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3. Kapitel

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Dicke Regentropfen klatschten gegen die Windschutzscheibe des silberfarbenen Dienstwagens, als Overbeck und Leni die Ortschaft Forstenau verließen und am Stausee vorbei in Richtung Osburger Hochwald brausten. Die Scheibenwischer hatten selbst auf der höchsten Stufe Probleme das Wasser beiseite zu schieben, doch bei der Fahrweise Overbecks musste man annehmen, dass er den völligen Durchblick hatte.

Leni saß verkrampft auf dem Beifahrersitz und schielte ab und zu in Richtung ihres Kollegen, worauf sie jeweils mit einem leichten Lächeln bedacht wurde.

„Du kennst dich hier aus?“

Lenis Stimme vibrierte. Sie hatten gerade das Feriendorf hinter sich gelassen und Overbeck verringerte die Geschwindigkeit.

„Irgendwo hier muss es doch zum Weyrichsbroch abgehen“, ignorierte er Lenis Frage und starrte angestrengt durch die für kurze Zeit frei gewischten Stellen der Windschutzscheibe. „Du wohnst doch hier, Leni. Kennst du dich aus?“

„Na ja, ich bin zwar auch erst einmal an der Ruwerquelle gewesen, aber ich weiß, dass gegenüber dem Weg, der dorthin führt, noch einer in den Wald abzweigt. Fahr mal langsam weiter.“

Wie abgeschnitten hörte es mit einem Schlag auf zu regnen, nur noch vereinzelt fielen Tropfen platschend auf die Windschutzscheibe. Overbeck schaltete ein langsameres Intervall ein und fuhr die ansteigende Straße gemächlich weiter.

„Hier ist der Parkplatz für die Wanderer“, zeigte Leni auf eine freie Stelle auf der linken Seite, „vielleicht noch einhundert Meter. Ja, da vorne.“

„Knüppeldamm“, las Overbeck den Schriftzug auf einem verwitterten Wegweiser vor. „Das steht aber nichts von einem Hochmoor oder so.“

„Overbeck, Overbeck. Es wird Zeit, dass ich dich in die Besonderheiten und die Attraktionen des Hunsrücker Hochwalds einführe. Also: Für Wanderer und Touristen ist es der Knüppeldamm, der für sie so was wie eine Attraktion ist. Und der führt mitten durch das Hochmoor. Gut, dass mich der Förster jetzt nicht hört. Richtig heißt es natürlich Quellmoor, auf diese Bezeichnung wird er wohl besonderen Wert legen.“

„Hochmoor, Quellmoor.“ Overbeck hielt den Wagen an und ruderte ungeduldig mit den Armen. „Muss man den Unterschied kennen?“

„Nur, wenn man will“, antwortete Leni schnippisch. „Hier musst du nach links abbiegen.“

Sie fuhren den Weg entlang und nach einigen hundert Metern sahen sie die abgestellten Fahrzeuge der Waldarbeiter am Wegesrand.

Es begann wieder an zu nieseln, doch der große Regen schien vorbei. Man schien das Motorengeräusch gehört zu haben, denn ein kräftiger Mann in grüner Hose, grüner Gummi-Jacke und einem Försterhut erschien am Wegesrand und winkte den beiden freundlich lächelnd zu.

„Sie kommen von der Polizei?“

Ohne eine Antwort abzuwarten, machte er eine einladende Handbewegung.

„Kommen Sie hier herüber, auf den Damm, da ist es trocken“, rief er, als das Fahrzeug auf seiner Höhe angelangt war. „Wir müssen ein kleines Stück den Knüppeldamm hinauf“, gab er bekannt und stellte sich vor.

„Mein Name ist Herbert Kresser. Ich bin der zuständige Förster für diesen Bezirk.“

Leni nickte und betrachtete die Aufschrift Landesforsten auf der Jacke des Forstmannes.

