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Fredegar – zwei Zählweisen werden vermischt
ОглавлениеDie Fredegar-Chronik ist neben dem im frühen 8. Jahrhundert verfassten Liber Historiae Francorum eine Hauptquelle für die Geschichte des Frankenreichs im 7. Jahrhundert.1
Von Bedeutung ist vor allem das vierte2 und letzte Buch der Chronik, welches – trotz vieler Probleme – eine der ganz wenigen Quellen zur fränkischen Reichsgeschichte des 7. Jahrhunderts darstellt. Es umfasst die Spanne von 583 AD bis 642 AD und damit den einzigen zeitnahen Bericht über das grausige Ende der Merowinger. Bis 591 überlappt sich die Chronik mit der des Gregor von Tours.
In karolingischer Zeit wurde die Fredegar-Chronik dann auf der Grundlage des Liber Historiae Francorum als amtliche Chronik bis 768 fortgeführt. Diese Fortsetzung wird als Continuationes bezeichnet.3
Die Zeittafel dieses Fredegar Continuatus liegt uns in verschiedenen Versionen vor:
Von Adam oder dem Beginn der Welt bis zur Sintflut | 2242 Jahre |
Von der Sintflut bis auf Abraham | 942 Jahre |
Von Abraham bis auf Moses | 505 Jahre |
Von Moses bis auf Salomo | 489 Jahre |
Von Salomo bis zur Wiedererbauung des Tempels zur Zeit des Darius | 512 Jahre |
Von der Wiederherstellung des Tempels bis zur Ankunft [Passion?] unsres Herrn Jesu Christi | 548 Jahre |
Zusammengezählt sind das 5238 Jahre1 – folgt man Fredegar, so wären es jedoch 300 Jahre mehr (abzüglich der Lebenszeit Jesu):
Von Anbeginn der Welt bis zum Leiden unseres Herrn Jesu Christi | 5538 Jahre |
Und vom Leiden des Herrn bis zu diesem gegenwärtigen Jahre, am 1. Januar, einem Sonntag, | 735 Jahre |
Um dieses Jahrtausend zu erfüllen, bleiben noch 2 | 265 Jahre |
Eine andere Überlieferung der Fredegar-Fortsetzung3 liefert zusätzliche Einzelheiten des frühen Mittelalters:
Von Adam oder dem Beginn der Welt bis zur Sintflut | 2242 Jahre |
Von der Sintflut bis auf Abraham | 942 Jahre |
Von Abraham bis auf Moses | 505 Jahre |
Von Moses bis auf Salomo | 479 Jahre |
Von Salomo bis zur Wiedererbauung des Tempels zur Zeit des Darius | 512 Jahre |
Von der Wiederherstellung des Tempels bis zur Ankunft [Passion?] unsres Herrn Jesu Christi | 548 Jahre |
Gewiß sind von Anbeginn der Welt bis zum Leiden unseres Herrn Jesu Christi | 5228 Jahre |
Vom Leiden des Herrn bis zu diesem gegenwärtigen Jahre, welches in dem Zyklus des Victorius1 das 177. ist, am 1. Januar, einem Sonntag, und um dieses Jahrtausend zu erfüllen, bleiben noch 63 Jahre übrig. | [..dies wäre somit das Weltjahr 6165 ] |
Hier wurde bis zur Passion Jesu korrekt addiert, jedoch wären bis dahin 10 Jahre weniger vergangen. Zudem liegt die Jahrtausendwende nun um 188 Jahre näher. Und schließlich hätte der Osterzyklus des Victorinus nicht wie überliefert 457 AD, sondern erst 240 Jahre vor dem Millennium, also 760 u.Z. begonnen.
Wie konnte es zu diesen Abweichungen kommen? Sollte Fredegar Christgeburt und Passionsjahr vorsätzlich vertauscht haben? Einiges spricht dafür:
Fredegar übernahm von Gregor von Tours auch den Hinweis auf die Sonnenfinsternis im 32. Regierungsjahres König Guntrams, nach traditioneller Rechnung 591 AD, Gregor zufolge an einem Vormittag in den Iden (6.-13.) des August.
Eine solche in Zentral-Frankreich sichtbare Eklipse sucht sucht man Ende des 6. Jhs. vergeblich.1 Die einzige hierzu passende Verfinsterung fand am 8. August 891 u.Z. statt, vormittags über Genf erschien sie ringförmig.
Wie es scheint, wollte Fredegar mit seinen widersprüchlichen Angaben die Leser darüber hinwegtäuschen, dass das erwartete Millenniumjahr eben nicht das tausendste seit der Geburt Jesu wäre.
Aber warum dann der unnötige Lapsus: Geburt statt Passion? Vielleicht, weil so der offenkundige Widerspruch verschleiert wurde und die Differenz von genau 300 Jahren dem Leser nicht gleich ins Auge sprang? Der häufig ungenaue Fredegar, so konnte man vermuten, hätte sich eben mal wieder geirrt!
Und wer es ganz genau wissen wollte, der fand auch einen Beleg hierfür: Zwei Absätze nach dem Bericht über seine Ermordung im Jahre 602 hätte Kaiser Maurikios drei Jahrzehnte später noch Gesandtschaften der Langobarden empfangen...
Trotzdem bleibt die vorsätzliche Unwahrheit. Sie zwang den Autor des 'Fredegar' anonym zu bleiben.
Gregor v. Tours hatte dieses Problem zuvor auf seine Weise gelöst: Als Bischof durfte er natürlich nicht lügen. Deshalb erklärte er offen, dass seine Rechnung falsch sei. Die Begründung klingt läppisch: Er sei nicht in der Lage gewesen, die letztvergangenen 144 Jahre in seinem Kloster zu rekonstruieren!2
Von Beginn der Welt bis zur Sintflut | 2.242 Jahre |
Von der Sintflut bis zur Querung des Roten Meers | 1.404 Jahre |
Von der Querung des Roten Meers zur Auferstehung | 1.538 Jahre |
Die Passion fiel bei Gregor demnach in das Weltjahr 5184. Gegenüber der Rechnung des Hieronymus wären das 50 Jahre zu wenig.
Von der Auferstehung des Herrn bis zum Tode St.Martins | 412 Jahre |
Vom Tode St.Martins bis zum 21. nach meiner Ordination, dem 5. Papst Gregors, 31. König Gunthram und 19. Childebert II. | 197 Jahre |
Insgesamt sind dies | 5.792 Jahre |
Gregors Chronik endet im Jahr 590 AD. Andererseits wäre das Jahr 5792 nach Gregors Chronik das der von ihm erwähnten Sonnenfinsternis von 890 u.Z.