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ОглавлениеDas Abendessen ging nicht erfreulich und nicht unerfreulich vorüber – wenigstens für die jungen Mädchen.
Zuerst war der blinde Herr Siebenhaar in jenem Zustand, in dem der Betrunkene sich einbildet, seine Umgebung merke nichts von seiner Trunkenheit, er verstehe es meisterhaft, sie zu verbergen.
Die Mädchen nahmen alles mit völligem Stillschweigen auf. Denn Lola und Ilse hatten sich daran gewöhnt, die Blindheit ihres Arbeitgebers als etwas ganz Selbstverständliches, etwas Naturgegebenes hinzunehmen, an das jedes Gefühl verschwendet war. Für sie war Herr Siebenhaar mit den tausend Hilflosigkeiten und Ansprüchen des noch nicht lange Erblindeten ein besonders schwieriger Arbeitgeber, der zudem noch recht unangenehme und für sie stets völlig überraschende Launen hatte. Am besten beachtete man ihn so lange gar nicht, wie er nicht direkte Forderungen stellte.
Traute Kaiser wagte, besonders vor ihren Freundinnen, nie recht, den Mund aufzutun, wenn der Blinde sie ansprach. Sie war noch nicht so lange wie die andern im Hause, noch immer hatte sie ein mit leisem Grauen vermischtes Mitleid für den blinden Mann. Manchmal, wenn sie gerade an ihn dachte, versuchte sie, sich Blindsein vorzustellen.
Ihre Freundinnen hatten ihr wohl erzählt, wie unerträglich der eben Erblindete in der ersten tobenden Verzweiflung seine Frau behandelt hatte, bis sie ihn schließlich verließ – aber trotzdem wurde sie nie ganz frei von einem Gefühl der Anklage gegen diese unbekannte Frau, die ihren mit Blindheit geschlagenen Mann verlassen hatte.
Natürlich spürte auch der blinde Mann dies wärmere Gefühl des jungen Mädchens. Sagte er etwas, bat er um etwas, wandte er sich fast stets an Traute. Ihre Freundinnen hatten sie schon öfter damit aufgezogen: »Paß auf, womöglich verliebt er sich noch in dich! Was willst du? Er ist siebenunddreißig, sehr vermögend und sähe eigentlich ganz gut aus, wenn ihn nur jemand richtig anzöge. Er wäre eine fabelhafte Partie für dich, Traute – für die jungen Männer interessierst du dich ja doch nicht!«
Als der blinde Mann ein paarmal völlig erfolglos versucht hatte, eine Antwort aus den jungen Mädchen herauszulocken, war auch er verstummt. Finster grübelnd hatte er auf seinem Teller herumgestochert, die Brauen gerunzelt, das Gesicht tief gesenkt. Dann war er plötzlich ohne ein Wort aufgestanden und in sein Zimmer gegangen.
»Gottlob!« hatte Lola gesagt. »Wenn er so ist, finde ich ihn noch ekelhafter. Immer hübsch den Mund halten, Traute, dann bekommt er es am ehesten über! So haben wir wenigstens zeitig Feierabend. Ich geh ins Dorf. Kommst du mit, Itta?«
Ilse, die tief in Gedanken am Tisch gesessen hatte, lehnte ab.
»Nein, ich will noch ins Städtchen.«
»Dafür bin ich zu müde. Du hast auch einen Nerv, Itta! Ich glaube, es ist jetzt die achte Nacht, daß du unterwegs bist. – Kommst du mit mir, Traute?«
»Nein, danke. – Du weißt, eine von uns soll immer im Haus bleiben.«
»Ach was, heute merkt er nichts. Er holt sich bestimmt noch eine Flasche aus dem Keller. Komm nur mit, Traute!«
»Nein, wirklich nicht. Ich bin auch zu müde.«
»Du bist für alles zu müde. Du verschläfst dein halbes Leben, und die andere Hälfte verträumst du!«
»Gute Nacht!« sagte Ilse plötzlich und stand auf. »Ich radle gleich los. – Oder nein, ich werde doch lieber gehen. Wenn es so klappt, wie ich es mir denke, werde ich nämlich im Auto nach Haus gebracht. Da kann ich kein Rad brauchen.«
»Was denkst du dir denn, Itta?« wollte Lola wissen. »Sag es doch, bitte, bitte!«
»So fragt man Leute aus«, lachte Ilse. »Haltet mir den Daumen! Vielleicht bin ich morgen …«
»Was bist du, Ilse? Sag doch schnell!«
»… noch nicht wieder zu Haus!« lachte sie und lief aus der Tür.