner Arglosigkeit in seiner natürlichen Abwehrbereitschaft und -fähigkeit eingeschränkt und hierdurch außer Stande ist sich zu verteidigen, bzw. in seiner Verteidigung zumindest erheblich limitiert ist.[125] Erforderlich ist hiernach das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen Arg- und Wehrlosigkeit, wonach das Opfer gerade infolge der fehlenden Antizipierung eines auf seine körperliche Unversehrtheit gerichteten Angriffs nicht in der Lage ist, sich effektiv gegen den Täter zu verteidigen.[126] Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen der Wehrlosigkeit ist wiederum der Beginn des Tötungsversuchs, soweit nicht der in Rn. 55 skizzierte Ausnahmefall vorliegt. Fallkonstellationen, in denen ein Opfer zwar arg-, aber nicht wehrlos ist, kennzeichnen sich typischerweise |29|dadurch, dass das Opfer im Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens zwar nicht mit einem Angriff auf seine körperliche Unversehrtheit rechnet, ihm aber gleichwohl noch die Möglichkeit offen steht, zu fliehen, Hilfe herbeizurufen oder sich wehrhaft zu verteidigen.[127]

60(c) Bewusstes Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit: Der Täter muss die Arg- und Wehrlosigkeit bewusst zur Tötung ausgenutzt haben, wovon dann auszugehen ist, wenn er sein Vorgehen danach berechnend ausrichtet.[128] Besonderes Augenmerk bedarf diese Strafbarkeitsvoraussetzung in Konstellationen, in denen das Tötungsgeschehen auf eine spontane Gefühlsregung des Täters zurückzuführen ist. Denn wenn »ein Täter bei einem vorsätzlichen Angriff auf einen Arg- und Wehrlosen in plötzlich aufsteigender Verbitterung und Wut [handelt], dann liegt die Möglichkeit, daß er die Bedeutung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers für die Tat nicht erkannt hat, oft so nahe, daß es in aller Regel besonderer Darlegungen über die Umstände bedarf, aus denen sich ergibt, daß der Täter trotz seiner Erregung die für die Heimtücke maßgebenden Gesichtspunkte in sein Bewußtsein aufgenommen hat, wenn auch Heimtücke weder eine längere Überlegung noch das Vorhandensein eines länger erwogenen Tatplanes verlangt und die Umstände, welche die Heimtücke begründen, in ihrer Bedeutung für die Tat auch auf einen Blick erfaßt werden können.«[129] Nach diesen Maßstäben hielt der BGH das Bewusstsein des Täters hinsichtlich der Arg- und Wehrlosigkeit in einem Fall für besonderes erörterungsbedürftig, in dem der Täter beim Anblick des schlafenden Tatopfers aufgrund einer verbalen Auseinandersetzung vom vorangegangenen Abend in Wut geriet und einem spontanen Entschluss folgend mehrfach mit einer Glasflasche in dessen Gesicht schlug.[130] Diese Entscheidung darf indes nicht dahingehend fehlinterpretiert werden, dass eine heimtückische Tötung stets eine besondere Planung erfordere. Vielmehr kann auch eine aus einem spontanen Entschluss heraus begangene Tötungshandlung die Voraussetzungen des Mordmerkmales erfüllen, solange der Täter es nur für möglich hält, dass sich das Tatopfer in einem die Arg- und Wehrlosigkeit begründenden Zustand befindet.

