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ОглавлениеDie Tür zur Küche fliegt mit einem Ruck auf und sofort wieder knallend zu. Lola ist heimgekehrt von ihren Besorgungen im Dorf, und da sie Menschen und vor allem Männer gesehen, Neuigkeiten gehört und eine ganz große funkelnagelneue Neuigkeit verbreit hat, ist sie in allerbester Stimmung.
»Nanu, Itta!« ruft sie. »Hoher Besuch in der Küche? Was verschafft uns denn die Ehre?«
»Der Chef möchte nicht diktieren«, erklärt Ilse kurz.
»So?!« ruft Lola, und ihre runden Augen weiten sich vor Neugierde. »Hat er etwa?«
Und sie macht die Bewegung des Glaseinschenkens.
Da es sich vor Lola doch nicht wird verheimlichen lassen, gibt Ilse es zu.
»Ein bißchen«, sagt sie, und man merkt ihr wohl an, daß sie nicht gern davon spricht. »Aber nicht schlimm.«
Lolas Augen strahlen. Im Gegensatz zu den beiden andern freut sie das, wie sie eben jede Veränderung freut, sei sie auch dem Hause abträglich, für das Ilse und Traute sich immer verantwortlich fühlen.
»Es war mir doch gleich so, als ich aus dem Dorf zurückkam, als wenn er sänge! Wartet mal! Leise!«
Lola kehrt indessen auf Zehenspitzen zurück.
»Er hat das heulende Elend!« flüstert sie. »Er singt sein Farbenlied!«
Die beiden andern hören es auch, deutlich klingt aus dem Arbeitszimmer des Chefs der etwas weinerliche, rührselige Gesang des Angetrunkenen herüber. Sie kennen schon jedes Wort; während sie weiterarbeiten, wiederholen sich die Zeilen in ihnen, sie singen sie gewissermaßen lautlos mit. Jetzt:
›Schöne Welt, bunte Welt —
Lebend lieg ich im schwarzen Schrein –
Bunte Welt, schöne Welt —
Lebe tot in dir – ganz allein!‹
Wieder sehen sich Traute und Ilse rasch an, ein kurzer Blick des Verstehens. Trautes Lippen sind halb geöffnet, er rührt sie ja doch an, dieser rührselige Gesang. Sie ahnt etwas davon, wie verzweifelt der blinde Mann da drüben ist, dem vor anderthalb Jahren auch noch die Frau fortlief …
Und nun:
›Blau, Gelb, Grün Sind nun dahin!
Weiß, Rosa, Rot Sind für mich tot!
Alles Bunte starb, Schwarz allein blieb —
Warum holst du mich nicht – Dieb?!‹
Mit einem Ruck schließt Traute die Türen, dabei sieht sie Lola herausfordernd an, Lola ist immerhin ihre Vorgesetzte. Trotzdem sagt sie: »Es ist nicht anständig … Ich mag das auch nicht anhören …«
»Natürlich magst du das nicht!« sagt Lola, sofort bereit, durch einen Streit ›alles‹ aus Traute herauszulocken. »Nach solch schönem Bad ist man für alles andere natürlich nicht in Stimmung!«
»Lola!« sagt Ilse mahnend.
»Ach, sie soll sich bloß nicht so haben!« ruft Lola im plötzlichen Ärger der Schilddrüsenkranken. »So ein Getue kann einen ja krank machen! Plätte lieber deine Oberhemden ordentlich – da auf der Brust sind lauter Fältchen!«
Traute zieht es vor zu schweigen, sie weiß, Streiten mit Lola ist völlig sinnlos. So plättet sie lieber weiter.
Statt ihrer fragt Ilse: »Gab’s was Neues im Dorf?«
»Ach nichts!« antwortet Lola, noch ärgerlich. »Doch – dem alten Leege haben sie zwei Hühner totgefahren. Immer trifft’s gerade die Ärmsten! Ich habe ihm gleich drei Mark geschenkt!«
»Na, Lola«, sagt Ilse kritisch. »Das hattest du doch wahrhaftig nicht nötig! Gerade du, die nie mit ihrem Geld zurechtkommt!«
»Ich bin nun mal so!« erklärt sich Lola stolz. »Wir Bergfelds sind alle so – wir sind großzügig und schenken immer alles weg! – Und dann ist der Inspektor Senden aus Schlicht zweimal durchs Dorf gerast, puterrot – was der hier wohl bei uns zu suchen hat! Komisch, nicht?«
Traute setzt mit einem Krach das Plätteisen nieder.
