Читать книгу Der ungeliebte Mann - Ханс Фаллада - Страница 5
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ОглавлениеDer junge Feldinspektor von Schlicht, Siegfried Senden, sitzt unterdessen auf dem Brückengeländer über dem Durchfluß und baumelt lässig mit den Beinen. Ganz so lässig ist ihm allerdings nicht zumute, er hat sogar schon einmal auf die Uhr gesehen und eiligen Rückmarsch erwogen. An sich müßte er zur Stunde nämlich auf dem Rapsschlag des Rittergutes Schlicht, eine gute Stunde von hier entfernt, stehen, und mit Oberinspektor Brod ist bei Nachlässigkeiten im Dienst schlecht Kirschen essen!
Wie diese süße Kleine ihm Korb auf Korb versetzt hatte, sei es nun ein harmloser Likör oder eine nicht ganz harmlose Abkühlungspromenade nach der heißen Tanzerei, wie sie seine Briefe gänzlich unbeantwortet ließ, und sie waren doch mit allem Gefühlsaufgebot eines liebeskundigen jungen Mannes, der ein humanistisches Gymnasium absolviert hat, erst in die Kladde und dann ins Reine geschrieben worden; und wie sie ihn jetzt auf seinen dritten Brief hin auch wieder versetzen wird – das konnte einen wirklich ganz ernsthaft in Fahrt bringen!
Siegfried Senden schaut zum drittenmal auf die Uhr, stellt fest, daß er den äußersten, mit seinem Pflichtgefühl vereinbarten Termin bereits um zwei Minuten überschritten hat, und beschließt, der Abrundung halber noch drei Minuten zuzulegen, im übrigen aber dem nicht mehr fernen Ernteball die weitere Entwicklung zu überlassen – als oben am Rande des Hohlweges zwischen den grünen Haselbüschen ein gelbes Kleid auftaucht …
Er fährt mit einem Satz von seinem Brückengeländer hoch und stellt sich in Positur, ein Lächeln auf seinem Gesicht, die schilfleinene Feldmütze in der Hand. Ehrlich gestanden – dies hatte er nun doch nicht erwartet, sonst hätte er sich bestimmt einen schöneren Schlips umgebunden! Was soll er nun zur Begrüßung sagen? Ach, ganz egal! Daß sie nun wirklich gekommen ist, beweist, daß es sich jetzt nicht mehr um Sagen handelt, er wird einfach zur Attacke vorgehen …
Überraschend schnell ist Traute Kaiser bei ihm. Ihr Schritt wurde immer schneller, je näher sie der kleinen Brücke und der schilfleinenen Gestalt kam, wie ein Stein immer rascher den Abhang hinabrollt, ehe er zur Ruhe kommt.
Mit einem Ruck bleibt Traute Kaiser vor Siegfried Senden stehen. Sie ist hochrot, aber nicht nur von dem heißen, eiligen Weg. Ehe er den Mund noch auftun kann, sagt sie, fast atemlos: »So, hier bin ich! Und nun sagen Sie mir, was Sie eigentlich von mir wollen!«
Er ist völlig verblüfft. Er starrt sie mit weit offenen Augen an, zu plötzlich werden seine zärtlichen Hoffnungen zerstört. Beruhigend sagt er: »Aber warum denn so aufgeregt, mein Mädchen?«
Und wie aus der Pistole geschossen kommt die Antwort: »Ich bin nicht Ihr Mädchen! Wie kommen Sie dazu, mich so zu nennen?!« Sie stampft mit dem Fuß auf. »Da!« Sie zieht die zerknitterten Briefe aus der Tasche. »In denen haben Sie mich auch so genannt! Aber ich bin nicht Ihr Mädchen – und werde es auch nie sein! Nehmen Sie Ihr Geschmier wieder!«
Mechanisch nimmt er seine mißhandelten Briefe zurück, aber dabei starrt er sie unverwandt an, unverhohlene Bewunderung im Blick. »Aber, Trautchen«, sagt er endlich. »Warum denn so böse?! Es ist doch keine Beleidigung, wenn ein junger Mann ein junges Mädchen nett findet!«
Langsam, aber mit großem Nachdruck setzt er hinzu: »Und ich finde dich wirklich nett …«
Sie wird von seinem Blick und seinen Worten noch röter und zorniger.
