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Stadt des Widerstands, Stadt der Armut

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Pellagattis Ausführungen verdeutlichen: New York City besitzt in den Vereinigten Staaten der Gegenwart eine interessante Doppelrolle. Die Metropole ist die ehemalige Heimatstadt Donald Trumps – das Biotop, in dem er zum Baumogul aufgestiegen ist. Gleichzeitig verkörpert die Stadt die absolute Antithese zu Trumps Amerika. Das multikulturelle und bunte New York ist eine Hochburg der Demokraten. Hillary Clinton war Senatorin des Bundesstaates New York, ehe sie gegen Trump ins Rennen ging und den Kürzeren zog.

Mike Pellagatti hat bei den Vorwahlen 2016 den demokratischen Sozialisten Bernie Sanders unterstützt, der seiner Konkurrentin Clinton nur knapp unterlag. Sanders ist zum Zeitpunkt unseres Treffens erneut im Rennen um das Weiße Haus, doch der junge New Yorker bezweifelt, dass ihn die Demokraten wirklich zu ihrem Kandidaten nominieren werden. »Das ist doch alles geschoben: Unser politischer Prozess ist mittlerweile eine einzige Reality Show und deswegen hat Trump gute Karten, wiedergewählt zu werden. Ich denke, die aufrichtigen Demokraten werden es schwer haben, mit Inhalten durchzukommen, und ich befürchte, dass die Dinge zuerst noch viel schlechter werden müssen, ehe sie wieder besser werden. Wer weiß, vielleicht steht der nächste Finanzcrash schon vor der Tür?«

Der Tour-Bus fährt weiter und erreicht den Stadtteil Greenwich Village – Pellagatti setzt seine revolutionär angehauchte Stadtführung fort.

»Zu unserer Linken befindet sich jener Straßenblock, in dem in den 1960er Jahren die berühmten Stonewall-Proteste stattfanden, die sich heuer zum 50. Mal jähren. Hier haben sich Homo- und Transsexuelle im Kampf um Bürgerrechte Straßenschlachten mit der New Yorker Polizei geliefert …«

»… Und an dieser Ecke haben New Yorks Straßenmusiker vor mehreren Jahrzehnten das Recht erkämpft, ohne Genehmigung allerorts spielen zu dürfen – dieses Recht gilt bis heute. Sehen Sie, in diesem Land wird einem nichts geschenkt, alles muss erkämpft werden – glauben Sie mir, ich bin der Sohn italienischer Einwanderer und weiß, wovon ich spreche …«

»… Ach ja, und bevor ich’s vergesse, an dieser Ecke hier kriegt ihr die besten Mac and Cheese der ganzen Stadt!«

Die aktuelle Situation der Stadt erinnere ihn frappant an die historischen Schilderungen über das New York der 1920er Jahre, sagt Pellagatti. Die Wirtschaft boome, die Reichen werfen mit Geld um sich, aber ein Großteil der Bewohner bleibe auf der Strecke. »Ich habe noch nie so viele Obdachlose gesehen wie jetzt …« Einige von ihnen würden in der Nacht auf der Straße schlafen und tagsüber in der Stadt arbeiten gehen – denn die Mieten seien dermaßen in die Höhe geschossen, dass sich auch viele berufstätige Menschen kaum noch ein würdiges Wohnen leisten können. Das Gleiche gelte für die Lebensmittelpreise, »und dann spüren wir auch noch die Auswirkungen von Trumps Zöllen auf chinesische Importprodukte.«

Viele seiner Freunde seien in den vergangenen Jahren aus New York City weggezogen, weil sie sich das Leben hier nicht mehr leisten können, erzählt Pellagatti, »aber sie können es sich ebenso wenig leisten, zu weit weg zu ziehen, denn die Jobs sind alle in der Stadt – eine echte Zwickmühle.«

Auch er selbst sei vor Kurzem wieder zurück in die Wohnung seines Vaters im angrenzenden New Jersey gezogen, um Geld zu sparen – denn sein Touristenbus-Unternehmen könne ihm nicht immer genug Arbeitsstunden garantieren. Mikes zwei jüngere Brüder leben noch im Apartment ihrer Mutter. »Unsere Elterngeneration hat zumindest noch fixe Jobs, meine Mom arbeitet seit Jahrzehnten beim selben Arbeitgeber, einer amerikanischen Airline – von so viel Beständigkeit kann meine Generation nur träumen, wir werden mit der Gig-Economy, der Vergabe von Mini-Aufträgen, verarscht.«

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