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Einem Blinden entgeht nichts: Der Mann in der verdunkelten Stube hat das Anschlagen des Hundes gehört wie das Flöten; der vorsichtige Schritt auf der Treppe entging ihm nicht, und eben hörte er die Hoftür mit einem leichten Aufseufzen der Feder ins Schloß fallen. Er ist plötzlich des Spiels mit den Kirschen überdrüssig geworden, er ist aufgestanden und geht ruhelos in dem Zimmer auf und ab.

»Ach ja!« seufzt er und: »Freilich, das mußte einmal kommen!«

Plötzlich fällt ihm ein, wie sehr er an diesem Vormittag seiner Sekretärin Ilse Voß zugesetzt hat: Er wollte durchaus von ihr erfahren, welche Art Blau ein Kleiderstoff hatte, den sich Traute Kaiser gekauft hatte. Das sind seine Sorgen und Interessen, seit er blind wurde: Er läßt die Ilse Voß alles aufschreiben, was er einmal sah, ehe es Nacht für ihn wurde, und er sucht alles zu erfahren, was andere heute sehen …

»Also eine Art blasseres Kornblumenblau?«

»Nein, nicht doch, Herr Siebenhaar! Mehr ein Bleu …«

»Bleu – lassen Sie mich zufrieden mit all den albernen Modefarben! Nennen Sie mir irgendwas Lebendiges, das diese Farbe hat!«

»Ja, ich weiß doch auch nicht …« Sie suchte. Dann: »Etwa wie die blaue Strickjacke von Lola, da, wo sie verschießt …«

Trostloses Gewäsch, verdammtes! Aber das war jetzt – seit geraumer Zeit – sein Leben: Erinnerungen an Farben, an einst Geschautes. Nichts Lebendiges mehr, kein warmer Hauch auf der Wange, keine übermütig zausende Hand mehr im Haar – alles dies war ihm mit dem Licht des Himmels entflohen.

»Ach ja!« seufzt er noch einmal, aber lauter. »Das war wohl zu erwarten!«

Dann geht er sacht aus der Stube, zum Keller hin.

Auch Lola hat das leise Aufseufzen gehört. Freilich, sie stand hinter der Gardine und sah Traute mit gespannter Aufmerksamkeit nach. Nun, da sie sicher ist, die Kleine ging weder zum Baden noch ins Dorf, sondern den Weg in die Felder, läuft sie rasch aus dem Zimmer, reißt die Stubentür nebenan auf und ruft: »Los, Itta, guck mal schnell aus dem Fenster! Da kannst du Traute hinter einem Mann herziehen sehen! Und mir hat sie erzählt, sie geht zum Baden!«

»Was ist denn los?« fragt Ilse, verwirrt aus dem Schlaf hochfahrend. »Ist es denn schon wieder vier?« Und nach einem Blick auf die Uhr: »Oh Gott, gerade erst halb drei! Kannst du mich denn nicht in Ruhe schlafen lassen?! Ich habe Schlaf so nötig!«

»Aber, Itta!« ruft Lola vorwurfsvoll. »Wo Traute eben mit einem Mann losgezogen ist! Komm doch schnell ans Fenster!«

»Traute? Mit einem Mann?!«

»Ja, mach bloß zu! War es also doch richtig, daß ich dich weckte!«

Nebeneinander knien die beiden am Fenster und sehen gespannt auf die kleine Kuppe mit dem gelben Fleck der Sandgrube, an der vorbei sich der Weg schlängelt.

»Ich sehe nichts!« sagt Ilse Voß enttäuscht.

»Warte doch nur! Sie muß gleich kommen! Hör zu! Erst hat es unten geflötet, ich habe gleich herausgeguckt. Ein Mann ist es gewesen, wahrscheinlich Männe oder Paulchen Schönfeld …«

»Mit denen läßt sich doch Traute nicht ein!«

»Es kann auch wer anders gewesen sein! Und erst tut sie so, als sei nichts, und dann sagt sie plötzlich, sie will noch mal ins Wasser, wo ihr Haar noch ganz feucht und zottelig vom letzten Baden war … Da kommt sie!«

Lola faßt vor Aufregung ganz fest Ilses Arm. Aber das Bild hat eigentlich nichts Aufregendes: ein lebhaft gelber Fleck – Trautes Sportkleid – wandert an der gelben Sandgrube vorüber und verschwindet.

»Allein!« stellt Ilse fest.

»Aber ich sage dir doch: Er ist ihr mindestens vier Minuten voraus! Sie läuft ihm nach!«

»Sie werden sich bei der kleinen Brücke am Durchfluß treffen«, überlegt Ilse Voß.

