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IM FREUDENHAUS
ОглавлениеEin deutscher Nachrichtensoldat hält eine Frau im Arm, die Laune ist prächtig. Auf dem Tisch stehen volle Champagnergläser – Soldatenherz, was willst du mehr? Das Leben »wie Gott in Frankreich«, für viele Besatzungssoldaten zwischen Maas und Atlantikküste wurde es ab 1940 Wirklichkeit. Die Front war weit weg und sie konnten als Touristen die Sehenswürdigkeiten des Landes bewundern, kleine Schwarzmarktgeschäfte mit Luxusartikeln wie Parfum oder Seidenstrümpfen betreiben, Theater und Kinos besuchen – und eine Einrichtung, die bald schon zum Soldatenleben gehörte wie die Uniform und die Erkennungsmarke: das Wehrmachtbordell.
Frankreich – das klang in den Ohren vieler deutscher Soldaten nach schönen Frauen, nach Amüsement und sexueller Freizügigkeit. Bei der deutschen Militärführung dagegen schrillten ob solcher Männerfantasien alle Alarmglocken: In ihren Augen war das Nachbarland ein riesiger Seuchenherd. Durch unkontrollierten massenhaften Sex von deutschen Soldaten mit Prostituierten, die man flächendeckend mit Geschlechtskrankheiten angesteckt wähnte, drohe »eine erhebliche Gefahr für die Schlagkraft der Truppe«.
So nahm es nicht wunder, dass – kaum waren die Deutschen in Paris einmarschiert – das OKH überall im besetzten französischen Gebiet die Einrichtung von Bordellen für Soldaten und Offiziere der Wehrmacht befahl. Appelle von deutschen Militärärzten, die den Besatzungssoldaten sexuelle Enthaltsamkeit verordnen wollten, verhallten ungehört. Für die Freudenhäuser griff man einerseits auf bestehende Etablissements zurück, die man für die Truppe requirierte. Zum anderen wurden zahlreiche neue »Maisons« eröffnet. In Orléans beschlagnahmte die Wehrmacht alle fünf bestehenden Bordelle der Stadt und eröffnete obendrein noch drei neue – davon zwei für Offiziere. In Paris gab es insgesamt 40 Militärbordelle.
Ziel war es einerseits, private Kontakte von Wehrmachtsoldaten mit französischen Frauen überflüssig zu machen. Hauptsächlich aber sollte auf diesem Wege die »gefährliche« freie Prostitution ausgerottet werden. Aus den Reihen dieser »Unzucht treibenden Mädchen« und »leichtfertigen Frauenspersonen« wurde jedoch auch das Personal für die zahlreichen neuen Bordelle rekrutiert – nachdem sie sich zwangsweise behördlichen Gesundheitsuntersuchungen unterworfen hatten. Manch Sanitätsoffizier geriet dabei in die Rolle eines Zuhälters, hatte er doch laut Dienstanweisung »jugendliche, ansehnliche und möglichst hübsche Mädchen« einzustellen, um der wilden Prostitution wirksam das Wasser abzugraben. Anders als in einigen Gebieten an der Ostfront scheint es in Frankreich aber keine Zwangsprostitution gegeben zu haben – soweit das in diesem Milieu eben möglich ist.
Der Besuch des Bordells war für die deutschen Soldaten streng reglementiert. Von der Militärverwaltung wurden die Tarife festgelegt, außerdem wurde bestimmt, dass der Verkehr nur mit Kondom zu erfolgen und sich der Soldat danach einer »Sanierung« zu unterziehen habe – Bestimmungen, die jedoch gerne unterlaufen wurden. Sanktionen bei Nichtbeachtung gab es kaum, und wenn, dann nur für die französischen Frauen. Über jeden einzelnen Akt führten die Behörden genau Buch: Im November 1940 wurde beispielsweise aus Angers gemeldet, dass die sechs Bordelle der Stadt in 14 Tagen von 8984 Soldaten besucht worden seien, »von denen 2467 den Geschlechtsverkehr ausübten«.
Das Bordell in der Hafenstadt Brest übrigens konnte mit einer perfiden Besonderheit aufwarten: Es wurde in den Räumen einer Mikwe, eines rituellen Tauchbads der jüdischen Gemeinde, eingerichtet. Die Schändung des geweihten Orts durch den Bordellbetrieb war offenbar beabsichtigt.