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Zweiter Probetag

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Unser Umbau geht zügig voran, wir haben alles vorbereitet, damit die Handwerker kommen können, um die Rigipsplatten zu montieren. Matthias hat über seine Modeleisenbahn eine bewegliche Bühne für die Handwerker geschaffen, auf der sie liegen können, um die Platten zu installieren, ohne dass die Eisenbahn darunter kaputt gemacht wird.

Wir machen eine Pause, um Wuschel wieder pünktlich abzuholen. Herr F. übergibt uns den Hund, der heute eine Halskrause trägt. Ganz entgeistert sehe ich den Heimtierleiter an.

„Was ist denn mit dem Hund passiert?“

„Sagen wir mal so, er hat ein Paar Eier verloren“, teilt uns Herr F. mit.

„Sie müssen etwas vorsichtig sein, seine genähte Wunde ist noch frisch. Also keine schnellen Läufe oder Sprints! Er wurde heute kastriert“

Wie ich später von Georg erfuhr, sollte eigentlich ein anderer Hund kastriert werden. Der wurde krank, und da der Termin nun schon ausgemacht worden war, nahm man einfach Wuschel.

Eier ab!

Zack!

Als Grund wurde uns genannt, dass der Hund sein Kissen zu viel „bestieg“ und deshalb fand man es gerechtfertigt, ihn vor zu vielen Hormonausschüttungen zu bewahren. Männer, aufgepasst! Solltet ihr euer Kissen zu sehr umarmen, kann es euch passieren, dass ihr schneller beim Urologen wegen einer Sterilisation landet, als euch lieb ist.

Vorsichtig und im Schongang gehen wir mit dem entmannten Hund unsere Runde. Wir verschieben unser zweites Probewohnen. Am Tierheim angekommen, bringe ich bei der Gelegenheit mein Anliegen vor.

„Wir können Wuschel erst endgültig zu uns nehmen, wenn unsere Umbauten beendet sind. Es erscheint mir nicht sinnvoll zu sein, Wuschel im Dreck und Chaos zu uns zu holen“.

Die Wangen von Herrn F. blähen sich auf. „Das ist aber noch recht lange, bis Sie ihn übernehmen, fast einen Monat!“

„Ja, ich weiß, aber das macht doch keinen Sinn, wenn der Hund bei uns ist und um uns Chaos herrscht. Wir möchten ihn gerne nach Hause holen, wenn alles neu eingerichtet ist. Können wir uns darauf einigen?“

Er überlegt und dann nickt er. Wir sind glücklich, dass er sich auf diesen Deal eingelassen hat. Zur Not hätten wir diese Zeit auch mit einer Spende überbrückt.

Einige Tage später, als die Wunde verheilt ist, steht das zweite Probewohnen mit Wuschel an.

Ohne Probleme springt er wieder in den Kofferraum und die Fahrt geht in Richtung „Nach Hause“. Jetzt kennt er unser Haus schon ein wenig und nimmt es in Beschlag. Zunächst wird wieder alles abgeschnüffelt, dann werden auch die unteren und oberen Räumlichkeiten besichtigt. Inzwischen arbeite ich mit Matthias in der oberen Etage und renne mal nicht als grauer Schatten hinter dem Hund hinterher, sondern lasse ihn machen. Und wie er macht!

Zufälligerweise muss ich in den Keller, wo unsere Kartons stehen, in denen unsere Sachen während des Umbaus verstaut sind, als ich eine Pfütze daneben sehe.

„Wuschel hat unsere Kartons angepinkelt! Volle Kanne, ein ganzer See breitet sich da aus. So ein Mist!“

Meine Stimme überschlägt sich.

„Du, so geht das nicht“, richte ich meine Empörung an Wuschel und an Matthias, der sie zur Kenntnis nehmen soll.

