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1.3.2 Das Selbstverständnis des Auslegers im hermeneutischen Prozess

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In engem Zusammenhang mit der beschriebenen Problematik um die Autorität der Heiligen Schrift als Gottes Wort und Menschenwort steht ein weiterer wichtiger Einflussfaktor in der Auseinandersetzung um die schriftgemäße Rolle der Frau: das Selbstverständnis des Auslegers im hermeneutischen Prozess. Einerseits rechnet jeder ernsthafte Ausleger mit der Erleuchtung durch den Heiligen Geist, die dem an Christus Gläubigen zugesagt ist (1Kor 4,14–16), andererseits weiß er um seine Menschlichkeit, die seine Objektivität einschränkt und ihn die Schrift durch einen Filter von vielerlei Vorprägungen verstehen lässt.

In diesem Spannungsfeld bewerten verschiedene Ausleger ihre Funktion und Position im hermeneutischen Prozess unterschiedlich und damit auch das Gewicht ihrer Auslegung. Einige betonen die sichere Führung durch den Heiligen Geist und leiten dementsprechend aus der Autorität der Schrift die Autorität und Zuverlässigkeit ihrer Auslegung ab. Die eigene Voreingenommenheit wird bei dieser Sicht als entsprechend unbedeutend bewertet.35 Unterschiedliche Auslegungen werden in diesem Kontext leicht zur Frage von Wahrheit gegen Irrtum, Gehorsam gegen Ungehorsam oder „Geistlichkeit“ gegen „Ungeistlichkeit“, was gerade bei der emotional aufgeladenen Diskussion um die Stellung der Frau die Auseinandersetzung verschärft (Liefeld 1989, 113). Auf der anderen Seite des Spektrums betonen Ausleger die menschlichen Grenzen der Objektivität. Sie gehen davon aus, dass der menschliche Ausleger so sehr von seinem theologischen und soziokulturellen Erbe geprägt wird, dass es eine einzige endgültige, autoritative Interpretation der Heiligen Schrift gar nicht gibt (Larkin 1988, 99–100; Groothuis 1994, 154).36

Bei der Fragestellung nach Wesen, Rolle und Funktion der Frau müssen solche menschlichen Faktoren in besonderer Weise erwartet werden (Johnston 1986, 34–35). So werden zum Beispiel bereits das Geschlecht des Auslegers und seine jeweiligen Erfahrungen mit Vertretern des anderen Geschlechts stets präsente Einflussfaktoren auf sein Verständnis der entsprechenden Schriftstellen sein. Eine fast ebenso einflussreiche Komponente wird das Konzept des Auslegers über Autoritätsstrukturen sein, das wiederum eng zusammenhängt mit der Geschichtsepoche und dem sozialen Umfeld, das ihn geprägt hat. Auch die eigene Gemeindetradition wird ein Einflussfaktor sein. David Scholer kommt gerade im Zusammenhang mit dem „Frauenthema“ zu dem Schluss: „Die Vorstellung von einer wahrhaft objektiven Bibelauslegung ist ein Mythos“ (Scholer 1986, 215).

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