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II. Finanzverwaltung und materielle Ressourcen
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Staatsschulden und Verfassung
Die Kriege und Verfassungsumwälzungen nach 1800 verlangten eine Anspannung aller staatlichen Kräfte und führten in massive Staatsverschuldung. Sie konnte im Königreich Westphalen selbst durch Zwangsanleihen nicht aufgefangen werden; nach dem Untergang des Staates wurden sie wertlos, weil sich die Nachfolgestaaten gerne und einmütig ihrer Bedienung entzogen. Die notwendige Stabilisierung der Staatsfinanzen war aber auf neues Vertrauen an den Finanzmärkten angewiesen. Strukturreformen in der Finanzverwaltung trugen zu größerer Transparenz und dann höherer Finanzkraft bei, etwa durch einheitliche Staatskassen statt zerstreuter Topfwirtschaft, Haushaltspläne, Staatsschuldenverwaltungen und Rechnungshöfe. Die drei auch zur Beruhigung der Gläubiger gegebenen Verfassungsversprechen Friedrich Wilhelms III. von 1810, 1815 und 1820 blieben jedoch uneingelöst und bahnten, neben anderem, den Weg zur Revolution von 1848. Umso mehr erwarteten die liberalen Kräfte stärkeren parlamentarischen Einfluss auf die Details der einzelnen Positionen des Budgets (der preußische Staatshaushalt passte lange auf nur zwei Seiten) und auf die nachträgliche Kontrolle der Haushaltsrechnung.[60]
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Staatseinnahmen
Staatserträge lassen sich nicht beliebig erhöhen, sondern nur bedachtsam und in Rücksicht auf das Wirtschaftsleben. Das galt von Natur für die immer noch wichtigen Einkünfte aus Domänen und Forsten, und es war zu beachten bei den Steuern. In Süddeutschland waren unter französischem Einfluss die Privilegien des Adels, vor allem seine völlige Steuerfreiheit, weitgehend aufgehoben worden, was die Steuerbasis verbreiterte. Da man hier dem französischen Modell von Grund-, Gebäude- und (Gewerbe-)Patentsteuer folgte, wurde für einen umfassenden Grundsteuerkataster eine exakte Landesvermessung unentbehrlich. Bayern begann mit ihr bereits 1808, zugleich mit einer zentralen Staatsschuldenverwaltung. Preußen dagegen setzte auf die gegensätzliche Besteuerung von zwei Welten: in den Städten gab es die Mahl- und Schlachtsteuer als leicht erhebbare indirekte Steuer und auf dem Land die „Klassensteuer“, die bei niedrigen Einkommen als „Kopfsteuer“ pauschaliert war und darüber nach sehr breiten Einkommensklassen bis zu einem Höchstsatz von drei Prozent erhoben wurde. Die Grundsteuer rührte erst mit der Reform 1861 an die bis dahin bestehende Steuerfreiheit des Adels. Verwaltungstechnisch war allen diesen Steuern gemeinsam, dass sie nicht in die noch breit verstandene persönliche Sphäre der Steuerzahler eindrangen und keinen großen Verwaltungsaufwand erforderten.[61]
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Staatsausgaben
Mit dem spürbaren Rückgang der Militärausgaben nach 1815 konsolidierten sich allmählich die Staatsschulden. Der Aufbau ganz neuer Infrastrukturen änderte das; der Eisenbahnbau wurde zur Leitinvestition, die das Wirtschaftswachstum beschleunigte.[62] Die erste Staatsbahn nahm bereits 1838 im Herzogtum Braunschweig ihren Betrieb auf. Als Preußen Verfassungsstaat geworden war und der Landtag erstmals Anleihen bewilligte, konnte der Bau der staatlichen Ostbahn beginnen. Diese Verbindung der beiden Hauptstädte Berlin und Königsberg, und weiter an die russische Grenze, war zwar politisch und strategisch wichtig, erschien aber privaten Unternehmern nicht attraktiv. Die mit dem Bevölkerungswachstum stark steigenden staatlichen Ausgaben für Schulen und Universitäten sind auch als Investitionen in immaterielle Infrastrukturen zu fassen.