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8. Kapitel

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Die Gartenbau-Firma Merxheimer hatte ihre Zusage eingehalten und die in Moorschlamm eingebettete Leiche in die Gerichtsmedizin nach Trier gebracht. Nun ja, Gerichtsmedizin war wohl nicht die richtige Bezeichnung. Das Brüder-Krankenhaus verfügt über einen Sektionsraum im Kellertrakt, von der Hinterseite des Gebäudes im Bereich der Leichenhalle angeordnet. Dort allerdings befindet sich alles, was zu einer Leichenöffnung erforderlich ist, und jeder Obduzent kann hier nach den Regeln seiner Kunst arbeiten.

Peters und Franzen hatten fast volle zwei Stunden benötigt, um die Leiche vom feuchten Erdreich zu befreien. Sie hatten Fotos gemacht, Proben des Erdreiches zu Vergleichszwecken und einen Finger, der lose neben der Leiche im Moorbereich gelegen hatte, zu DNA-Zwecken mitgenommen.

„Was meinst du, sieht das nach Kriegsverletzungen aus?" Franzen reckte seine jugendliche schlanke Gestalt und sah erst auf die Leiche, die für ihn ein Mittelding zwischen Mumie und Skelett darstellte, dann auf Peters. Dann ging er in die Hocke und zeigte auf die Einkerbung am Schädel des Skeletts. „Hast du eine Vorstellung, woher die Verletzungen stammen könnten? Wenn dafür die Kugel eines Soldaten verantwortlich gewesen wäre, ich glaube, die müsste doch die Schädeldecke durchschlagen haben."

„Sehe ich auch so“, meinte Peters nachdenklich und beugte sich vor, um zum wiederholten Mal einen Blick über das Skelett streifen zu lassen. „Die vielen Knochenbrüche sprechen irgendwie auch dagegen. Für die Fülle dieser Verletzungen könnte man meinen, seien die Splitter einer Granate verantwortlich. Das können wir aber ausschließen. Wäre dies der Fall, wären die Knochen, und somit auch der Kopf, von einem Granatsplitterhagel getroffen worden, wären die Verletzungen anderer Natur. Wie du leicht erkennen kannst, sind die Knochen gebrochen, mehr nicht."

„Du meinst also: keine Kriegshandlung?"

„Nein, keine Kriegshandlung."

„Du tippst auf ein Verbrechen Heinz, habe ich recht?"

Peters nickte. „Was glaubst du?"

Franzen zuckte mit den Schultern. "Bei diesen Verletzungen wird es wohl so sein. Wie es aussieht, hat man dem Mann sprichwörtlich alle Knochen im Leib gebrochen.“

„So sieht es wohl aus.“

Ein Klingelton kündigte einen Anruf an und Peters kramte in seiner Hosentasche ein schon fast antiquiertes Handy heraus.

„Ach du bist es, Overbeck. Ja, das ist okay. Ihr könnt die Leiche hier in der Gerichtsmedizin begutachten. Wir haben sie einigermaßen ansehnlich vorbereitet. Aber, wie gesagt, nur einigermaßen. Wir wollten ja nichts beschädigen. Wir sehen uns im Büro.“

***

Nun lagen die sterblichen Überreste, grob gesäubert auf dem metallenen Tisch vor ihnen und die beiden Kriminalisten Overbeck und Leni standen davor, als wollten sie ihr einen letzten Gruß erweisen. Vor ihnen lag ein männliches Knochengerüst, eingehüllt in einen lederartigen Mantel, der einmal seine Haut gewesen sein musste und der sich eng an die Knochen anlegte, da, wo die Haut noch vorhanden war. Die Knochen der Hände und der Füße lagen teilweise frei und hatten eine gelblichweiße Farbe. Die Form des Beckens war aufgrund der anliegenden Haut in ihren Konturen zu erkennen.

„Warum zum Teufel ist ausgerechnet der Kopf total skelettiert?“, durchbrach die ärgerliche Äußerung Overbeck die Stille. „Es hätte unsere Ermittlungen erheblich erleichtert, wäre er in dem Zustand wie der übrige Körper.“

„Zumal dieser arme Kerl offensichtlich einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen ist“, schob Leni hinterher und brauchte dazu nicht auf eine bestimmte Stelle am Kopf des Toten zu zeigen. Die Verletzungen der brutalen Gewalt waren offensichtlich. Ein Riss zog sich über die gesamte Schädeldecke und in Höhe der Stirn war der Schädelknochen nach innen eingedrückt, so, als habe man ihn mit einem harten Gegenstand bearbeitet.

„Die Zähne sind unsere einzige Hoffnung, abgesehen von den DNA- Vergleichen, wenn wir denn jemand für Vergleiche dieser Art finden werden.“ Overbeck beugte sich nach vorne über die sterblichen Überreste. Dann nickte er.

„Der Mundraum ist zwar noch voll Erde, aber ich glaube, der Mann hat einen Zahn aus Silber.“

„Aus Silber? Bist du sicher?“ Leni beugte sich ebenfalls vor, verharrte jedoch in andächtigen Abstand.

„Ja, hier, sieh doch. Der linke Eckzahn, eindeutig Silber. Der glänzt zwar nicht, aber er ist zurzeit der einzige Hoffnungsschimmer, der uns weiterbringen könnte.“

„Wenn wir den behandelnden Zahnarzt finden.“

„Das auch Leni. Aber, wenn der Mann aus Forstenau oder der näheren Umgebung stammt, dann können sich vielleicht die älteren der Einwohner an diesen Zahn erinnern. Oder was glaubst du, wie viele Menschen hier mit einem Silberzahn umherlaufen oder besser, umhergelaufen sind? Heute ist so etwa ja ganz aus der Mode. Also werden wir neben den erkennungsdienstlichen Maßnahmen die Klinken der Forstenauer Türen putzen.“ Er ging um den Tisch herum und sah Leni fragend an. „Wie groß schätzt du diese Person? Ich meine, wie groß war sie zu Lebzeiten? Sieh dir die Oberschenkelknochen an. Also, da kommt man doch fast an die zwei Meter.“

„Ich bin nicht so gut im Schätzen, aber messen wir doch gleich hier nach.“ Leni kramte in ihrer Umhängetasche und förderte ein Bandmaß zutage.

„Hältst du mal?“ Sie drückte Overbeck den Anfang der Rolle in die Hand und begab sich zum Fußende, das Bandmaß weiter aufrollend. „So, wie die Knochen hier angeordnet sind: 2,05 Meter. Wenn man sich jetzt alles miteinander verbunden vorstellt …? Ich schätze mal Ein Meter neunzig. Was meinst du?“

„Kann hinkommen“, brummte Overbeck und ließ das Bandmaß los, das sofort in Richtung Leni schnellte.

„Ja, danke. Sehr rücksichtsvoll.“ Leni war einen Schritt zurückgesprungen, um von dem Ende des Bandmaßes nicht getroffen zu werden.

„Was ist mit der Obduktion? Ich meine, die Leiche muss ja gesäubert und von einem Facharzt begutachtet werden. Vielleicht kann man über die Todesursache und die Liegezeit dann mehr erfahren.“

„Darum wird sich Krauss kümmern. Du wirst sehen, Leni, hinterher haben wir eine bis in die letzten Poren gereinigte Leiche.“

Niemand schweigt für immer

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