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I. Integration annektierter Gebiete als Reformchance (1866)?

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Andere Ausgangslage als 1803

Nach dem Krieg Preußens und Österreichs gegen Dänemark um Schleswig und Holstein 1864 und dem innerdeutschen Krieg von 1866 vergrößerte Bismarck durch Annexionen erheblich Preußens Staatsgebiet, indem er die territoriale Einheit zwischen der Rheinprovinz und Westfalen einerseits und den östlichen Provinzen andererseits herstellte, und schuf so die Grundlage für die Führung Preußens im Norddeutschen Bund. Die Ausgangslage für die Integration war anders als in den Jahren um 1800. Preußen war inzwischen ein gefestigter Staat, und König und Regierung waren gerade dabei, die starke Stellung der Monarchie im Verfassungskonflikt mit dem Parlament um Heeresverstärkung und Budgetrechte durch das Indemnitätsgesetz vom 14. September 1866 zu befestigen. Die Gebietsgewinne sollten in die seit langem vorhandenen Strukturen integriert werden und es ging nicht darum, einen Staat aus verschiedenen Elementen neu zusammenzufügen.

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Okkupation und Diktaturphase

In allen von Preußen annektierten Ländern kam es zu einer längeren Phase der Diktatur durch die neue Verwaltung, gestützt auf das Recht des Eroberers. Bismarck plante eine Personalunion, an Verfassung und Parlament vorbei, die aber auch Hoffnungen auf Erhalt der alten Parlamente weckte. Erst die Mehrheit des preußischen Abgeordnetenhauses setzte eine Realunion mit Einführung der preußischen Verfassung zum 1. Oktober 1867 fest. Am schärfsten durchgegriffen wurde in der Freien Stadt Frankfurt, die als liberal und antipreußisch galt, mit der aber nicht einmal wirklich ein Krieg erklärt worden war. Der letzte Ältere Bürgermeister der Stadt, Karl Fellner, hatte am 22. Juli 1866 eingewilligt, für die Besatzer als vereidigter Regierungsbevollmächtigter tätig zu werden. Die Armee verlangte nach einer ersten Kriegsentschädigung von über 5 Millionen Talern noch eine zweite von 25 Millionen. Fellner garantierte die Summe persönlich ohne vorherige Absprache mit den alten städtischen Gremien, doch die verweigerten ihm die Gefolgschaft. Preußen sah das als „Rebellion“ und wollte von Fellner Namen erfahren, und in dieser ausweglosen Situation nahm er sich am Morgen des 24. Juli 1866 das Leben. Gegenüber den besiegten Monarchen „von Gottes Gnaden“ setzte König Wilhelm I. auf großzügige Regelungen. In Hannover kam es zu einem Abfindungsvertrag mit König Georg V., der es jedoch ablehnte, darin auf seinen Thron zu verzichten, und politisch aktiv wurde. Die preußische Regierung beschlagnahmte darauf durch Notverordnung vom 2. März 1867, zwei Tage nach Ende der Parlamentssession, das im Lande befindliche Privateigentum der Königsfamilie sowie das vorgesehene Abfindungskapital von 16 Millionen Talern. Über die jährlichen Einkünfte daraus konnte die Regierung verfügen; sie bildeten den jeder Kontrolle entzogenen geheimen „Welfenfonds“ oder „Reptilienfonds“. Mit ihm beeinflusste Bismarck die Presse nicht nur gegen Georg V., sondern finanzierte auch die politische Polizei verdeckt mit und förderte politische Schachzüge wie den „Kaiserbrief“ des 1870 schon hoch verschuldeten bayerischen Königs Ludwig II..[77]

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Nützlichkeit „politischer Beamter“

