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ОглавлениеHITLER IN PARIS
Der Eroberer kam als Tourist. Am 28. Juni 1940 erfüllte sich Adolf Hitler einen »langersehnten Traum«: Er erkundete Paris. Begleitet von seinen Hofkünstlern Albert Speer und Arno Breker steuerte der Kriegsherr in den frühen Morgenstunden zunächst die Oper an, von deren architektonischer Schönheit er sich begeistert zeigte. Dann fuhr er die menschenleeren Champs-Élysées hinauf und besichtigte den Eiffelturm – hier entstand jenes berühmte Sightseeing-Foto: Der Diktator in Feldherrenpose vor dem Pariser Wahrzeichen. Als nächster Programmpunkt stand ein Besuch des Invalidendoms auf dem Plan, wo Hitler sich am Grab des Eroberers Napoleons verneigte. Schließlich noch ein letzter Blick über das Häusermeer von der Höhe der Kirche Sacré-Cœur auf dem Montmartre – dann war er auch schon wieder aus der französischen Hauptstadt verschwunden.
HEINRICH HOFFMANN
Er war »Hoffotograf« und früher Weggefährte Hitlers: Heinrich Hoffmann (1885–1957), Inhaber eines Münchner Fotoateliers. Seit dem Hitlerputsch 1923 dokumentierte er fotografisch die Aktivitäten der NSDAP und Hitlers, in dessen Nähe er fortan immer zu finden war. Nach 1933 nannte er sich »Reichsbildberichterstatter der NSDAP« und scheffelte dank eines Exklusivvertrags vor allem mit »privaten« Aufnahmen Hitlers Millionen. Der »Führer« kassierte für das »Recht am eigenen Bild« mit. Zuvor hatte sich nie ein Politiker so geschickt und gewinnbringend medial vermarktet.
Sechs Tage zuvor hatte Frankreich kapituliert. Der Westfeldzug war beendet, Hitler genoss den größten Triumph seines Lebens. In kürzester Zeit hatte er halb Europa unter deutsche Herrschaft gezwungen: Polen, Dänemark, Norwegen, die Niederlande, Belgien und jetzt auch Frankreich. Die Wehrmacht schien unbesiegbar, und der »Führer« stand auf dem Gipfel seiner Macht.
Während die Alliierten vergeblich auf Unterstützung aus Amerika hofften, marschierte die Wehrmacht kampflos in Paris ein. Nach nur sechs Wochen war der Westfeldzug entschieden. »Fahnen mit Hakenkreuzen an allen öffentlichen Gebäuden in Paris – das war das sichtbare Zeichen für die Niederlage, die Erniedrigung, die Frankreich erleiden musste«, erinnerte sich die Pariserin Claude Mossé an die Bestürzung der Franzosen.
Hitler triumphierte. Bis ins Detail inszenierte er Frankreichs Kapitulation nach dem Vorbild der deutschen Waffenstillstandserklärung vom November 1918. Bei Compiègne, im selben Eisenbahnwaggon, in dem die Deutschen ihre Kapitulation unterzeichnet hatten, diktierte er am 22. Juni 1940 der französischen Delegation unter General Huntzinger seine Bedingungen – Revanche für die nie verwundene Niederlage. Zwei Drittel Frankreichs fielen unter deutsche Besatzung, der Rest blieb unbesetzt.
VICHY-FRANKREICH
Das »freie« Frankreich unter dem neuen Regierungschef Pétain, Nationalheld des Ersten Weltkriegs, verlegte den Sitz seiner Regierung in den Kurort Vichy. Hitler schien auf die Demütigung des besiegten Gegners verzichten zu wollen – einer der wenigen Momente, in den denen er tatsächlich staatsmännisch handelte. Ausdrücklich sprach er von der Tapferkeit der Franzosen. Das Vichy-Regime durfte seine fernen Kolonien, ein Heer von 100 000 Mann und die einsatzfähige Flotte behalten.
Eine knappe Woche darauf flog Hitler nach Paris – nicht zu einer Militärparade, sondern zur privaten Stadtrundfahrt im Morgengrauen. Der siegreiche Feldherr scheute die Begegnung mit den Parisern. In Lille hatte eine Frau bei seinem Anblick geschrien: »Der Teufel!« Beim Diktator selbst hinterließ die Blitztour durch die französische Hauptstadt gemischte Eindrücke. Er habe darüber nachgedacht, die Stadt zu zerstören, erklärte er Speer: »Aber wenn wir in Berlin fertig sind, wird Paris nur noch ein Schatten sein. Warum sollen wir es zerstören?«
Eben jenes Berlin dagegen bereitete Hitler einen frenetischen Empfang. Im offenen Wagen hielt der Diktator am 19. Juli Einzug in die blumengeschmückte Reichshauptstadt. Dem Jubel der Massen musste Propagandaminister Goebbels diesmal kaum nachhelfen. Die Mehrheit der Deutschen hoffte auf Frieden, und nur wenige ahnten, dass Hitlers »glorreichstem Sieg« weitere Feldzüge und schließlich die totale Niederlage folgen sollten.
Hitler selbst sah den Krieg im Westen nur als Vorstufe zu der epochalen Auseinandersetzung mit dem »Bolschewismus« und der Sowjetunion. Der »größte Feldherr aller Zeiten«, zu dem ihn Keitel im Überschwang des Sieges gekürt hatte, wollte mehr. Und so erklärte er kurz nach dem Westfeldzug gegenüber dem Chef des Oberkommandos der Wehrmacht: »Jetzt haben wir gezeigt, wozu wir fähig sind. Glauben Sie mir, Keitel, ein Feldzug gegen Russland wäre dagegen nur ein Sandkastenspiel.«