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aa) Fehlende Eigenverantwortlichkeit

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119Unter welchen Voraussetzungen die Entscheidung des Verstorbenen, seinen Tod herbeizuführen, als freiverantwortlich zu bewerten und folglich eine mittelbare Täterschaft des Hintermanns ausgeschlossen ist, ist nicht abschließend geklärt. Dabei besteht im Ausgangspunkt weitgehende Einigkeit darüber, dass die Eigenverantwortlichkeit zu verneinen ist, wenn der Suizident über die unmittelbaren Folgen seiner Handlung irrt, er also nicht erkennt, dass er sich selbst das Leben nehmen wird. Dies wurde vom BGH in der viel zitierten »Sirius-Entscheidung« bestätigt. Dieser lag ein Fall zugrunde, in dem der Täter das weibliche Tatopfer veranlasste, sich in eine mit Wasser gefüllte Badewanne zu setzen und in diese einen eingeschalteten Fön fallen zu lassen, indem er sie davon überzeugte, sie werde hierdurch nicht ums Leben kommen, sondern sich im Körper einer Künstlerin wiederfinden. Zutreffend bejahte der BGH die Voraussetzungen einer mittelbaren Täterschaft kraft überlegenen Wissens, da das Tatopfer infolge der Täuschung des Täters schon nicht damit rechnete, überhaupt aus dem Leben zu scheiden: »Die Abgrenzung [zwischen strafbarer Tötungstäterschaft von strafloser Selbsttötungsteilnahme] hängt im Einzelfall von Art und Tragweite des Irrtums ab. Verschleiert er dem sich selbst ans Leben Gehenden die Tatsache, daß er eine Ursache für den eigenen Tod setzt, ist derjenige, der den Irrtum hervorgerufen und mit Hilfe des Irrtums das Geschehen, das zum Tod des Getäuschten führt oder führen soll, bewußt und gewollt ausgelöst hat, Täter eines (versuchten oder vollendeten) Tötungsdelikts kraft überlegenen Wissens, durch das er den Irrenden lenkt, zum Werkzeug gegen sich selbst macht.«[205]

120Nach welchen Maßgaben die Eigenverantwortlichkeit des Suizidenten in Konstellationen zu beurteilen ist, in denen keine auf die unmittelbaren Folgen seiner Handlung bezogene Fehlvorstellung vorliegt, wird unterschiedlich beantwortet. Die sog. Exkulpationslösung will sinngemäß auf die §§ 19, 20, 35 StGB; 3JGG zurückgreifen und die Freiverantwortlichkeit immer nur dann verneinen, wenn sich der Suizident in einem Zustand bzw. einer Situation |57|befindet, in der er nach diesen Vorschriften für eine Fremdschädigung nicht verantwortlich wäre.[206] Demgegenüber sollen nach der Einwilligungslösung die Grundsätze, die für ein ernsthaftes Tötungsverlangen i.S.v. § 216 StGB gelten, analog heranzuziehen sein, mit der Folge, dass der Suizident dann nicht eigenverantwortlich handeln würde, wenn ein von ihm in der konkreten Tatsituation geäußertes Tötungsverlangen nicht als ernstlich i.S.v. § 216 StGB anzusehen wäre.[207] Zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen die Auffassungen insbesondere beim Vorliegen bloßer Motivirrtümer, die nicht die Voraussetzungen der §§ 19, 20, 35 StGB; 3JGG erfüllen, aber hinreichen, um einem Tötungsverlangen die Ernstlichkeit i.S.v. § 216 StGB zu nehmen. Wer sich beispielsweise das Leben nimmt, weil er der fälschlichen Äußerung seiner Lebensgefährtin vertraut, diese werde das Gleiche tun, handelt nach der Exkulpationslösung eigenverantwortlich, während die Eigenverantwortlichkeit nach der Einwilligungslehre zu verneinen ist.[208] Für die Einwilligungslösung spricht insbesondere, dass sie durch die Aufstellung strenger Anforderungen an die Freiverantwortlichkeit der Höchstrangigkeit des Rechtsguts Leben umfassend Rechnung trägt. Im Übrigen erscheint es auch dogmatisch überzeugend, die Wirksamkeit einer Verfügung über höchstpersönliche Rechtsgüter unter Heranziehung des Rechtsgedankens in § 216 StGB nach Einwilligungsgesichtspunkten zu beurteilen.[209]

121Kann nicht eindeutig geklärt werden, ob die Willensbildung des Suizidenten einwandfrei erfolgte und sein Handeln daher als eigenverantwortlich zu bewerten ist, ist nach dem Grundsatz in dubio pro reo zugunsten des anderen Beteiligten von einer Freiverantwortlichkeit auszugehen.[210]

Strafrecht Besonderer Teil

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