Читать книгу Der ungeliebte Mann - Ханс Фаллада - Страница 9
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ОглавлениеSie ließ sich, die es so eilig gehabt, vom Tisch fortzukommen, viel Zeit bei der Auswahl von Kleidern und Strümpfen. Sie wusch sich lange und sorgfältig und zog, als sie endlich fertig war, dann doch wieder die hauchdünnen Seidenstrümpfe und das kurze Sommerkleid aus: Ihr Entschluß war fester geworden und ihre Hoffnungen geringer. Sie glaubte plötzlich nicht mehr an einen Erfolg bei Erich Mutzbach, stärker rechnete sie nun auf den andern, den Ungeliebten, Verachteten, fast Verhaßten. Für ihn oder genauer für seine Mutter war es besser, sich nicht zu hübsch anzuziehen – diese Leute hatten keinen Sinn für etwas Hübsches!
Während all dieser Vorbereitungen hörte sie die beiden andern heraufkommen. Natürlich streiten sie schon wieder. Lola möchte, daß Traute mit ins Dorf kommt, Traute aber verspricht der Lola ihre in Goldpapier gewickelten Pralinen, wenn sie heute abend zu Hause bleibt. Sie, Traute, graule sich so allein mit dem blinden, angetrunkenen Mann im Hause. Lola findet Traute blöd und langweilig, und Traute sagt dafür zu Lola, daß sie sich immer nur mit Männern herumtreiben wolle …
Aber ganz ohne Begegnung kam Ilse doch nicht aus dem Haus: Auf dem Hof steht Herr Siebenhaar und krault der Hündin Bella die Kehle.
Herr Siebenhaar richtete die blinden Augen auf Ilse, als sie aus dem Hause tritt und fragte: »Bist du das, Traute?«
»Nein, ich bin’s bloß, Herr Siebenhaar, die Ilse.«
»›Bloß‹ solltest du auch nicht sagen, Ilse. Du bist nicht weniger als die Traute. Niemand soll von sich selbst ›bloß‹ sagen – bloß ein Blinder …«
Er starrte sie tot an, mit zitternder Lippe.
Nein, er hatte wohl nicht mehr getrunken, aber er scheint weinerlich-redselig geworden. Ilse stand mit zorniger Ungeduld neben ihm, jetzt hatte sie es brandeilig, ins Städtchen zu kommen.
»Ist es schon spät, Ilse?«
Herr Siebenhaar kann sich nicht in der ewigen Nacht zurechtfinden, in der er nun lebt. Er verwechselt ständig die Uhrzeiten. Manchmal stört er um drei in der Nacht die Mädchen aus dem Schlaf, es müsse doch schon seit Stunden Aufstehzeit sein …
»Gleich neun Uhr, Herr Siebenhaar«, sagt Ilse und sieht mit Abneigung auf ihren Brotherrn. Wie ungepflegt er wieder aussieht, beim Rasieren hat er die Hälfte der Stoppeln stehen lassen! Ach Gott, daß sie aus alldem erst heraus wäre! Sich immerzu mit Männern plagen, die einen nichts angehen, war zu langweilig!
›Du willst ja sogar einen Mann heiraten, den du nicht ausstehen kannst!‹ spricht eine mahnende Stimme in ihr.
Aber Ilse beachtet diese Stimme nicht, Ilse will jetzt fort von hier. Sie hat Feierabend, sie hat es nicht mehr nötig, auf das Geschwätz ihres Chefs zu horchen, der Dienst ist zu Ende, und sie hat Eile! Darum hat sie ihm ja auch eine falsche Uhrzeit gesagt, denn es ist gerade erst acht Uhr – aus so etwas macht sie sich kein Gewissen.
»Du hättest wohl keine Lust, mit mir und der Bella noch einen kleinen Spaziergang durch die Felder zu machen?« fragt der Blinde zaghaft. Und setzt entschuldigend hinzu: »Die Bella ist heute den ganzen Tag noch nicht herausgekommen. Dann ist sie immer so wild hinter jeder Katze und hinter jedem Kaninchen her und läßt mich irgendwo stehen, wo ich nicht wieder nach Haus finde …«
»Tut mir leid, Herr Siebenhaar«, sagt Ilse kurz. »Ich muß nach Berga, ich habe eine wichtige Verabredung.«
»Geh! Geh!« sagt Herr Siebenhaar ganz friedlich. »Ich will dich doch nicht aufhalten, Ilse. Vielleicht mag eine von den beiden andern mit mir gehen.«
»Lola will noch ins Dorf«, erklärt Ilse völlig ungerührt. »Und Traute ist todmüde und will gleich ins Bett. Verderben Sie den beiden bloß ihren Abend nicht, Herr Siebenhaar! Am besten legen Sie sich gleich hin – Sie haben heute früh schon vor vier im Haus spektakelt, Sie müssen ja müde sein!«
Damit läßt sie ihren Arbeitgeber stehen und macht sich auf den Weg ins Städtchen, ohne sich weiter Gedanken wegen seiner Gefühle zu machen.