„Mein Name ist Schiffmann. Das ist mein Kollege Overbeck.“

„Angenehm. Wie Sie sehen, sind wir alle klitschnass geworden. Aber wir wollten auf Sie warten. Es scheint nun doch besser zu werden“, bemerkte Kresser dann mit einem Blick zum Himmel. „Kommen Sie! Wir müssen ein Stück über den Knüppeldamm und dann nach rechts ins Moor.“

Leni und Overbeck folgten Kresser über die teils schmierigen und morsch anmutenden Planken und gelangten schließlich zu einem Bereich, der offensichtlich kürzlich renoviert worden war. Kresser blieb stehen und drehte sich zu den beiden hin.

„Sehen Sie, so wie hier wechseln wir alle morschen Planken aus. Dieser Knüppeldamm ist immerhin über 400 Meter lang, da braucht das schon alles seine Zeit. Und das dann bei diesem Wetter. Aber wenn im kommenden Jahr die Wanderer und Touristen kommen, muss alles fertig sein.“

Kresser zeigte nach vorne. „Kommen Sie“, wiederholte er, ,,es ist nicht mehr weit.“

„Sie meinen Touristen kommen speziell wegen dieses …?

„Ja, sie kommen wegen des Knüppeldammes, aber wichtig ist ihnen natürlich auch, dass er sie durch ein naturbelassenes Moor führt. Im Vertrauen: Es ist kein gefährliches Moor. Darin wird niemand versinken, jedenfalls nicht komplett. In keinem Moor kann man versinken. Das sind alles Ammenmärchen, aber gut für den Fremdenverkehr. Und was den Tourismus angeht: Alleine hierher ins Quellmoor kommen im Jahr über zehntausend Menschen, also, da kann man doch sicher von einer Attraktion sprechen, oder? Wir sind da“, sagte er, ohne auf eine Antwort zu warten.

Kresser zeigte nach rechts in das Sumpfgebiet und auf seine Mitarbeiter, die in einer Entfernung von vielleicht dreißig Metern mit eingezogenen Schultern ausharrten.

„Kommen Sie, folgen Sie mir.“

In der Ferne hörten sie Motorengeräusch

„Wird Peters sein“, raunte Leni Overbeck zu. „Herr Kresser, wir warten hier. Die Spurensicherung sollte sich das vor uns ansehen. Ich glaube, die Kollegen sind soeben vorgefahren.“

Es dauerte nur wenige Minuten, als Schritte auf dem hölzernen Damm im Wald widerhallten. Kurz darauf standen Hauptkommissar Heinz Peters und sein junger Kollege, Kommissar Helmut Franzen vor der Gruppe.

„Dann wollen wir mal“, sagte Kresser nach der förmlichen Vorstellung der Personengruppe und ging voran. Die Waldarbeiter hatten sich auf einem querliegenden Stamm niedergelassen und erhoben sich, als die Gruppe nähertrat.

„Hier ist es.“ Kresser nahm ein dürres Stück Holz vom Boden auf und zeigte auf die Stelle, wo er die vermeintlichen Menschenreste gefunden hatte.

Peters, der heute einen breitkrempigen Hut über seinem grauen Trenchcoat trug, nahm diesen ab und schlug ihn mehrere Male gegen sein rechtes Bein. Dann nickte er und sah Kresser an. „Ich würde Sie bitten und ihre Mitarbeiter natürlich auch, auf dem Holzdamm dort hinten zu warten. Wir wollen doch vermeiden, dass wir irgendwelche Spuren, ich meine damit eventuell vorhandene Skelettteile, vernichten.“

Kresser nickte und gab seinen Mitarbeitern mit dem Kopf ein Zeichen. Während sie dem Förster folgten, blieb das Gemurmel Kressers noch einige Sekunden im Raum des Waldes stehen:

„Holzdamm. Banausen! Das ist ein Knüppeldamm, eine Attraktion der Region. Holzdamm!“

Das letzte Wort klang verächtlich.

Niemand schweigt für immer

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