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Der Tag, an dem sie ihre Seele verlor, war ein Mittwoch.

Sophie lächelte, als sie die Haustür öffnete. Sie betrat das Treppenhaus und ließ die Tür ins Schloss fallen, ohne sich umzudrehen. Warum sollte sie auch?

Mit dem Fahrstuhl fuhr sie die drei Stockwerke bis in ihre Wohnung hinauf, warf ihren roten Wollmantel über die Garderobe, zog sich aus und stieg unter die Dusche.

Als sie zwanzig Minuten später in Shorts und mit der neuesten Ausgabe der »InStyle« auf dem Sofa saß, schreckte sie ein lautes Geräusch aus der Küche auf. Ihr Körper spannte sich instinktiv an, die kleinen Härchen auf ihren Unterarmen stellten sich auf. Sie lebte allein. Wer sollte dort also etwas fallen lassen? Doch genau danach hatte es sich angehört.

Beruhige dich!

Die Küche lag auf dem Weg zur Tür. Sie musste an ihr vorbei, um aus der Wohnung zu kommen.

Du spinnst doch, dachte sie. Niemand bricht in den dritten Stock eines Altbaus ein und wirft dann deine Sachen durch die Gegend.

Sie lockerte ihre steifen Muskeln, wickelte die Zeitschrift in ihrer Hand zu einer festen Rolle und ging langsam auf die Küchentür zu. Als sie die Klinke drückte und blitzschnell nach dem Lichtschalter tastete, fragte sie sich für den Bruchteil einer Sekunde, was sie denn tun würde, wenn sich wirklich jemand hinter der Tür befand. Ihn mit der »InStyle« verprügeln?

Das Licht erhellte den kompletten Raum innerhalb einer Sekunde und zu erkennen war – nichts. Weder in der Ecke noch unter dem Tisch. In der Dunkelheit vor dem Fenster spiegelte sich lediglich ihr eigenes Gesicht.

Erleichtert atmete Sophie aus, als sie endlich entdeckte, was sie so erschreckt hatte: Im Waschbecken lag die Spülbürste, die sie gestern Abend mit einem Saugnapf an den darüberliegenden Kacheln befestigt hatte. Sie hatte sich gelöst und war ins Becken gefallen, so simpel.

»Und du machst dir beinahe in die Hose«, sagte sie laut zu sich und lachte auf.

Um weitere Panikattacken zu vermeiden, beschloss sie, die Bürste liegen zu lassen, und kehrte ins Wohnzimmer zurück. Erst unterwegs fiel ihr ein, dass ihre Wäsche noch in der Maschine im Keller lag.

Sie hatte keine große Lust, sich um diese Uhrzeit darum zu kümmern, doch was blieb ihr schon anderes übrig, wenn sie morgen früh frische Unterwäsche tragen wollte?

Sie zog sich rasch ein Paar Nikes über die nackten Füße, schnappte sich ihr Handy und fuhr mit dem Fahrstuhl nach unten.

Die Enge in der kleinen Metallkabine war ihr noch nie geheuer gewesen und besonders in der Nacht kam ihr das kaltweiße Licht der Fahrstuhllampe vor wie die Beleuchtung in einem Leichenschauhaus. Nicht dass sie je in einem gewesen wäre, aber sie hatte genug Filme gesehen, um eine Vorstellung davon zu haben.

Sie hielt ihr Handy fest in der Hand, wie eine Notfallversicherung, falls der Fahrstuhl stecken bleiben würde. Ihre Beine froren in den knappen Shorts und sie freute sich darauf, bald wieder in eine Decke gewickelt auf ihrem Sofa liegen zu können.

Der Fahrstuhl kam im Erdgeschoss zum Stehen. Schnell huschte sie durch den Flur zur Kellertreppe – doch auf halbem Weg blieb ihr Blick an der Haustür hängen.

»Das gibt’s doch nicht!«, fluchte sie leise, während sie die Tür ins Schloss drückte. Seit Wochen gab es schon Probleme damit, sie würde morgen noch einmal den Hausmeister anrufen müssen.

Schon als Kind waren Keller für sie gruselige Orte gewesen: Ein paar Stufen nach unten brachten sie in einen Raum, der fernab der restlichen Welt zu liegen schien. Dort war jeder Besucher auf sich gestellt und niemand wusste, was hinter der nächsten Ecke lauerte. Ein Gefühl, das sie auch als Erwachsene nicht losgelassen hatte.

Sie öffnete die schwere Tür des Waschraums und ärgerte sich wie jedes Mal, dass sie durch einen speziellen Mechanismus nicht offen stehen blieb, sondern automatisch zufiel. Ein Unding, das dem Brandschutz geschuldet war.

Sie ging bis zur Mitte des Raumes, wo sich die Anschlüsse für ihre Wohnung befanden, und beobachtete dabei nervös die zweite Tür an der rückseitigen Wand, die tiefer in die Kellergänge hineinführte.

Du benimmst dich wie ein Kind. Sie schüttelte den Kopf über sich selbst. Wer sollte denn bitte in ihrem Keller sitzen und darauf warten, dass sie zu irgendeinem Zeitpunkt herunterspaziert kam und ihre Wäsche holte?

Sie kniete sich vor die Maschine und begann die nassen Sachen in einen Korb zu legen, als ein Geräusch von links sie zusammenschrecken ließ. Langsam drehte sie den Kopf zur Tür. Sie war verschlossen, nichts rührte sich.

Du schnappst langsam über, dachte sie und wollte gerade den Rest ihrer Wäsche einsammeln, als sie erneut etwas vernahm.

Das zweite Geräusch war noch bedrohlicher und realer als das erste: der Klang eines Scharniers, das sich langsam bewegte.

Sophie hielt die Luft an, als sie ihren Kopf ein zweites Mal nach links wandte. Die hintere Tür war halb geöffnet. Dunkelheit drang durch den Spalt.

In Sekundenschnelle suchte ihr Gehirn nach einer rationalen Lösung dafür. Die Tür war eben noch verschlossen gewesen, das hatte sie genau gesehen. Und wäre sie schon vorher offen gewesen, woher kam dann das Geräusch?

Plötzlich machte es klick in ihrem Verstand. Ein Gefühl, als wäre die Temperatur im Raum um zehn Grad gefallen, überrollte sie. Es gab nur eine einzige Möglichkeit, warum die Tür nicht geschlossen war: Jemand stand auf der anderen Seite und hielt die Klinke fest.

Sie sprang auf, wobei ihr Handy zu Boden fiel, und lief in Richtung Ausgang. Aus den Augenwinkeln nahm sie entsetzt wahr, wie der Durchgang zu den hinteren Räumen aufgerissen wurde und eine Gestalt in den Waschraum kam. Eine große, schnelle Gestalt … Wesentlich schneller als Sophie, die viel zu lange brauchte, um die rettende Tür zu erreichen.

Tanz in die Angst

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