»Sie sollen mich nicht einfach du nennen, das ist schon wieder eine Beleidigung! Und was bilden Sie sich überhaupt ein«, fährt sie noch rascher fort, »daß Sie mir einfach Briefe schreiben und mich ins Gerede bringen?! Was gibt Ihnen denn das Recht dazu?! Weil Sie dreimal mit mir getanzt haben? Lachhaft – und außerdem sind Sie noch ein ganz miserabler Tänzer!«
Er übergeht diese offenkundige Lüge mit Stillschweigen – seine Tanzkunst ist in der ganzen Gegend berühmt.
»Aber, Trautchen«, sagt er vorwurfsvoll, »wie soll man es denn sonst machen. Wenn man ein Mädchen gern hat, muß man es ihr doch irgendwie sagen! Alle machen es so!«
»So, und das Mädchen muß sich dann einfach beglückt fühlen, wenn der Herr Senden aus Schlicht es nett findet? Das Mädchen hat sich sein ganzes Leben nur darauf eingerichtet und nur darauf gelauert, damit der Herr Senden oder sonst ein Kavalier, dessen Herz gerade frei ist, geruht zu sagen: So, jetzt finde ich dich gerade nett, komm mal her zu der kleinen Brücke …«
»Aber, Traute, du bist doch gekommen!«
»Sie wissen ganz genau, was ich meine! Wenn ich so gekommen wäre, meine ich, wie Sie sich das einbilden, mit weit offenen Armen! Was hätten Sie da mit mir gemacht?«
Diese Frage zu erörtern, ist ihm im Augenblick peinlich. Er weicht aus.
»Aber, Traute«, sagte er, »verzeih bloß, daß ich immer noch Traute sage, aber ich habe mich in Gedanken so daran gewöhnt …«
»Gewöhnen Sie sich das bloß schnell wieder ab!« verlangt sie.
»Aber, Traute, wie willst du denn da mal einen netten Mann kennenlernen, wenn du alle schon gleich im Anfang vor den Kopf stößt?! Es ist doch nun mal so eingerichtet, daß der Mann es dem Mädchen sagt, wenn er es gern hat – ebensogut könnte es natürlich umgekehrt sein …«
»Das möchtet ihr! Auch das noch!«
»… Aber wenn das Mädchen dann sagt, es will ihn nicht, dann ist der Fall eben erledigt. Dann zieht sich ein anständiger Mann wortlos zurück. In allem liegt gar nichts Beleidigendes …«
»Ist das wirklich so, wie Sie sagen?«
»Aber natürlich, Traute! Ich habe nie daran gedacht, daß ich dich mit meinen Briefen kränken könnte …«
»Ich will Sie nicht!!!«
»Aber, Traute, erst wollen wir uns doch ein bißchen besser kennenlernen. Du hast ja noch keine Ahnung, wie ich bin, und ich weiß auch noch nicht …«
Sie zitiert: »… Dann ist der Fall eben erledigt …«
»Ich meine natürlich, man muß erst eine Chance haben …«
»… Und ein anständiger Mann zieht sich wortlos zurück!«
»Traute, wir haben doch gar nicht richtig miteinander geredet! Ich will dir bloß noch eins sagen …«
Sie stampft mit dem Fuß auf.
»Seien Sie wenigstens jetzt ein anständiger Mann!«
Er kämpft mit sich. Sie sieht reizender denn je aus, viel zu reizend für sein schon arg verwundetes Herz. Schließlich überwindet er sich.
»Also gut«, sagt er gekränkt. »Ich gehe also …«
Er sieht sie an, aber sie gibt immer noch kein Zeichen, daß sie bereut.
»Na, also denn!« bemerkt er recht verlegen. »Wird ein verdammt heißer Rückmarsch werden – bei der Hitze!«
Noch einmal sieht er sie an und entschließt sich. Langsam geht er den Hohlweg zwischen den Haselsträuchern hoch.
Er ist schon fast verschwunden, da dreht er sich noch einmal um. Er sieht nach ihr hin, er winkt ihr!
»Traute!« schreit er mit voller Kehle. »Traute, ich pfeif auf die Anständigkeit! Ich versuch’s noch mal! Und hundertmal! Ich habe dich nämlich – gern!«
Er verschwindet, nach nochmaligem lebhaftem Winken.