61(d) Feindselige Willensrichtung: Das Erfordernis eines Handelns in feindseliger Willensrichtung wird von Seiten der Rechtsprechung in erster Linie herangezogen, um solche Tötungen vom Anwendungsbereich des § 211 StGB auszunehmen, in denen der Täter davon ausgeht, er handle im Interesse des Tatopfers. Insbesondere soll das Heimtückemerkmal dann »entfallen, wenn der Täter nicht aus einer feindseligen Haltung gegenüber dem Opfer heraus, sondern aus Mitleid gehandelt hat, um einem Todkranken schwerstes Leid |30|zu ersparen.«[131] Der Anwendungsbereich dieses Korrektivs sollte indes nicht überschätzt werden. So sind die Voraussetzungen einer heimtückischen Tötung insbesondere auch dann zu bejahen, wenn der Täter »nicht aus individuellem Mitleid mit den schwerkranken [Tatopfern handelt, sondern seine] Vorstellungen über Würde und Wert des Lebens eines sterbenden Menschen durchsetzen [möchte].«[132] Zutreffend ging der BGH daher von einem Handeln in feindseliger Willensrichtung in einem Fall aus, in dem eine Krankenschwester nicht aus persönlich empfundenem Mitleid mit den fünf schwerkranken Tatopfern handelte, sondern weil sie deren Leben aufgrund ihres fortgeschrittenen Krankheitszustandes nicht mehr für lebenswert erachtete.[133]

62(e) Gebot der restriktiven Auslegung: Das Erfordernis der restriktiven Auslegung des Mordtatbestandes begegnet beim Heimtückemerkmal in besonderer Schärfe, da der Gesetzeswortlaut prinzipiell auch einer weiten Interpretation zugänglich wäre, der zufolge § 211 StGB sämtliche Tötungen erfassen würde, in denen das Opfer »nicht mit der Tötung rechnet«. Nach einer verbreiteten Literaturansicht soll der Problematik dadurch begegnet werden, dass der Anwendungsbereich der heimtückischen Tötung von vornherein auf Fälle beschränkt wird, in denen die Tathandlung Ausdruck eines besonderen Vertrauensbruches ist.[134] Hiernach würden vom Tatbestand nur solche Tötungen erfasst werden, in denen die Arglosigkeit des Opfers darauf beruht, dass es sich bei dem Täter um eine Person handelt, der es besonderes Vertrauen entgegenbringt.[135] Heimtücke wäre danach zu bejahen, wenn der Täter seine besondere Vertrauensstellung gegenüber dem Tatopfer ausnutzt, nicht jedoch, wenn das Tatopfer keinen Anlass hat, darauf zu vertrauen, dass er gerade vom Täter keinen Angriff auf seine körperliche Unversehrtheit befürchten muss.

63In jüngerer Vergangenheit ist die Forderung, den Heimtückemord an das Erfordernis eines besonderen Vertrauensbruchs zu knüpfen, wiederholt im Zusammenhang mit den sog. »Familientyrann-Fällen« aufgegriffen worden. Diese kennzeichnen sich typischerweise dadurch, dass ein Familienmitglied den Familienvater im Schlaf tötet, nachdem es von diesem über mehrere Jahre hinweg körperlich und verbal schwer misshandelt wurde.[136] Da der Familienvater infolge seines tyrannischen Auftretens in der Regel nicht darauf vertraut, dass die übrigen Familienmitglieder sich nicht für die erlittenen Demütigungen |31|rächen, könnte in dieser Konstellation durch die Erweiterung des Prüfungsprogramms um das Merkmal des Vertrauensbruches eine heimtückische Tötung verneint werden.

64Der BGH hat der Beschränkung des Anwendungsbereichs des Heimtückemordes auf Fälle, die sich durch einen Vertrauensbruch kennzeichnen, schon früh eine Absage erteilt. Zur Begründung verwies er im Ergebnis zutreffend auf die begriffliche Unbestimmtheit des Vertrauensmerkmals sowie die mit dem Gerechtigkeitsgefühl nur schwer zu vereinbarenden rechtlichen Konsequenzen. Denn die »Ansicht, die das Wesen der Heimtücke in einem (besonders) ›verwerflichen Vertrauensbruch‹ findet, muß sich entgegenhalten lassen, daß sie wegen der Vieldeutigkeit des Vertrauensbegriffs […] zu einer unsicheren und ungleichmäßigen Rechtsprechung in der Tatbestandsfrage führt, gerade in Grenzfällen keinen Fortschritt erbringt und – weil zwischen Vertrauensbruch und gesteigertem Unwert der Tat nicht ohne weiteres eine Kongruenz besteht – einerseits den Mordtatbestand unangemessen ausdehnt, andererseits in nicht billigenswerter Weise einschränkt. [So erscheint es] ›unerträglich, den Überfall auf einen Ahnungslosen allein deshalb nicht als heimtückisch anzusehen, weil Täter und Opfer bis dahin in keiner persönlichen Beziehung zueinander gestanden haben‹.«[137] Konsequenz dieser Rechtsprechung ist insbesondere, dass der klassische »Meuchelmord« unabhängig davon als Heimtückemord zu bestrafen ist, ob Täter und Opfer in einer besonderen Vertrauensbeziehung standen oder nicht. In den Familientyrann-Fällen tendiert der BGH demgegenüber zur Annahme eines Entschuldigungstatbestandsirrtums und damit zur Anwendung von § 35 Abs. 2 StGB.[138] Damit bleibt festzuhalten, dass der in der absoluten Strafdrohung des § 211 StGB begründeten verfassungsrechtlichen Problematik durch eine besonders zurückhaltende Interpretation des Heimtückebegriffs, nicht jedoch durch die Erweiterung des Prüfungsprogramms um das Merkmal des »besonderen Vertrauensbruchs« zu begegnen ist.

