Читать книгу Handbuch des Verwaltungsrechts - Группа авторов - Страница 69
1. Grundgedanken der inneren Ordnung des Deutschen Bundes von 1815
Оглавление29
Innere Staatsbildung
Die meisten größeren Staaten standen in der Zeit der Revolution und der napoleonischen Herrschaft über Europa vor der Aufgabe, sich außen- wie innenpolitisch zu behaupten. Wichtige Instrumente dafür waren ihre Heere und ihre Staatseinnahmen, und beides mussten sie so weit wie möglich steigern. Wie Bayern und Preußen zeigten, erfolgte das Zusammenschmelzen unterschiedlicher Territorien mit ihren jeweils eigenen Vorgeschichten, Institutionen und Verwaltungstraditionen nicht durch einfache Integration in den „Altstaat“ mit seiner „Altverwaltung“, sondern dabei wurden in ausgreifenden Reformen auch viele Institutionen des aufnehmenden Kernlandes modernisiert.
30
Wiener Kongress 1814/15
1814/15 ging es im Wiener Kongress darum, die europäische Staatenwelt neu zu ordnen und dabei die innerdeutschen Verhältnisse auszutarieren. Die monarchischen Großmächte mit dem erneuerten Königreich Frankreich folgten der Leitlinie von der Legitimität angestammter, meist monarchischer, Herrschaft und damit einer gewissen, nicht völligen Restauration früherer Verhältnisse. In Deutschland ließen sich nämlich realistisch weder das Alte Reich noch seine kirchlichen Staaten noch die bunte Vielfalt von Reichsstädten, Reichsrittern und Reichsdörfern zu Lasten ihrer Rechtsnachfolger wiederherstellen, die ihre territorial erheblich vergrößerten Staaten inzwischen durch innere Reformen vereinheitlicht und gestärkt hatten.[33]
31
Landständische Verfassung 1815
Die Bundesakte des entstehenden Deutschen Bundes setzte den Mitgliedern Schranken ihrer Souveränität in Verfassungsfragen, vor allem durch den dunklen Satz des Art. 13 der Bundesakte: „In allen Bundesstaaten wird eine landständische Verfassung stattfinden.“ Offen war nicht nur, wann das geschehen sollte, sondern vor allem, was „landständisch“ bedeutete. War dabei an eine ständische Vertretung alter Art gedacht, in der die Privilegierten der Vergangenheit (Klerus, Adel, Städte, Universitäten) dank ihrer als alte Teilhabe an der monarchischen Herrschaft verstandenen eigenen Herrschaftsrechte wieder mitentscheiden sollten? Oder sollte es eine von Gleichheitsideen getragene Vertretung der Nation, des Volkes, geben, die durch womöglich breite Wahl legitimiert war und daraus ganz neuartige Ansprüche ableiten konnte? Oder sollte ein Mittelweg „neuständischer“ Art begangen werden, in dem sich die Freisetzung des bürgerlichen Wirtschaftsindividualismus durch die nach französischem Vorbild weit verbreitete Gewerbefreiheit spiegeln würde? Entscheidend wäre dabei nicht mehr die adelige Geburt des Eigentümers, sondern die auf Betriebsgröße und Teilhabe am Markt beruhende Bedeutung großer Betriebe als Wirtschaftsfaktor und Steuerzahler. Zwar kam nach 1815 eine erste Welle der Verfassungsgebung in Gang, doch traten damit nur wenig wirklich aktive Landstände oder Landtage ins Leben. Nur im Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach folgte 1816 auf die Verfassung gleich der erste Landtag, ebenso in Schaumburg-Lippe (allerdings mit auf Lebenszeit gewählten Mitgliedern) und in Waldeck-Pyrmont (wo allerdings der Landtag danach nur noch zweimal bis 1848 zusammentrat). Dagegen kam in Nassau der Landtag erst vier Jahre nach der Verfassung von 1814 zusammen[34] und in Schwarzburg-Rudolstadt erst fünf Jahre nach der Verfassung von 1816. Das Königreich Bayern wurde 1818 der erste große deutsche Staat, in dem Verfassung und Landtag in enger Aufeinanderfolge ins Leben traten.
32
Monarchisches Prinzip 1820
Grundlage des Deutschen Bundes war das 1820 in Art. 57 der Wiener Schlussakte festgelegte „monarchische Prinzip“, wonach „die gesamte Staats-Gewalt in dem Oberhaupte des Staats vereinigt bleiben“ sollte; die Ausnahme davon in den Stadtstaaten wurde konstatiert. Der alleinige Souverän sollte „nur in der Ausübung bestimmter Rechte an die Mitwirkung der Stände gebunden“ sein. Diese Formel griff die Entstehung der Verfassungen Süddeutschlands aus alleinigem freiem Willen des Souveräns auf. Die Schwachstelle dieser Konstruktion lag darin, dass die Bindung der Nachfolger durch den in der Verfassung vorgesehenen Verfassungseid nicht erzwingbar war, wie der hannoversche Verfassungskonflikt von 1837 zeigte; eine Verfassung musste in Fragen ihrer eigenen Fortgeltung sehr wohl die Souveränität möglicher Thronerben einschränken. Indem Art. 56 der Wiener Schlussakte die landständischen Verfassungen gegen Veränderungen außerhalb des verfassungsmäßigen Weges schützte, band er die Souveräne zugleich an die Revolutionsvermeidung durch den Deutschen Bund und seine Vormächte Österreich und Preußen zurück.[35]
33
Kommandogewalt und Kriegsministerium
In den deutschen Monarchien übte die Krone ihre Souveränität auf zwei Wegen aus, die außer in der Person des Monarchen nicht miteinander verbunden waren. Nach innen wurde ihre „normale“ Herrschaft durch die Regierung (Staatskanzler, Gesamtministerium oder Staatsministerium) vermittelt, die weitgehend die Gesetzgebung initiierte, den Apparat der staatlichen Verwaltung anleitete und die kommunale Selbstverwaltung beaufsichtigte, wo es sie gab. Der zweite Weg beruhte auf der Kommandogewalt der Monarchen über „ihre“ bewaffnete Macht, die sich aus ihrer Souveränität nach außen ableitete. Staatsorganisation und Verwaltung unterlagen durch die Verfassungen der Mitsprache von Parlamenten, freilich in begrenztem Maße, nämlich nur dann, wenn es um „Eigentum und Freiheit“ ging;[36] die Unterscheidung und Terminologie von Normenvielfalt stand noch auf schwankendem Grund.[37] Dagegen blieben Organisation und Einsatz der Armee außerhalb der Partizipationsrechte; nur ihre Finanzierung aus Steuermitteln war Sache der Parlamente. In Preußen kam es nach 1806 auch zu einem Neuaufbau der militärischen Organisation in Form des Kriegsministeriums, das in das Staatsministerium nur mit seiner Verwaltungsseite eingebunden wurde. In allen Fragen des befehlenden Gebrauchs der Armee, besonders bei Kommandosachen und Personalentscheidungen über die höheren Offiziere, hatte der Kriegsminister von Anfang an eine Immediatstellung gegenüber dem König. Auch unter Staatskanzler Karl August von Hardenberg konnte er genau wie dieser, und nicht von diesem kontrolliert, jederzeit persönlich Kontakt zum König als Oberbefehlshaber aufnehmen. Otto Graf (1871: Fürst) von Bismarck setzte dagegen vor dem Krieg 1870 gegenüber Kriegsminister Albrecht von Roon den Primat der Politik durch;[38] im Ersten Weltkrieg bestimmte die Oberste Heeresleitung wieder zunehmend die Politik.