»Du kannst den Leuten im Dorf erzählen, Lola«, ruft sie zornig, »daß sich Herr Senden mit mir getroffen hat! Übrigens hast du es ihnen natürlich längst geklatscht, denn daß du mir nachspioniert hast, habe ich den ganzen Weg gespürt!«
»Oh Traute!« ruft Lola sehr vergnügt. »Ist das wirklich wahr? Hast du aber Schwein! Senden, der beste Tänzer im ganzen Kreis, und sein Vater soll ja ein Rittergut in der Neumark haben!«
»So!« ruft Traute und wird immer zornröter. »Und du denkst natürlich, wenn der Herr Rittergutssohn Senden winkt, dann springt die Traute Kaiser gleich?! Aber ich bin nicht du, Lola! Ich habe ihm Bescheid gesagt – der fordert mich nicht noch einmal zu einem Stelldichein auf, und Briefe schreibt er mir bestimmt auch nicht wieder!«
Und jetzt ist sie es, die den beiden andern triumphierend ins Auge sieht.
»Ja, da staunt ihr!« ruft sie noch einmal.
Und sie fängt wütend wieder mit Plätten an.
Aber die beiden andern sind nicht gewillt, dieses brennend interessante Thema ohne weitere Diskussion aufzugeben. Vor allem fehlen noch alle Einzelheiten. Lola, in deren Kopf noch nie der Gedanke aufgetaucht ist, daß man einem passablen Manne irgend etwas abschlagen könnte, ruft: »Du sohlst ja, Traute! Uns kannst du nicht auf den Arm nehmen!«
Worauf Traute giftig erwidert: »Natürlich sohl ich! Wir haben uns die ganze Zeitlang abgeschleckt! Du mußt das doch gleich sehen!«
Aber Ilse sieht langsam von ihren Pahlerbsen zur plättenden Traute auf und sagt: »Traute, sag mal wirklich, warum hast du ihn denn so abfallen lassen? Er ist doch wirklich ein netter Kerl, der Senden. Und vor allem grundanständig!«
»Ach, laß doch, Itta!« bittet Traute.
Und Lola: »Glaubst du ihr etwa? Das ist doch alles bloß Angabe von Traute! Oder sie hat Angst, wir nehmen ihn ihr weg!«
»Stille biste!« ruft Ilse empört. »Mußt du denn ewig dazwischenschnattern?! Wir wollen deine Ansicht gar nicht hören!«
»Das ist ja wunderbar!« sagt Lola giftig. »Ich darf also in meiner eigenen Küche nicht mehr reden?! So was finde ich prima! Dann brauche ich ja hier auch nicht rumzustehen, dann könnt ihr meine Arbeit machen! Bitte schön!! Und so was nennt sich Freundinnen!«
Rumms! fliegt die eine Tür zu. Rumms! schlägt die nächste Tür zu. Holterdipolter geht es über die Treppe zum oberen Stockwerk. Fräulein Lola Bergfeld hat sich in ihre Privatgemächer zurückgezogen.
In der Küche herrscht tiefe Stille, nur unterbrochen von dem sanften Kullern der Erbsen in die Blechschüssel.
»Traute!« fragt Ilse nach einer langen Weile. »Magst du ihn denn gar nicht?«
»Ach, laß doch, Itta!«
»Nein, wirklich, ich möchte es so gerne wissen. Magst du ihn einfach nicht.«
»Ich weiß doch nicht! – Vielleicht könnte ich ihn sogar mögen, aber …«
»Aber was?«
»Ich will eben nicht, daß es so anfängt!«
»Wie denn anfängt?«
»Ach, du weißt doch – mit der Knutscherei und mit alldem.«
»Nein, das willst du nicht? Wie soll es denn anfangen? Es fängt doch bei allen so an!«
»Eben! – Aber bei mir soll es nicht so anfangen!«
»Wie soll es denn sein?«
»Ach, quäl mich doch nicht! Ich weiß doch auch nicht! Eben ganz anders müßte es sein …«
Kopfschüttelnd sagt Ilse: »Ich versteh wirklich nicht, was du meinst, Traute.«
»Ach, was ist denn da schon schwer zu verstehen?!« ruft Traute Kaiser aus und setzt das Plätteisen nun doch zurück auf den Asbestuntersatz. »Du weißt doch, wie die Männer sind, Itta! Nur danach sehen sie, und nur das wollen sie. Und der Senden wollte auch nur das … Aber so will ich es nicht! Das können die Männer bei jeder haben, dazu bin ich mir zu gut. Nur deswegen …«
»Aber …«, fängt Ilse an.
Doch jetzt ist Traute in Gang.