65(2) Grausam: Die gesteigerte Verwerflichkeit grausamer Tötungen ergibt sich daraus, dass der Täter dem Opfer besonders intensive Schmerzen zufügt. Nach Einschätzung des BGH tötet derjenige grausam, der »dem Opfer aus gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung, Schmerzen oder Qualen körperlicher oder seelischer Art zufügt, die nach Stärke oder Dauer über das für die Tötung erforderliche Maß hinausgehen.«[139] Neben einer objektiv besonders gravierenden Tatbegehung ist hiernach eine spezifische innere Haltung des Täters erforderlich.[140]

66|32|In objektiver Hinsicht kennzeichnet sich die grausame Tötung dadurch, dass der Täter dem Opfer gerade durch die Tatausführung besonders intensive körperliche oder seelische Schmerzen beibringt, die über die mit einer Tötung für gewöhnlich einhergehenden Beeinträchtigungen deutlich hinausreichen.[141] Ob die zugefügten Schmerzen die erforderliche Intensität aufweisen, richtet sich primär nach der Empfindungsfähigkeit des jeweiligen Opfers und nicht nach dem objektiven Erscheinungsbild der Tat.[142] Anlass für die Prüfung einer grausamen Tatbegehung besteht insbesondere dann, wenn der Täter den Tod des Opfers durch eine besonders langwierige und mit erheblichen körperlichen Beeinträchtigungen verbundene Art und Weise verursacht, oder wenn der eigentlichen Tötungshandlung schwerwiegende Folterungen oder seelische Beeinträchtigungen vorausgehen. Eine Tatbegehung durch Unterlassen ist möglich und begegnet in der Praxis vorwiegend in Form des Verhungern-Lassens.[143]

67In subjektiver Hinsicht muss der Täter zunächst mit Tatbestandsvorsatz handeln, der sich insbesondere auch auf die vom Tatopfer subjektiv empfundenen Leiden erstrecken muss.[144] Darüber hinaus muss der Täter aus gefühlloser und unbarmherziger Gesinnung handeln, die »sich schon aus einem vom Vorsatz getragenen, objektiv grausamen Verhalten ergeben [kann]. Dies gilt aber nicht in jedem Fall. Auffällige Eigenarten der Persönlichkeit des Täters und seine besondere seelische Situation z. der Tat sowie sein sonstiges Verhalten gegenüber dem Opfer können es erforderlich machen, die innere Tatseite unter Berücksichtigung dieser Umstände besonders sorgfältig zu erörtern.«[145] Nach diesen Vorgaben stellt bereits die objektiv grausame Tötung ein maßgebliches Indiz für die gefühllose Gesinnung des Täters dar. Diese kann aber bei Vorliegen besonderer Umstände fehlen, beispielsweise im Falle einer Affekttat oder bei Vorliegen eines schwerwiegenden Rauschzustandes.[146]

