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cc) Zweckabgaben

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Im Zusammenhang mit der Rechtsfolgenseite des Abgabentatbestands können neben dem abstrakten Zweck der allgemeinen Staatsfinanzierung spezielle Finanzierungszwecke unterschieden werden. Zwecksteuer/Zweckabgabe meint vor diesem Hintergrund die Zweckbindung des Abgabenaufkommens, die Reservierung konkreter Einnahmen für bestimmte Ausgabenzwecke[66]. Sie ist von Lenkungszwecken zunächst grundsätzlich unabhängig. Die vorgestellten Abschichtungen werden komplizierter, wenn sich spezielle Finanzierungs- und Lenkungszwecke in einer Steuer überlagern[67]. Dann vermag die Aufkommensbindung ihrerseits wieder einen neuen Lenkungseffekt hervorzurufen. Die Gegenleistungsfreiheit der Steuer führt zu einer Abstraktheit von Leistung und Gegenleistung. Die „Anonymität der Mittel“[68] hat seit je negative Folgen für die Steuer- bzw. Abgabenmoral[69]. Die Zweckbindung von Abgaben vermag den Abgabenwiderstand zu senken, sofern der Verwendungszweck von dem Abgabenschuldner akzeptiert wird: Der stets zu bedenkende Konnex zwischen Geben und Nehmen wird deutlicher[70]. Dies fördert zugleich die politische Begründ- und damit Durchsetzbarkeit neuer oder höherer Abgaben, sofern der steuerzahlende Wähler oder das zustimmungspflichtige Parlament die Notwendigkeit des zu finanzierenden Zwecks nicht bestreiten können[71]. Demgegenüber scheinen die allgemeinen Steuern im großen Topf des Staatshaushalts zu „versickern“.

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Die Zweckbindung kann – wie Beispiele aus der schweizerischen Bundesverfassung dokumentieren[72] – auf der Stufe der Verfassung selbst vorgenommen werden. Die allgemeine Aufteilung des Steuerertrags zwischen den Gebietskörperschaften sowie zweckgebundene sekundäre, d.h. umverteilende Finanzzuweisungen fallen jedoch nicht in die Kategorie der Zwecksteuer. Sind die Aufkommensbindungen in Präambeln von Gesetzen angeordnet, können sie nahtlos in allgemeine Zweckbestimmungen im Sinne einer (politischen) Rechtfertigung durch Benennung des allgemeinen Gesetzeszwecks übergehen. Andererseits kann eine rechtlich wirksam angeordnete Verwendungsbindung stets eine weitere Spezialisierung durch den Haushaltsplan erfordern und erfahren.

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Neben solch positivrechtlich verankerten Verwendungsbindungen treten politische Verknüpfungen unterschiedlicher Intensität. Sie sollen in Abgrenzung zur rechtsverbindlichen Verwendungsbindung als Verwendungsabsicht bezeichnet werden. Auf einer niedrigen Stufe erscheinen Ausgabenanlässe als Begründung einer Steuer oder Abgabe etwa in den Gesetzesmaterialien oder -beratungen. Bestes Beispiel ist hier der im Zuge der Wiedervereinigung eingeführte Solidaritätszuschlag zur Einkommen- und Körperschaftsteuer[73]. Im Gesetzeswortlaut ist hier allenfalls in dem Wortbestandteil „Solidarität“ ein lockerer Verwendungszweckanlass angedeutet[74]. Mit wem Solidarität geübt werden soll, ergibt sich erst aus dem politischen Kontext. Dieser Steuer- oder Abgabenzuschlag fließt vollständig in den allgemeinen Staatshaushalt. Eine rechtliche Bindung seines Aufkommens existiert nicht. Nur rechtliche Verwendungsbindungen sind an höherrangigen Rechtsmaßstäben zu messen. Politische Verknüpfungen bleiben der Bewertung im politischen Prozess vorbehalten[75]. Unerheblich ist, wie die Verwendungsbindung gesetzestechnisch ausgestaltet ist[76], ob das gesamte Aufkommen oder ein Prozentsatz gebunden wird und ob die zu erfüllende Aufgabe an das Aufkommen gekoppelt oder eine etwaige Finanzierungslücke durch allgemeine Haushaltsmittel auszufüllen ist[77].

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Die überkommene Rechtsprechung[78] und Lehre[79] sehen rechtliche Verwendungsbindungen als grundsätzlich erlaubt an. In der Entscheidung zum „Wasserpfennig“ hat das Bundesverfassungsgericht diese Frage offen gelassen[80]. Das wesentliche Regulativ für die Rechtmäßigkeit von Zwecksteuern ist das haushaltsrechtliche Prinzip der Gesamtdeckung (§ 8 S. 1 BHO; auch Nonaffektations-, Universalitäts- oder Zentralisationsprinzip genannt).

