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d) Leitentscheidungen

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128BGHSt 19, 135, 137ff.; Abgrenzung zwischen strafloser Beihilfe zur Selbsttötung und unmittelbarer Fremdtötung: Nachdem einer Jugendlichen von ihren Eltern der Kontakt mit ihrem Lebensgefährten untersagt wurde, fasst sie den festen Entschluss, aus dem Leben zu scheiden. Der Lebensgefährte versucht zunächst erfolglos, sie umzustimmen, entscheidet sich aber schließlich dazu, mit ihr gemeinsam zu sterben. Sie begeben sich in den PKW des Lebensgefährten und nehmen dort Tabletten ein, die aber keine Wirkung zeigen. Hierauf schlägt der Lebensgefährte vor, die Abgase des Fahrzeugs ins Wageninnere zu leiten. Die Jugendliche erklärt, dies sei eine gute Idee und sie hoffe, dass sie nicht zu früh gefunden würden. Der Lebensgefährte schließt hierauf einen Schlauch an das Auspuffrohr an und führt diesen durch das linke Fenster in das Wageninnere. Anschließend tritt er das Gaspedal durch, bis das einströmende Kohlenoxyd ihm und der Jugendlichen das Bewusstsein nimmt. Während die Jugendliche verstirbt, kann der Lebensgefährte gerettet werden. – Der Lebensgefährte hat den Tod der Jugendlichen in unmittelbarer Täterschaft verwirklicht und ist nicht lediglich (strafloser) Gehilfe einer Selbsttötung. Die Abgrenzung zwischen strafloser Beihilfe an einer Selbsttötung und unmittelbarer Fremdtötung richtet sich nach dem Kriterium der Tatherrschaft. Diese fiel allein dem Lebensgefährten zu, da das zum Tode der Jugendlichen führende Einleiten des Kohlenoxyds ins Fahrzeuginnere allein von ihm beherrscht wurde. Da der Lebensgefährte durch das ausdrückliche und ernsthafte Verlangen der Jugendlichen zur Tötung bestimmt wurde, ist er jedoch nicht nach § 212 Abs. 1 StGB, sondern gemäß § 216 StGB zu bestrafen. Die Jugendliche hat insbesondere durch den Hinweis, dass das Einleiten der Abgase eine gute Idee sei und dass sie hoffe, dass sie nicht zu früh entdeckt werden, ihren Sterbewillen unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Darüber hinaus hat der Lebensgefährte zwar auch seinen eigenen Tod angestrebt, sich im Hinblick |61|auf die Tötung der Jugendlichen aber ausschließlich von ihrem Wunsch leiten lassen, aus dem Leben zu scheiden.

129StA München I NStZ 2011, 345f.; Nichteinschreiten gegen eine Selbsttötung: Eine Alzheimer-Patientin beschließt, durch Selbsttötung aus dem Leben zu scheiden, bevor das Krankheitsbild vollständig ausgeprägt ist. Nachdem sie sich umfänglich informiert und ihren Tod von langer Hand geplant hat, trifft sich die Patientin am Abend des 28.2.2009 mit ihren erwachsenen Kindern. Im Anschluss an ein gemeinsames Essen nimmt die Patientin eine Überdosis Medikamente ein und legt sich kurze Zeit später schlafen. Als ihre Atmung gegen 0.30 Uhr flach und unregelmäßig wird, setzen sich die Kinder an das Bett der Patientin und halten deren Hand, bis sie gegen 0.41 Uhr verstirbt. Versuche, die Patientin zu retten, werden von den Kindern nicht unternommen. – Die StA München I verneinte einen hinreichenden Tatverdacht gegen die Kinder und stellte das gegen sie eingeleitete Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO ein. Zwar hätten Kinder gegenüber ihren Eltern grundsätzlich eine Garantenstellung inne, jedoch werde die sich daraus ergebende Garantenpflicht durch einen freiverantwortlich gefassten Selbsttötungswillen des Suizidenten eingeschränkt. Die Auffassung, die eine Pflicht zum Einschreiten ab dem Eintritt der Handlungs- bzw. Bewusstlosigkeit annehmen möchte, sei abzulehnen, da andernfalls der unauflösbare Wertungswiderspruch entstünde, dass ein Angehöriger oder Arzt straflos einen Suizidenten bei der Realisierung seines Tötungsentschlusses unterstützen dürfte (etwa indem er Gift besorgt), dann aber nach Einnahme des Giftes zur Rettung verpflichtet wäre. Da der Entschluss der Patientin, aus dem Leben zu scheiden, freiverantwortlich getroffen worden sei, käme sowohl eine Strafbarkeit aus §§ 212 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB als auch eine solche aus § 323c StGB nicht in Betracht.

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