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ANGRIFF AUF DEN KREML MARGARET BOURKE-WHITE Gewaltige Industrietempel und die Hütten von Landarbeitern; Arbeiter, Soldaten und Diktatoren: Die im Stil der neuen Sachlichkeit gehaltenen Bildreportagen von Margaret Bourke-White (1994–1971) schrieben Fotogeschichte. Auch als Kriegsreporterin gelangen ihr Bilder von großer Eindringlichkeit, als sie etwa nach der Befreiung des KZs die »lebendigen Toten« von Buchenwald fotografierte. Nach dem Krieg berichtete sie unter anderem aus Korea und Indien, ehe sie ihre Arbeit wegen einer Parkinson-Erkrankung immer mehr einschränken musste.

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»Ich wollte stets die Erste sein«, bekannte die Frau, die manchmal nicht nur die Erste war, die etwas tat, sondern auch die Einzige: die erste Frau, die in den USA als Industriefotografin Karriere machte, die erste Ausländerin, die 1930 in der Sowjetunion fotografieren durfte, und der einzige ausländische Fotograf – Frau oder Mann –, der dabei war, als in Moskau im Juli 1941 die deutschen Bombenangriffe begannen: Margaret Bourke-White.

Die Reise nach Moskau verdankte sie dem Näschen des Fotochefs von Life, Wilson Hicks, ihrem Arbeitgeber. Er hatte eine Vorahnung, dass der Nichtangriffspakt zwischen Hitlers Deutschland und Stalins Sowjetunion nicht mehr lange halten würde. Bourke-White durfte ins hermetisch abgeriegelte Reich des roten Zaren einreisen, weil man sich im Kreml an ihre Fotos aus dem 1930er Jahren erinnerte, als sie die Großprojekte des Kommunismus ins Bild gesetzt hatte – Staudämme, Kraftwerke, Fabriken. Mit fast 300 Kilogramm Equipment traf sie Mitte Mai in Moskau ein und begann zu fotografieren – die Schlangen vor dem Grabmal Lenins auf dem Roten Platz, die stalinistischen Protzbauten der Gorkistraße, die neue Metro und die Menschen: Schüler, Studenten, Arbeiter.

Dann brach der Krieg aus. In Moskau herrschte lähmendes Entsetzen. Aus öffentlichen Lautsprechern hörten die Menschen die Ansprache von Außenminister Molotow, der von einem in der Geschichte beispiellosen Treuebruch sprach. Hektische Betriebsamkeit setzte ein. Moskauer Bürger stürmten die Geschäfte und kauften die spärlich bestückten Regale leer. Schon am Nachmittag wurden auf Plätzen und in Parkanlagen Flugabwehrgeschütze aufgestellt. In der Nacht blieb Moskau zum ersten Mal dunkel. Die sowjetische Hauptstadt richtete sich auf den Krieg ein.

Vier Wochen nach Kriegsbeginn befand sich die Metropole dann in der Reichweite der deutschen Bomber. In der Nacht vom 21. auf den 22. Juli griff die Luftwaffe zum ersten Mal mit fast 200 Maschinen an. Im Fokus, neben Verkehrswegen und militärischen Einrichtungen: der Kreml, die Machtzentrale Stalins. Während die Moskauer in die Metroschächte eilten, stieg Margaret Bourke-White auf das Dach deramerikanischen Botschaft und bewunderte das schaurigschöne Spektakel. »Die ersten Luftangriffe auf Moskau waren so großartig wie kein anderes menschengemachtes Spektakel, das ich jemals gesehen habe. Es war, als ob die deutschen Piloten und die russische Luftabwehr mit riesigen, in Leuchtfarbe getauchten Pinseln abstrakte Zeichnungen in den Himmel malten, der ihre Leinwand darstellte.« Tatsächlich gelang es ihr in der vierten Angriffsnacht, dieses abstrakte Lichtgemälde auf Film zu bannen. Diese Nacht, erklärte sie später, war die außergewöhnlichste ihres Lebens.

Gegen die Gefahr aus der Luft setzten die Sowjets neben dem starken Ausbau der Luftverteidigung vor allem auf umfangreiche Tarnaktivitäten. Die goldenen Kuppeln des Kremls erhielten einen schmutzig-grünen Anstrich. Plätze und große Gebäude wurden so angemalt, dass sie aus der Luft aussahen wie kleinere Gebäude. Stadien und selbst einige Teilabschnitte der Moskwa bekamen eine Holzabdeckung, um die Orientierung aus der Luft zu erschweren. Bis Dezember 1941 musste die sowjetische Hauptstadt insgesamt 75 Angriffe der deutschen Luftwaffe erdulden.

Margaret Bourke-White war unterdessen in die USA zurückgekehrt – gerade rechtzeitig, um wieder einmal irgendwo die Erste zu sein. Nach dem Kriegseintritt der USA wurde sie als Mitglied der U.S. Air Force die erste Kriegsberichterstatterin der Geschichte.

Der zweite Weltkrieg

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