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Das Prinzip der Gesamtdeckung ist entgegen der h.M. aus grundrechtlichen, haushalts- und finanzverfassungsrechtlichen Erwägungen in seinem Kern verfassungskräftig[81]. Es kann daher nur unter Beachtung besonderer Rechtfertigungsgründe eingeschränkt werden. Sämtliche Haushaltsgrundsätze beruhen auf Erkenntnissen der Finanzwissenschaften. Als ökonomische Gesetz- oder Zweckmäßigkeit haben sie allein noch keine Rechtsverbindlichkeit[82]. Andererseits zeigen die vielfältigen Überschneidungen und Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Grundsätzen, dass ihr juristischer Gehalt nicht allein auf eine mehr oder minder explizite Erwähnung in Verfassung und Gesetz reduziert werden kann. Ihre Funktion und ihr Rechtswert ergeben sich vielmehr aus dem verfassungsrechtlich vorausgesetzten parlamentarischen Haushaltsgeschehen. Der Kern des parlamentarischen Haushaltsrechts ist die Mitverantwortung und Kontrolle des Handelns der Verwaltung qua finanzwirtschaftlicher Steuerung, es handelt sich um eine „überragende … rechtlich umfassende, alleinige Entscheidungs- und Feststellungskompetenz des Gesetzgebers“[83], als einem von mehreren Bestandteilen des demokratischen Verfassungsprinzips.

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Der Haushaltsgrundsatz der Gesamtdeckung hängt eng mit anderen Haushaltsprinzipien wie dem Grundsatz der Budgeteinheit, der Vollständigkeit, dem Bruttoprinzip und dem Prinzip der Kasseneinheit zusammen. Nur in ihrem Zusammengreifen sichern sie die geforderte parlamentarische Gesamtentscheidung über Haushalt und Staatshandeln. Insofern erweist sich das Gesamtdeckungsprinzip als „notwendige Voraussetzung der politischen Willensbildung“[84]. Als Ergebnis eines „politischen Parallelogramms der Kräfte“ stellen die parlamentarischen Dezisionen im Haushaltsbereich keine logisch vorgezeichneten Operationen, sondern Akte politischer Wertung im Sinne einer Gesamtentscheidung dar[85]. Sie sind mehr als die Summe ihrer in der Rechtsordnung anderweitig vorgezeichneten Teile. Die haushaltsrechtliche Gesamtentscheidung erhält gewissermaßen eine zusätzliche Erkenntnisdimension durch die politisch verantwortete globale Koordination der verschiedenen Bereiche. Es ist etwas politisch wie rechtlich Verschiedenes, die Abwägung zwischen Abgabenbelastung und Ausgabenvolumen im Rahmen konkreter Einzelentscheidungen oder auf einem höheren Abstraktionsniveau vorzunehmen[86]. Diese notwendige Gesamtkoordination der Ausgaben und Einnahmen kann ihrer Idee nach wiederum nur periodisch erfolgen.

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Durch Aufkommensbindungen von Steuern oder anderen Abgaben wird diese parlamentarische Gesamtentscheidung eingeschränkt und behindert. Der Haushaltsplan zeichnet nur mehr anderweitig getroffene Entscheidungen nach. Finanzielle Sonderkreisläufe relativieren trotz Etatisierung dieser Einnahmen den Gedanken des Gesamthaushalts, ganz abgesehen von formalen Beeinträchtigungen wie Klarheit und Übersichtlichkeit des Budgets. Daher ist weniger entscheidend, auf welcher Normstufe die zur Absicherung dieses Funktionsmodus erforderlichen Grundsätze und Prinzipien positiviert sind, als vielmehr, welche Ausgestaltungen dieses parlamentarische Zentralrecht beeinträchtigen. Dieses Auslegungsergebnis wird auch durch die neuere Legislationsgeschichte des Prinzips gestützt[87]: In der Reichsverfassung von 1871 noch auf Verfassungsebene (Art. 70, 71 RV) niedergelegt, „rutschte“ der Grundsatz in die wiederum mit verfassungsändernder Mehrheit beschlossene Reichshaushaltsordnung von 1922, um schließlich einfachgesetzlich in § 8 BHO zu enden. Die unbestrittenermaßen in Art. 110 Abs. 1 GG verankerten Haushaltsgrundsätze der Einheit und Vollständigkeit umfassen in dem dargelegten Umfang auch die Prinzipien der Bruttoveranschlagung und der Gesamtdeckung. Für das Bruttoprinzip ist dieser Sachverhalt strittig, für das Gesamtdeckungsprinzip wurde er bisher wenig erörtert.

