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I. Rechtsschutz
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Prinzipaler und inzidenter Rechtsschutz/Prüfungs- und Verwerfungskompetenz
Beim Rechtsschutz gegen Normen ist zwischen prinzipalen und inzidenten Rechtsschutzmöglichkeiten zu unterscheiden. Beim prinzipalen Rechtsschutz ist die Gültigkeit der Norm selbst Gegenstand des Verfahrens (z. B. § 47 VwGO). Beim inzidenten Rechtsschutz wird diese hingegen nur als Vorfrage geprüft.[323] Ein obsiegendes Urteil wirkt beim prinzipalen Rechtsschutz inter omnes, wohingegen beim inzidenten Rechtsschutz die Gültigkeit bzw. Ungültigkeit der Norm als bloße Vorfrage noch nicht einmal inter partes in Rechtskraft erwächst. Bei den inzidenten Rechtsschutzmöglichkeiten können Prüfungs- und Verwerfungskompetenz auseinanderfallen. Das angerufene Gericht ist dann allein befugt, die Gültigkeit der Norm zu prüfen. Eine verbindliche Entscheidung über deren Verfassungswidrigkeit bleibt hingegen allein dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten (Art. 100 Abs. 1 GG). Sofern einem Gericht sowohl die Prüfungs- wie die Verwerfungskompetenz zukommt, hat es eine rechtswidrige und damit nach h. M. unwirksame Norm aus eigener Entscheidung unangewendet zu lassen. Sehr diffizil ist der Rechtsschutzverbund zwischen der Fachgerichtsbarkeit und dem EuGH ausgestaltet.[324] Im Bereich des indirekten Vollzugs, d. h. von Rechtsakten deutscher Verwaltungsbehörden, die Unionsrecht vollziehen, sind die Instanzgerichte über den Wortlaut des Art. 267 AEUV hinaus zur Anrufung des EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens verpflichtet, wenn sie von der Ungültigkeit einer Norm des Unionsrechts ausgehen wollen.[325]
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Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 47 GRCh: Rechtsschutz gegen Normen
Inwieweit der Rechtsschutz gegen Normen verfassungsrechtlich durch Art. 19 Abs. 4 GG garantiert ist, hängt davon ab, ob eine Setzung von Normen als (deutsche) öffentliche Gewalt i. S. d. Art. 19 Abs. 4 GG zu qualifizieren ist. Das wird für von der Exekutive gesetzte Rechtsnormen mittlerweile allgemein bejaht,[326] für formelle Gesetze hingegen zum Teil bestritten,[327] obwohl Wortlaut und Systematik deren Einbeziehung nahelegen.[328] Die Zurückhaltung basiert wohl auf der verbreiteten Fehlvorstellung, die Einlösung der Rechtsschutzgarantie setze einen prinzipalen Rechtsschutz voraus.[329] Richtigerweise genügt – von wenigen Sonderfällen abgesehen[330] – aber auch ein inzidenter Rechtsschutz, um den von Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Rechtsschutz gegenüber formellen Gesetzen zu gewährleisten. Auf unionaler Ebene ist dies anerkannt. Lücken im nach Art. 47 GRCh gebotenen Rechtsschutz gegen Normen[331] werden hier durch inzidenten Rechtsschutz vor den mitgliedstaatlichen Gerichten geschlossen.[332]