Читать книгу Wuschel, vom Streuner zum Champion - Gudrun Grobleben - Страница 6
Therapie und Unsicherheit
ОглавлениеIch glaube, dass wir uns plötzlich dazu entschlossen hatten, uns auf die Zeitungsannonce im Wochenanzeiger einzulassen, entsprang einem anderen Gedanken. Matthias und ich waren gesundheitlich etwas aus dem Ruder gelaufen. Er hatte einen Leistenbruch, der operiert werden musste, und ich plagte mich mit einer Sportverletzung wegen meiner vielen Laufwettkämpfe herum. Die bekam ich im Moment nicht so richtig in den Griff. Außer vielen Arztbesuche und Kosten, hatten sich meine Probleme nicht wirklich gelöst. So waren wir beide mental etwas angezählt, und da erscheint dieses Bild von Hund in der Zeitung, der uns direkt in das Herz schaut. Ich hatte schon öfters gehört, dass Tiere gute Therapeuten sind, und das war unserer Hintergedanke gewesen, warum wir uns überhaupt auf die Idee einließen, uns diesen Hund zum Therapie-Gassi-Hund zu holen. Es hätte auch jeder andere Hund sein können, aber es war eben dieser. So nahm das Schicksal seinen Lauf, und deshalb traben wir jeden Tag pünktlich um 14:30Uhr zum Tierheim, um ihn abzuholen. Unser Tag wird von diesem Rhythmus bestimmt, und wir testen uns dabei, ob wir der Regelmäßigkeit, die ein Tier einfordert, gerecht werden. Georg, Matthias und ich haben eine gemeinsame Gassi-Geher Runde hinter uns, als sich Georg plötzlich outet.
„Ich habe Herrn F. gesagt, dass ihr an dem Hund interessiert seid.“
„Was hast du gesagt? Wir haben so etwas nie ins Auge gefasst. Wir wollten nur Gassi-Geher sein, und da hatte uns gerade dieser Hund wegen seines Aussehens gefallen. Nee, nee, Georg, vergiss es, wir hatten noch nie einem Hund, ich weiß überhaupt nicht, was da alles auf uns zukommen würde. Hör mal, wir sind viel unterwegs, wir machen Sport, wie soll da ein Hund in unser Leben passen? Du weißt, dass wir nicht einfach leichtfertig ein Tier zu uns nehmen und dann nicht wissen, wohin mit ihm.“
„Dann kann es euch passieren, dass Herr F. den Hund anderen Leuten vermittelt“
Oh, verdammt, ich bin in einem großen Gewissenskonflikt. Wir sind schon so lange mit dem kleinen Streuner nachmittags unterwegs, und er ist uns unmerklich ans Herz gewachsen. Ich habe mit ihm sogar schon etwas Gehorsam trainiert, wenn ich mit ihm vom Tierheim losgehe. Ich gebe zu, die Freude, wenn er uns gebracht wird, ist immer groß. Ich habe sogar eine Katzenhaarbürste mitgenommen, um die vielen Verfilzungen aus seinem Fell rauszukämmen, was sich aber als unlösbar herausstellt. Er darf auch noch nicht geschoren werden, da der Streuner noch nicht freigegeben ist. Der Besitzer könnte sich noch melden, und dann ist es „Sachbeschädigung“, wenn er geschoren sein würde. Der Hund muss sich sicherlich unwohl unter seinem Fell fühlen, da der Luftaustausch nicht wie bei einem gepflegten Fell gegeben ist. Unbeeindruckt von der „Sachbeschädigung“ hatte sich eines Tages eine Stamm-Gassi-Geherin ein Herz gefasst und dem Hund einigeVerfilzungen herausgeschnitten. Eigentlich müsste er einmal total geschoren werden.