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Der hier vertretene Verfassungsrang der haushaltsrechtlichen Nonaffektation kann nur auf der Stufe eines Grundsatzes, eines Verfassungsprinzips mit entsprechend eingeschränkter normativer Wirkkraft begründet werden[88]. Die Gesamtdeckung unterliegt von vornherein der gesetzlichen Ausgestaltung, wie dies auch in den einfachgesetzlichen Konkretisierungen der Haushaltsordnungen zum Ausdruck kommt. Entscheidend wird damit, welche Anforderungen an die Rechtfertigung der Durchbrechung des Prinzips zu stellen sind, um sein „Leerlaufen“ zu verhindern. Folge ist, dass der einfachgesetzliche Dispens durch die normhierarchische Hochzonung zum verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalt erstarkt. Die Rechtfertigung muss sich auf zwei miteinander zusammenhängenden Ebenen vollziehen: Aus einer institutionellen Position heraus ist zu gewährleisten, dass der ganz überwiegende Teil der staatlichen Einnahmen ungebunden bleibt. Nur so kann der entfaltete, verfassungsrechtlich vorausgesetzte parlamentarische Haushaltsprozess im Kern erhalten bleiben[89]. Quantifizierungsversuche, wie sie mit einer Begrenzung auf 5 bis 10 % des Gesamteinnahmevolumens in der Literatur vorgeschlagen werden, bleiben stets angreifbar. Neben diese volumenbezogene Sicht ist auf der zweiten, konkreten Ebene der einzelnen Abgabe ein tragfähiger Rechtfertigungsgrund für die Zweckbindung darzulegen. Ein sachlicher Grund, der dem Gewicht der verfassungsrechtlichen Verortung des gegenlaufenden Prinzips entspricht, muss die „zweckgerechte Besonderung“, d.h. die Zuordbarkeit eines Steueraufkommens zu einer konkreten Sachaufgabe nachweisen[90]. Es geht um die verfassungsrechtlich geforderte Symmetrie zwischen Abgabepflicht und Finanzierungsverantwortung und damit um die Abgrenzung des allgemeinen Pflichtenstatus des Steuerbürgers von dem besonderen Pflichtenstatus der Gruppenverantwortlichkeit. Diese Ebene der Rechtfertigung erfüllt eine ähnliche Funktion, wie sie die im Rahmen der haushaltsflüchtigen Sonderabgaben von der Verfassungsrechtsprechung geforderten Kriterien der hinreichenden Sachnähe der Abgabenpflichtigen zum Abgabenzweck und einer – wenn auch lockeren – gruppennützigen Verwendung einnehmen: Die erforderliche Beziehung fügt die Verwendungsbindung mit der gemeinwohlorientierten und d.h. gleichheitsrechtlichen Rechtfertigung der Steuer zusammen. Weitgehend fremdnützige Zwecksteuern ohne jeglichen Konnex zwischen Abgabe- und Finanzierungszweck wären danach ebenso unzulässig wie entsprechende Sonderabgaben, ohne dass der Maßstab völlig identisch sein müsste. Die Finanzwissenschaften sprechen bei Komplementarität zwischen der „Bemessungsgrundlage“ der Abgabe und der damit zu finanzierenden Ausgabe von Zielkonformität, bei deren Fehlen von „sinnentleerten“ oder „nichtzielkonformen Zweckbindungen“. Die Anforderungen an diese Ebene der Rechtfertigung von außerbudgetären Aufkommensbindungen dürfte – auch angesichts des politischen Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers – niedriger sein als bei den Sonderabgaben. Die Gefahren der Haushaltsflüchtigkeit sind hier nicht gegeben. Gefordert ist somit eine lockere Äquivalenzbeziehung, die über bloße Plausibilitätserwägungen hinaus einen finanzwirtschaftlichen Zusammenhang aufzeigt. Ein Großteil der staatlichen Handlungen und Leistungen eignet sich für eine solche Verknüpfung von vornherein nicht, da sie in „allgemeinen Diensten“ bestehen. Insbesondere bei der Koppelung von Elementen von Lenkungs- und Zwecksteuern, wie in der Ökosteuerreform, sind sachliche Zusammenhänge oft schwer zu begründen: Die Allgemeinheit aller energieverbrauchenden Bürger ist nicht deckungsgleich mit den sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern; daraus ergeben sich nicht zu rechtfertigende Asymmetrien zwischen Be- und Entlastung. Demgegenüber dürfte die Äquivalenzbeziehung zur Straßennutzung bei der Mineralölsteuer den entwickelten Kriterien weitgehend standhalten.

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