68(3) Gemeingefährliche Mittel: Die Aufnahme der Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln in § 211 StGB beruht darauf, dass mit dieser eine vom Täter nicht sicher beherrschbare Gefährdung einer Vielzahl von Personen einhergeht. Gemeingefährlich sind solche Tatmittel, »die in ihrer Wirkung im allgemeinen nicht mehr beherrschbar und daher geeignet [sind], eine größere Zahl von Menschen an Leib oder Leben zu gefährden, also eine allgemeine Gefahr entstehen zu lassen […]. Ist diese allgemeine Eignung gegeben, kommt es auf den Umfang des konkreten Gefährdungsbereichs nicht an. Seine Beschränkung auf eine Räumlichkeit oder ein sonstiges zum Aufenthalt von Menschen dienendes |33|Objekt wie ein Flugzeug schließt die Eigenschaft als gemeingefährliches Mittel nicht aus […]. Die Benutzung eines solchen Mittels zur Tötung eines Menschen ist allerdings dann kein Mord mit einem gemeingefährlichen Mittel, wenn der Täter es in der konkreten Tatsituation unter Berücksichtigung seiner persönlichen Fertigkeiten so beherrscht, daß deswegen eine Gefährdung jedenfalls einer Mehrzahl von Menschen ausgeschlossen ist, wenn er z.B. Gift nicht in den Kessel einer Gemeinschaftsküche, sondern in den Teller des Opfers gibt.«[147] Im Ergebnis kommt es für die Annahme einer Tötung durch gemeingefährliche Mittel hiernach darauf an, dass das vom Täter eingesetzte Tötungsmittel »in der konkreten Tatsituation eine Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann, weil der Täter die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat.«[148] Exemplarisch sind insoweit Brand-, Spreng- und radioaktive Stoffe sowie Schnellfeuerwaffen, mit denen in eine Menschenmenge geschossen wird, aber auch ein PKW, der nachts von einem Geisterfahrer auf einer Autobahn entgegen der Fahrtrichtung geführt wird.[149] Ob es tatsächlich zu einer konkreten Gefährdung mehrerer Personen gekommen ist, ist für die Tatbestandsverwirklichung ohne Bedeutung, es genügt, dass eine hinreichende Gefährdung im Einzelfall möglich gewesen ist.[150]

69(4) Leitentscheidungen:BGHSt 23, 119, 120f.; Arglosigkeit Schlafender & Motivbündel: Wenige Tage nachdem ein Mann mit seiner Lebensgefährtin eine von ihm eingerichtete Wohnung bezogen hat, kommt es zwischen ihnen zu einer heftigen Auseinandersetzung, an deren Ende die Lebensgefährtin den Mann aus der Wohnung verweist. In der darauffolgenden Nacht begibt er sich unbemerkt in die Wohnung und erschlägt die Lebensgefährtin und ihren gemeinsamen Sohn, die sich zum Schlafen niedergelegt haben. Hierdurch möchte der Mann sich für die gefühlte Demütigung rächen. In erster Linie geht es ihm aber darum zu verhindern, dass seine Lebensgefährtin eine neue Beziehung eingeht und dass andere die von ihm eingerichtete Wohnung nutzen. – Es liegt eine heimtückische Tötung vor, da der Mann die Arg- und Wehrlosigkeit der Lebensgefährtin sowie des Sohnes ausgenutzt hat. Die die Wehrlosigkeit begründende Arglosigkeit entfällt nicht deshalb, weil die Tatopfer schliefen und daher nicht in der Lage waren, den Angriff zu bemerken. Vielmehr nimmt derjenige, der sich zum Schlaf niederlegt, seine Arglosigkeit regelmäßig mit in den Schlaf und legt sie bis zum Zeitpunkt des Aufwachens auch nicht wieder ab. Erfüllt ist ferner das Mordmerkmal des niedrigen Beweggrundes. Zwar können die Enttäuschung des Mannes und die von ihm gefühlte Demütigung noch nachvollzogen werden. In Fällen, in denen der Tötungsentschluss |34|auf mehreren Motiven beruht, ist bei der Bewertung der Tat jedoch auf die bewusstseinsdominanten Motive abzustellen. Dies waren vorliegend die eigensüchtigen Erwägungen des Mannes, dass seine Lebensgefährtin keine neue Beziehung eingehen und niemand außer ihm von der neu eingerichteten Wohnung profitieren soll.