Die höhere Beamtenschaft wurde überall weitgehend gegen altpreußische Beamte ausgetauscht und besonders in Schleswig und Holstein verringert, deren Verwaltungen aus sparsamer preußischer Sicht erheblich überbesetzt waren. Eine Woche vor der Integration in den Verfassungsstaat Preußen dehnte eine einfache Verordnung die Geltung des preußischen Disziplinargesetzes von 1852 auf alle neu erworbenen Landesteile aus. Dabei wurde der Kreis von „politischen Beamten“ erheblich erweitert; auch in Zukunft gehörten hier alle höheren Beamten der Mittelbehörden ab dem Oberregierungsrat dazu und selbst die Direktoren der höheren Lehranstalten. Dieses aus der Verfügung des Monarchen über „seine“ Diener entstandene Sonderrecht war nun endgültig zu einem zweckmäßigen Disziplinierungsinstrument in der Hand der Regierung geworden.[78]

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Reformchance für provinziale Selbstverwaltung

Die schnelle Einführung der Wehrpflicht oder der Umbau der Steuergesetzgebung während der Diktaturphase waren schon schwere Eingriffe; als aber am 5. Juli 1867 durch einen Alleingang des Finanzministers an Bismarck vorbei in allen annektierten Ländern auch der Staatsschatz an Preußen ging, erhob sich große Unruhe. Zur Beruhigung wurden erst in Hannover, später auch in Schleswig und Holstein Vertrauensmänner durchaus unterschiedlicher politischer Richtung zur Diskussion mit der Staatsregierung nach Berlin gerufen. Im Ergebnis bildete die neue Provinz Hannover für ihre Aufgaben in der Selbstverwaltung einen Provinzialverband mit einem Provinziallandtag, in dem der Großgrundbesitz nur über ein Drittel der Sitze verfügte.[79] Mit Gesetz vom 7. März 1868 erhielt der Verband eine jährliche Dotation von 500.000 Talern aus dem preußischen Staatshaushalt. Ähnliche Regelungen wurden kurz darauf auch für die neue Provinz Schleswig-Holstein getroffen. Unbekannt war hier der Kreis nach preußischer Art als Träger von Staatsaufgaben, aber auch Instanz der Selbstverwaltung. Ganz ungewöhnlich für Preußen deckte sich die neue Provinz mit ihrem einzigen Regierungsbezirk; Schleswig wurde Sitz des großen Regierungspräsidiums und in Kiel war die sehr kleine Behörde des Oberpräsidenten. In Hessen-Nassau ging der aus Soldatenverkäufen erwachsene kurhessische Staatsschatz zurück nach Kassel und es entstanden zwei getrennte Kommunalverbände mit Kommunallandtagen für das alte Kurhessen und das alte Nassau, Frankfurt blieb zunächst ausgenommen. Nach der Reichsgründung wurden in einer ersten landesweiten Reform am 30. April 1873 alle Provinzen außer Hannover (und auch der Stadtkreis Frankfurt, Hohenzollern und das Jadegebiet) mit einer jährlichen Gesamtsumme von 2 Millionen Talern aus dem Staatshaushalt dotiert. Mit der umfassenden Provinzialordnung für die meisten Provinzen traten 1875 moderne Provinziallandtage an die Stelle der Provinzialstände von 1823. Das ging in Richtung einer „obrigkeitlichen Selbstverwaltung“, wie sie Rudolf Gneist am englischen Vorbild entwickelt hatte. Die indirekt gewählten Provinziallandtage konnten über die jeweiligen Staatsmittel hinaus sogar eigene Umlagen erheben. Die Staatsdotationen für die „höheren Kommunalverbände“ wurden noch 1875 mehr als verdoppelt auf 13,4 Millionen Mark (jetzt statt Talern). An der Spitze der sich schnell lebendig entwickelnden Verwaltungen dieser Provinzialverbände, mit „eigenen Berufsbeamten“, wie Fritz Fleiner kritisch anmerkte, trat ein Landesdirektor oder Landeshauptmann, und die Staatsaufsicht führte der Oberpräsident, dessen Stellung im beginnenden „dezentralisierten Einheitsstaat“ so erheblich gestärkt wurde.[80]

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