Sie sieht einen Augenblick Ilse starr an, als brennten ihr die Augen. Dann greift sie zum Bügeleisen, tut ein paar verlorene Striche über das Oberhemd und sagt nachdenklich: »Aber nur so rumprobieren – ist’s der eine nicht, ist’s der andere, und irgendeiner wird schließlich schon hängenbleiben bei solchem Massenverbrauch – nein, dafür danke ich! Wohin man damit kommt, das siehst du an der Lola!«
»Und an mir!« sagt Ilse trübsinnig.
»Ach!« ruft Traute. »Nun mußt du dich auch nicht schlechter machen, als du bist! Bei dir spricht doch immer das Herz mit – nur vielleicht«, sie zögert, dann aber sagt sie es doch, »nur spricht’s wohl gar zu leicht ›Ja‹. – Aber Lola, die ist doch bloß gemein …«
»Ich weiß nicht …«, sagt Ilse in Gedanken. »Es klingt alles ganz vernünftig, was du sagst. Aber ob man’s wirklich könnte? Ich verliebe mich immer wie der Blitz, und dann gibt es kein Halten mehr bei mir …«
Sie verstummte. Traute plättete jetzt wieder gleichmäßig, vielleicht hörte sie Ilse zu, vielleicht aber denkt sie auch nur an ihre eigenen Sorgen.
»Ich stecke so drin«, sagt Ilse wieder, »aber vielleicht könnte ich doch noch einmal wieder ganz von vorne anfangen? Was du eben gesagt hast, hat mir richtig einen Stoß gegeben! Und schlau bin ich jetzt, ich kenne die Männer – mich kriegt keiner mehr rum, wenn ich nicht will. Was meinst du, Traute, soll ich es noch einmal versuchen?«
»Vor allem mußt du mit dem Erich Mutzbach Schluß machen, Ilse!« sagt Traute plötzlich energisch. »Der führt dich bloß an der Nase herum!«
»Ach, der Erich!« meint Ilse und lächelt nun sogar, aber ein bißchen schief. »Was ihr bloß gegen den Erich habt! Ich weiß schon, er ist leichtsinnig – aber gerade darum! Der Erich zählt nicht bei mir!«
»Jetzt lügst du!« erklärt Traute mit Bestimmtheit. »Wenn ich mal nachts an deiner Zimmertür vorbeikomme und höre dich weinen, dann weiß ich, du weinst, weil der Erich dich mal wieder versetzt hat, oder weil er roh zu dir war …«
»Ach, was du schon weißt!« sagt Ilse schnippisch. »Der Erich ist mir ganz piepe. Den habe ich überhaupt nicht auf der Rechnung! – Nein«, sagt sie, »ich denke an ganz jemand anders, an den du nicht einmal im Traume denken würdest! Der würde mich vielleicht sogar heiraten, wenn ich es richtig anstellte … Dann wäre ich aus allem heraus und gut versorgt …«
»Magst du ihn denn?«
»Das ist es ja eben! Ich mag ihn nicht – sehr …«
»Das ist doch die Höhe!« ruft Traute empört. »Ich predige dir, ich will mich mit keinem ohne richtige Liebe einlassen, und du sagst noch eben, das hat dir einen Stoß versetzt – und nun willst du sogar jemanden heiraten, den du gar nicht leiden magst!«
»Das verstehst du nicht, Traute!« sagt Ilse entschieden. »Bei dir ist alles anders, du bist noch im Anfang, aber ich stecke schon mittendrin. Wenn ich noch rauskommen will, muß ich nehmen, was sich mir bietet, vor allem will ich endlich einmal Ruhe und Frieden haben! Und ich tu’s auch, ich tu’s noch heute abend! Ich habe alles über, ich will da raus! Jawohl, du hast mir einen Stoß versetzt, jetzt weiß ich, daß ich es tun muß! Du hast ganz recht, entweder erst gar nicht rein oder aber raus … Und ich komme auch raus – heute abend noch!«
· · ·
Ihre Augen leuchteten, unwillkürlich warf sie einen Blick auf die Küchenuhr, als wollte sie die entscheidende Stunde von ihr ablesen.
Sie fuhr zusammen. »Oh Gott, Traute, gleich halb sieben!
Schnell, setze dein Eisen fort, du mußt doch Abendessen fertig machen! Eigentlich ist das allerhand von der Lola, uns so einfach hier sitzen zu lassen und sich frei zu nehmen …«
Traute stand unentschlossen da.
Sie war gerade dabei, Kartoffeln zu braten, als die Tür aufging und Lola hereinkam, ziemlich verschlafen.
»Mich ruft natürlich keiner!« sagte sie vorwurfsvoll. »Das Abendessen muß doch gemacht werden!«
»Kinder, fangt nicht schon wieder an!« rief Ilse mahnend, »macht lieber das Abendessen fertig!«