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Heimunterricht: Leben in der konservativen Blase
ОглавлениеDie Trandems laden mich auch drei Jahre nach meinem ersten Besuch wieder zu sich nach Hause ein. Die Kinder, die inzwischen achtjährige Elsie, der sechsjährige James und die vierjährige Marcella freuen sich auf die Fernsehkameras. Alle drei lernen Klavier spielen. Elsie, die älteste, hat extra für uns ein neues Lied einstudiert.
Lydia unterrichtet die Kinder zu Hause. Das sogenannte Homeschooling ist in den ländlichen Bundesstaaten wie North Dakota nicht so selten. Zwei Millionen Kinder, das sind knapp vier Prozent der Schulpflichtigen, werden von den Eltern zu Hause unterrichtet. Nach Lehrplänen, versteht sich, aber nicht an Schulen. Oft sind es die Entfernungen, die Eltern dazu bringen, ihre Kinder zu Hause zu unterrichten. Lydia und John sagen, sie wollen einfach so viel Zeit wie möglich mit ihren Kindern verbringen, die ohnehin zu schnell erwachsen werden. Sehr oft hört man in konservativen Kreisen auch, dass die öffentlichen Schulen zu liberal seien. Das ist auch für die Trandems ein wesentlicher Beweggrund. »Oft sind die Lehrer und Lehrerinnen ideologisch geprägt, wollen keine Diskussionen oder andere Meinungen. Ganz schnell sind Kinder da isoliert, wenn sie eine andere Meinung haben. Das will ich nicht für meine Kinder. Ich will nicht, dass sie mit ihrem christlichen Weltbild Außenseiter sind.«
Bis zum Highschool-Abschluss, bis 18, will Lydia ihre Kinder unterrichten. Meinen Einwand, dass sie vielleicht nicht genug Kontakt mit Gleichaltrigen hätten, wischt Lydia lachend vom Tisch. »Ich lache, weil ich dieses Argument immer wieder höre. Nein, meine Kinder haben sehr viel Kontakt zu anderen, wir treffen uns einmal in der Woche in unserer Homeschooling-Gemeinschaft, da sind die Kinder in Gruppen mit Gleichaltrigen und haben auch andere Mütter als Lehrerinnen. Wenn der Unterrichtsgegenstand zu schwierig wird, dann gibt es Experten in unserer Gruppe, die die Kinder unterrichten. Wann immer ich mich als Lehrerin meiner eigenen Kinder überfordert fühle, habe ich Unterstützung durch andere. Aber ich kenne meine Kinder besser als jede andere, kann viel mehr auf ihre Bedürfnisse eingehen und ihre Begabungen fördern.«
Externe Tests müssen absolviert werden, sie sichern, dass Kinder, die zu Hause unterrichtet werden, auch die vorgeschriebenen Lernziele erreichen. Noch etwas ist Lydia wichtig: »Meine Kinder sollen ihre Meinung offen sagen können, aber auch andere Standpunkte respektieren.«
Den Dialog, das Verständnis für andere, das vermissen Lydia und John im gegenwärtig so gespaltenen Amerika. Auch wenn sie selbst sehr konservativ sind und ihre Haltung eloquent verteidigen, Platz für andere Meinungen muss sein. »Ich habe viele Bekannte und auch Freunde, die ideologisch ganz woanders stehen als ich«, sagt John. »Das ist gut so. Ich kann ein gewisses Verständnis für sie aufbringen, aber ich muss deswegen nicht meine Meinung ändern.«
Und auch zum Homeschooling hat John, der auf Individualismus setzt und zu viele Vorschriften als Einmischung des Staates in private Angelegenheiten sieht, eine dezidierte Meinung: »In North Dakota finanziert die property tax, die Grund- und Vermögensteuer, zu 60 Prozent das öffentliche Schulsystem. Das ist unfair. Ich schicke meine Kinder nicht in öffentliche Schulen und finanziere ihre Ausbildung selbst, warum soll ich dann so viel property tax zahlen? Da liegt gerade ein Gesetzesvorschlag im Kongress unseres Bundesstaates auf dem Tisch, ich hoffe, er geht durch.«
Fast schon im Weggehen frage ich ihn noch kurz, was er vom Impeachment-Prozess gegen Präsident Trump hält. »Ein Scherz«, sagt John, »das wollten die Demokraten von Tag Eins an.«