Ich wische auf und bin schon stinkig sauer auf den Hund. Dann aber ist die Angelegenheit für mich erledigt, und wir arbeiten weiter. Wuschel stört sich an keinen lauten Geräuschen. Der Staubsauger brummt, die Schleifmaschine kreischt. Wuschel rollt sich zusammen und legt sich etwas entfernt von uns auf den staubigen Boden. Hauptsache das Rudel ist zusammen!

Ich gehe in den Keller, um für Matthias ein Werkzeug zu holen, und als ich nach oben komme, sehe ich, wie Wuschel gegen meinen PC pinkelt. Gegen meinen PC! Nun reicht es mir, ich schnappe mir den Hund und setze ihn etwas unsanft in den Flur.

„Pass auf, mein Freundchen, wenn du das nicht unterlässt sind wir getrennt von Tisch und Bett, das schwöre ich dir!“ Wuschel guckt mich mit seinen typisch dunklen

Dackelaugen an, und ich muss mich beherrschen, nicht zu lachen. Dieser Dackel weiß genau, wie man den Charme ausspielen kann.

Als dann das dritte Malheur passiert, und ich ganz verzweifelt versuche zu verstehen, warum er das macht, halte ich es nicht mehr aus und sage zu Matthias.

„Bring den Hund zurück ins Tierheim, ich packe es nicht. Überall pinkelt er hin. Riecht er noch Charly? Warum macht er das?“

Ich bin total verzweifelt. Ich komme mit der Situation nicht klar. Mir wird wieder bewusst, dass wir im Moment ein unbekanntes Wesen bei uns haben, dessen Eigenarten ich überhaupt nicht einschätzen kann. Matthias nimmt sich den Hund, packt das Körbchen ein, das uns das Tierheim freundlicherweise ausgeliehen hat und fährt zum Tierheim zurück. Traurig winke ich den beiden hinterher und gehe mit schleppenden Schritten in das Haus zurück. Ohne Wuschel fühlt sich das Haus bereits jetzt schon leer an. Keine schwarze Lakritznase zu sehen, die alles erschnüffeln und erkunden muss. Verzweifelt versuche ich, mich abzulenken. „Jetzt ist Matthias bestimmt im Tierheim angekommen,“ denke ich bei mir und sehe meinen Mann vor meinem inneren Auge, wie er Herrn F. den Streuner übergibt mit den Worten: „Das hat bei uns mit dem Hund nicht funktioniert. Sie können ihn vermitteln!“ Meine Gedanken kommen nicht zur Ruhe, und ich kann mich auch nicht krampfhaft ablenken, und ich will es auch nicht. Ich sitze auf dem Sofa, vermisse jetzt schon den Hund und denke bei mir: “Vielleicht kommt Matthias zurück und hält den Hund im Arm und sagt zu mir: Alles gut, ich habe ihn wieder zurückgebracht.“

Die Zeit verläuft zäh, immer wieder blicke ich auf die Uhr. Endlich höre ich unser Auto kommen und laufe eilig zur Haustür.

Er schließt die Tür auf.

Er kommt in den Flur.

Ohne Hund!

Erschüttert nehme ich die Tatsache wahr, dass mein Ritter auf dem weißen Pferd für mich keinen schwarzen Hund im Arm hält. Es ist alles doch Realität.

Heulend gehe ich zum Sofa.

„War die Entscheidung richtig? Was sollen wir machen?“

Da sagt Matthias den ganz entscheidenden Satz.

„Gib ihm eine zweite Chance. Jeder hat eine zweite Chance verdient!“

Das stimmt mich auf einmal froh und wir sagen aus einem Mund: „Ja, das machen wir, jeder verdient eine zweite Chance!“

Zwei Tage lang gebe ich mir noch Bedenkzeit, dann halte ich es nicht mehr aus und stehe erneut pünktlich um 14:30 Uhr vor dem Tierheim, um Wuschel abzuholen. Zum Glück war er noch nicht vermittelt worden. Herr F. übergibt mir den Hund zum Gassi gehen, und als Wuschel mich sieht, freut er sich wie verrückt.

Wuschel, vom Streuner zum Champion

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