»Weißt du was, Ilse«, schlägt Lola aufgeregt vor. »Wir nehmen das kleine Paddelboot und rudern am Schilf entlang und überraschen die beiden. Ich möchte doch zu gerne wissen, wer es ist!«

»Das weiß ich auch ohne Spionieren«, sagt Ilse, ein ganz klein wenig verächtlich. »Sie hat in den letzten Wochen drei Briefe hier aus der Gegend bekommen …«

»Sag doch von wem! Ich lasse mir auch bestimmt nichts merken! Bitte, Ilse!«

»Du hast dich auch mal mächtig um ihn bemüht«, läßt Ilse sie zappeln. »Aber bei dir hat er nicht angebissen. – Bei mir übrigens auch nicht«, setzt sie, mehr zu sich selbst gesprochen, hinzu.

»Der Zahn aus dem Getreide-Geschäft? Oder nein, der hübsche große Blonde, der seit zwei Wochen in der Kistenfabrik ist?«

»Hast du den auch schon entdeckt?« fragt Ilse etwas gereizt.

»Aber Ilse! Der ist doch schon allen Mädchen hier herum aufgefallen! Ich hab’ ihm neulich beim Tennisspielen zugesehen – einfach süß!«

»Mit wem hat er denn gespielt?«

»Ach, mit dem langen Reff, der Tochter vom Bürgermeister! Die mit den Pferdezähnen, weißt du!«

»Na also! Da weißt du ja Bescheid, wieviel er sich aus einem Wirtschaftsfräulein vom Land machen wird!«

»Oder einer Klapperschlange …«

»Richtig, Lola, oder einer Klapperschlange … Im übrigen bin ich versehen …«

»Das glaubst du!« antwortet Lola, aber nur halblaut, so daß unklar bleibt, ob Ilse sie verstanden hat.

Die beiden Mädchen knien nebeneinander, sehen in das besonnte Land, das der Ernte entgegenreift, wie auch sie immer reifer für das Leben werden, und plötzlich sagt Lola, indem sie sich behaglich reckt und streckt: »Ach, Itta, ist das alles schön! Ich weiß schon: Mein Mann muß einmal dunkel sein … Und er muß wunderbar tanzen können, und einen prima Wagen muß er haben, und er darf nur seidene Oberhemden tragen … Und er müßte sich kirchlich trauen lassen, und die Hochzeitsreise müßten wir in einem Wohnwagenanhänger machen … Ich denke mir das einfach chic, wenn man da so morgens auf einer Waldwiese aufwacht, und er wäre himmlisch zärtlich, und während ich Kaffee koche, spielte er die neuesten Tanzplatten. Ja, und ich würde so bezaubernde Shorts tragen …«

»Herrlich!« stimmt Ilse wieder ein wenig ironisch bei. »Und was müßte dieser Zukünftige sein? Millionär?«

»Ach, das wäre mir ganz egal! Meinetwegen kann er der kleinste Buchhalter sein, wenn er mich nur liebt!«

»Na ja«, sagt Ilse trocken, »die kleinen Buchhalter mit seidenen Hemden und Wohnwagen sind ja ziemlich häufig! – Du bist einfach ein Schaf, Lola!« sagt sie eilig, denn ihre Freundin will schon wieder eine neue schwärmerische Albernheit loslassen. – »Und wenn du es nicht lernst, die Klappe zu halten, sondern all deinen Unsinn jedermann verzapfst, wirst du dich verplempern und nie einen vernünftigen Mann auch nur mit hundertachtzig monatlich einfangen – auf die Dauer heißt das!«

»Du hast es gerade nötig, von Verplempern zu reden!« fängt Lola zornig an, und ihre Augen sehen vor Empörung jetzt wirklich schwarz aus.

Aber mit Ilses Geduld ist es vorbei, und so sagt sie energisch:

»Und jetzt ziehst du hier Leine, damit ich wenigstens noch eine Stunde schlafen kann. Die beiden kommen doch nicht so rasch zurück. – Und damit du mir wirklich Ruhe läßt«, setzt sie hastig hinzu, »will ich dir sagen, was du durchaus wissen wolltest, aber längst wieder vergessen hast, daß Traute nämlich schon drei Briefe von dem jungen Inspektor in Schlicht bekommen hat …«

»Von dem Siegfried Senden in Schlicht?! Traute, das kleine Bäh-Schaf?! Das ist doch unmöglich. Du mußt dich irren, Itta!«

Der ungeliebte Mann

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