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IX. Gesamtdeckung (Non-Affektation)

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Der Grundsatz der Gesamtdeckung (Non-Affektation) verlangt, dass prinzipiell alle in den Haushalt eingestellten Einnahmen zur Deckung aller im Haushalt vorgesehenen Ausgaben zur Verfügung stehen, dass die Einnahmen mithin grundsätzlich nicht von vornherein zweckgewidmet sind. Einfachrechtlich ist dieser Grundsatz in § 7 Satz 1 HGrG, § 8 Satz 1 BHO und entsprechend in den Landeshaushaltsordnungen und den Gemeindehaushaltsvorschriften enthalten. Er soll verhindern, dass notwendige Ausgaben nicht getätigt werden können, weil Einnahmen aufgrund anderweitiger Zweckwidmung nicht zur Verfügung stehen, und dass unnötige Ausgaben nur deshalb getätigt werden, weil noch entsprechend zweckgewidmete Einnahmen vorhanden sind. Der Gesamtdeckungsgrundsatz steht insoweit in engem Zusammenhang mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot[374].

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Gleichwohl soll der Grundsatz der Gesamtdeckung nach überwiegender Auffassung keinen Verfassungsrang haben[375]. Vorschriften, die auf Grundlage von § 7 Satz 2 HGrG, § 8 Satz 2 BHO oder den entsprechenden landesrechtlichen Regelungen Zweckbindungen von Einnahmen vorsehen, bedürfen danach keiner besonderen Rechtfertigung. Dementsprechend kennt die Praxis zweckgebundene Steuern[376], Gebühren, Beiträge und auch Sonderabgaben. Das Bundesverfassungsgericht hat die Zweckbindung von Steuern[377] und auch entgeltenden Abgaben[378] verfassungsrechtlich grundsätzlich gebilligt. Das Bundesverwaltungsgericht verlangt zumindest die Zwecktauglichkeit von Zwecksteuern[379].

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Dieser großzügigen verfassungsrechtlichen Beurteilung ist der fundamentale Bedeutungsgehalt des Grundsatzes der Non-Affektation entgegenzuhalten. Die Entwicklung des Grundsatzes geht mit der Entstehung der Gesamthaushalte in der Zeit des Absolutismus einher, begründete sich also einerseits mit der Loslösung der Steuererhebung von Zweckbindungen und der zunehmenden Machtfülle der Herrscher, andererseits aber auch mit dem Streben nach rationaler Haushaltspolitik. So wird der Gesamtdeckungsgrundsatz zu Recht als „Basis für eine rationale Haushaltsplanung“ und deshalb als „zu den wesentlichen Elementen der öffentlichen Haushaltswirtschaft“ gehörig bezeichnet[380]. Noch darüber hinausgehend sichert der Grundsatz aber, im parlamentarischen Regierungssystem, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Denn er stützt die rechtsstaatlich und demokratisch gebotene Distanz zwischen dem Ausgabenstaat und seinen Financiers mit ab. Bleibt im Zeitpunkt des Mittelzuflusses offen, welchen Ausgabenzwecken welche Mittel zugeführt werden, so ist eine Steuererhebung nach Maßgabe der individuellen Leistungsfähigkeit und eine Mittelverwendung nach Maßgabe des demokratisch eigenständig ausgestalteten und seinerseits rechtsstaatlichen Grundsätzen (etwa der Bedürftigkeit) entsprechenden Ausgabenprogramms gewährleistet. Jede Zweckbindung von Einnahmen steht mit den Maßstäben der Einnahmenerhebung einerseits und der Einnahmenverwendung andererseits in Spannung. Dem hilft auch nicht ab, dass die Zweckbindung von Einnahmen politisch attraktiv sein kann, weil sie die Akzeptanz finanzieller Lasten erhöhen mag. Vor diesem Hintergrund erscheint auch der Grundsatz der Gesamtdeckung verfassungsrechtlich begründet[381]. Durchbrechungen des Grundsatzes sind damit nicht ausgeschlossen, aber besonders rechtfertigungsbedürftig.

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Die gegenwärtigen Entwicklungen hin zu einer stärker leistungsorientierten Haushaltsdarstellung (Produkthaushalte nach § 1a Abs. 3 HGrG, Leistungsvorgaben im Rahmen der Budgetierung nach § 6a Abs. 1 Satz 4 HGrG) sind vor diesem Hintergrund differenziert zu beurteilen. Wenn Art und Umfang der zu erbringenden Leistungen danach durch den Haushaltsplan festgelegt und bestimmte Mittel zur Leistungserbringung zugewiesen werden, wird der Gesamtdeckungsgrundsatz in gewissem Umfang relativiert. Allerdings betrifft die Zweckbindung allein die Ausgabenseite; die Bindung unterscheidet sich nur graduell von der aus Titelhaushalten bekannten Bindung von Finanzmitteln in einzelnen Haushaltstiteln. Deckungsfähigkeiten und Übertragbarkeiten schaffen hier zudem ein Gegengewicht. Verfassungsrechtlich problematisch ist demgegenüber vor allem die Zweckbindung bestimmter Einnahmen. Kritisch zu beurteilen wäre eine stärker leistungsorientierte Haushaltsplanung vor diesem Hintergrund vor allem dann, wenn sie bestimmte Einnahmen und bestimmte, mit den Einnahmen herzustellende Produkte in einen unmittelbaren Zusammenhang brächte.

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