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DER »BLITZ«

Es ist ein Foto mit großer Symbolkraft und gilt bis heute in Großbritannien als Ikone des britischen Durchhaltewillens: Inmitten von zerstörten Gebäuden und umgeben von schwarzen Rauchschwaden trotzt St Paul’s Cathedral, Grablege bedeutender Persönlichkeiten der britischen Geschichte, den deutschen Bombenangriffen auf London – so unbeugsam, wie es Premierminister Winston Churchill im Frühjahr 1940 von seinen Landsleuten gefordert hatte: »Wir werden uns niemals ergeben!«

OPERATION SEELÖWE

In Hitlers Weisung für die »Operation Seelöwe« hieß es: »Da England, trotz seiner militärisch aussichtslosen Lage, noch kein Anzeichen von Verhandlungsbereitschaft zu erkennen gibt, habe ich mich entschlossen, eine Landungsoperation gegen England vorzubereiten und, wenn nötig, durchzuführen.« Da es keine regulären Landungsboote gab, wurden 1720 »Prähme«, die als Binnenschiffe Lasten auf dem Rhein transportierten, umgebaut. 50 000 Mann einer improvisierten »Landungsflotte« wurden zusammengezogen. Trotzdem war »Seelöwe« mehr Drohgebärde als ernsthafte Operation. Anfang September wurde das ohnehin nur halbherzig geplante Unternehmen »bis auf Weiteres« abgeblasen.

Nach Hitlers Willen sollte vor allem die Luftschlacht um England – neben den halbherzig vorangetriebenen Vorbereitungen der »Operation Seelöwe«, einer deutschen Landung auf der Insel – die Briten »friedensbereit« machen. Der deutsche Diktator wollte freie Hand für »seinen« Krieg: den Eroberungsfeldzug gegen die Sowjetunion. Ab Mitte August 1940 bombardierten die Deutschen Flugplätze und Rüstungsbetriebe in Südengland, bald jedoch auch Wohngebiete in Birmingham, Liverpool oder Sheffield.

Nachdem die Briten daraufhin Angriffe auf Berlin flogen, drohte Hitler unverhohlen: »Wenn sie erklären, sie werden unsere Städte in großem Ausmaß angreifen, werden wir ihre Städte ausradieren« – und befahl, am 7. September 1940 Ziele in London zu bombardieren. Durch Fehlabwürfe starben 448 Menschen, 1337 wurden schwer verletzt. Auf beiden Seiten eskalierte nun der Luftkrieg. Vor allem für die Bewohner Londons folgte eine schreckliche Prüfung: 57 Nächte hintereinander griffen die Deutschen an. Mitte September begann das, was die Briten bis heute als den »Blitz« bezeichnen. Bei Dunkelheit war die Zielgenauigkeit der Bomber gering, und so wurden Nacht für Nacht Zivilisten getötet.

Einen der schwersten Angriffe erlebte die britische Hauptstadt wenige Tage nach Weihnachten 1940. Nach mehreren Angriffswellen loderten am 29. Dezember über 1400 Brände in der Stadt. Augenzeugen sprachen vom »Second Great Fire of London«, dem zweiten großen Feuer nach 1666, als vier Fünftel der Stadt ein Raub der Flammen wurden. Angesichts von Chaos und der Zerstörung in der Londoner City mutete es wie ein Wunder an, dass St Paul’s relativ glimpflich davonkam: Eine Bombe zerstörte den Hochaltar, ein paar Fensterscheiben gingen zu Bruch. »Rundherum loderten Flammen in den Himmel. Doch da stand die Kathedrale, herrlich stark, unberührt im Zentrum all dieser Zerstörung«, kommentierte BBC-Radioreporter Robin Duff für seine Hörer.

COVENTRY

Vor allem der Angriff auf Coventry am 14. November 1940 wurde in Großbritannien als nationale Tragödie wahrgenommen. In dieser Nacht hatten 454 deutsche Bomber insgesamt 600 Tonnen Spreng- und Brandbomben über der Industriestadt abgeladen. Zwar waren Fabriken und Verkehrswege die eigentlichen Ziele des Angriffs, doch wurde die großflächige Zerstörung von Wohnvierteln billigend in Kauf genommen. Das Zentrum der Stadt wurde schwer zerstört, die Kathedrale aus dem 14. Jahrhundert brannte aus. 554 Menschen starben, über 800 wurden verletzt.

Es war eben dieses Motiv der wie durch ein Wunder geretteten Kathedrale, das Daily Mail-Fotoreporter Herbert Mason unbedingt auf Film bannen wollte. Stundenlang wartete er in der Nacht zum 30. Dezember auf dem Dach des Verlagshauses an der Themse auf den entscheidenden Moment, da sich der Rauch der zahlreichen Brände lichten und die Kuppel des Gotteshauses in ihrer ganzen Größe freigeben würde. In den frühen Morgenstunden war es dann so weit: »Wind kam auf«, berichtete Mason später. »Plötzlich stachen das strahlende Kreuz, die Kuppel und die Türme wie ein Symbol aus dem Inferno heraus. Dieser Anblick war unglaublich. In diesem kurzen Moment drückte ich auf den Auslöser.« Am Silvestertag 1940 veröffentlichte die Daily Mail das Foto mit der Bildunterschrift, es symbolisiere »die Standhaftigkeit Londons gegen den Feind, die Festigkeit des Guten gegen das Böse«.

Großbritanniens Städte litten bis zum Mai 1941 unter den Angriffen der Luftwaffe – fast 42 000 Zivilisten starben in den knapp elf Monaten der »Schlacht um England«, etwa 20 000 allein in London. Erst als Hitler seine Geschwader für den Krieg gegen die Sowjetunion nach Osten verlegte, konnten die Menschen in London und Liverpool, in Birmingham und Bristol, in Glasgow, Coventry und anderen Städten aufatmen.

Der zweite Weltkrieg

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