70BGH NStZ 2006, 167, 168; Gemeingefährliches Mittel: Der Betreiber eines Lokals, der infolge starken Alkoholkonsums eine BAK von 2,2 ‰ aufweist, gerät im Anschluss an eine Auseinandersetzung mit seiner Lebensgefährtin in eine depressive Stimmung. Er begibt sich hierauf in seinen PKW und lenkt diesen mit einer Geschwindigkeit von 35 km/h über einen Gehweg, auf dem sich die Außenterrassen von zwei Cafés befinden. Der PKW streift 5 Personen und verletzt diese, 3 weitere Personen können rechtzeitig zur Seite springen. Zuletzt erfasst der Lokalbetreiber mit dem Fahrzeug einen an einem Tisch sitzenden Mann, der unter das Fahrzeug gezogen und lebensgefährlich verletzt wird. Die Tötung und Verletzung von Menschen hatte der Lokalbetreiber in Kauf genommen. – Der Lokalbetreiber ist unter anderem strafbar wegen versuchten Mordes mit gemeingefährlichen Mitteln. Gemeingefährliche Mittel sind solche, die in der konkreten Tatsituation eine Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden können, weil der Täter die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat. Entscheidend ist dabei nicht die abstrakte Gefährlichkeit eines Mittels, sondern die Wirkung in der konkreten Situation, so dass das Mordmerkmal auch dann erfüllt sein kann, wenn ein nach seiner äußeren Beschaffenheit ungefährliches Mittel auf gemeingefährliche Weise eingesetzt wird. Da die Anzahl der durch sein Fahrzeug gefährdeten Personen für ihn nicht berechenbar war und er den Umfang der durch die unkontrollierte Fahrt verursachten Gefährdung nicht beherrschen konnte, hat der Lokalbetreiber die Tat mit einem gemeingefährlichen Mittel begangen.

71BGH NStZ 2012, 35; Heimtücke: Ein Gaststättenbesucher gerät während der Fußballweltmeisterschaft mit zwei anderen Gästen der Gaststätte in eine verbale Auseinandersetzung, wobei er fälschlich bestreitet, dass Italien bereits viermal Fußballweltmeister geworden ist. Im Anschluss an eine Rempelei mit einem der anderen Gäste geht der Gaststättenbesucher nach Hause, nimmt eine geladene Pistole an sich und geht zurück ins Lokal. Nachdem er dort einen der völlig überraschten und unvorbereiteten Gäste erschossen hat, bittet der andere mit den Worten »nein, nicht« ihn zu verschonen. Nunmehr entschließt sich der Gaststättenbesucher, auch den anderen Gast zu erschießen und tötet diesen mit zwei weiteren Schüssen. – Während die Tötung des ersten Gastes als heimtückisch zu bewerten ist, da dieser trotz der vorherigen Auseinandersetzung mit dem Gaststättenbesucher nicht mit einem Angriff auf seine körperliche Unversehrtheit rechnete und infolgedessen zur Verteidigung außer Stande war, erfüllt die Tötung des zweiten Gastes nicht das Heimtückemerkmal. Den Entschluss, auch den zweiten Gast zu töten, fasste der Gaststättenbesucher erst zu einem Zeitpunkt, in dem dieser aufgrund der Beobachtung des vorangegangenen Geschehens die Gefahr erkannt hatte und daher nicht mehr arglos war. Da es für |35|die Prüfung der Arglosigkeit auf den Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens zur Tötung des jeweiligen Opfers ankommt, liegt hinsichtlich des zweiten Gastes das Heimtückemerkmal nicht vor. Handelte der Gaststättenbesucher allein aus Verärgerung über den vorangegangenen Streit über die Weltmeistertitel Italiens, liegt hinsichtlich der Tötung beider Gäste jedoch das Mordmerkmal des niedrigen Beweggrundes vor.

Strafrecht Besonderer Teil

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