Читать книгу Wer einmal aus dem Blechnapf frißt - Ханс Фаллада - Страница 10
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ОглавлениеAls Kufalt in seine Zelle kommt, hat er schon wieder Grund zum Ärger. Da haben sie unterdessen Essen ausgegeben und ihm seinen Eßnapf auf den Tisch gestellt, aber nur einen Schlag haben sie hineingetan! Hunde, die verdammten! Soll er Kohldampf schieben noch in den letzten Tagen? Und gerade Erbsen, die er so gerne ißt!
Aber als Kufalt dann sitzt und hastig löffelt – er muß schlingen, denn es kann jede Minute klingeln zur Freistunde der dritten Stufe –, widersteht ihm das Essen plötzlich. Das hat er ein paarmal gehabt in diesen Jahren: wochenlang, monatelang konnte er den breiigen Fraß nicht runterbringen.
So wühlt er nur appetitlos in der Schüssel, ob sich vielleicht ein Stückchen Schweinefleisch hinein verirrt hat – aber nichts.
Er kippt das Essen in den Kübel, macht die Schüssel sauber und schmiert sich einen Kanten mit Schmalz. Sein Schmalz schmeckt deftig, die Schneider braten es ihm unten auf dem Bügelofen mit Äpfeln und Zwiebeln aus. Zu ihm sind sie anständig, bei ihm nehmen sie nicht mehr als ein Viertel vom Pfund für ihre ›Arbeit‹, andere müssen die Hälfte oder gar drei Viertel geben, und wer grün ist, der kriegt überhaupt nichts zurück. Da hat es eben der Hauptwachtmeister beschlagnahmt. Die Schneider sind noch anständig gewesen und haben alle Schuld auf sich genommen. Erzählen die. Mach da schon was!
Kufalt hockt auf seinem Schemel und gähnt. Am liebsten haute er sich eine Weile aufs Bett, aber der Hauptwachtmeister kann jeden Augenblick an die Glocke schlagen, es wäre schon längst Zeit.
Wie sich die Zeit dehnt, diese letzten Tage und Wochen! Sie geht nicht hin, sie geht nicht hin, sie bleibt, sie klebt, sie geht nicht hin. Sonst hat er jede freie Minute gestrickt, aber er mag nicht mehr, nicht eine Masche mehr wird er denen stricken! Nichts mag er mehr. Auch nicht draußen sein. Sicher schreibt Werner überhaupt nicht, und dann darf er beim Pfaffen um Unterkunft betteln.
Das Beste wäre ein gutes sicheres Einkommen, es braucht nur klein zu sein, aber sicher. Nichts mehr von den Ganoven sehen, irgendwo ganz unauffällig hausen, ein gewisser, gleichgültiger Willi Kufalt, und man hat sein Zimmer und sitzt warm durch den Winter. Vielleicht mal Kino. Und nette Büroarbeit, und so weiter und so weiter. Er wünscht sich nichts Besseres. Amen.
Die Glocke schlägt an.
Er fährt hoch, greift nach Mütze und Halstuch, fühlt noch mal, ob der Schein fest im Strumpf sitzt – da macht schon Steinmetz die Tür auf: „Freistunde dritte Stufe!“
Unterm Glaskasten sammeln sie sich, elf Männlein von sechshundert.
„Seid ihr alle?“ fragt Petrow.
„Nein, Batzke fehlt noch.“
„Der pennt, muß extra geweckt werden.“
„Nein, der will nicht kommen.“
„Einen feinen Begriff kriegen die vorne. Die werden uns rasch wieder die Extrafreistunde abknöpfen, wenn sie sehen, daß wir nicht mal hingehen.“
„Wer hat den Fußball?“
„Einen neuen brauchen wir auch wieder. Den kann man nicht mehr flicken.“
„Halt's Maul, Schuster, gut ist der noch zu flicken, sei bloß nicht so faul!“
„Wenn die feinen Herren übermorgen rauskommen, können sie schon mal zehn Mark schmeißen von ihrer Arbeitsbelohnung.“
„Ich brauch' mein Geld für mich.“
„Nanu, Herr Oberwachtmeister, warum gehen wir denn heute durch den Keller?“
„Is sich näher.“
„Und verboten ist es auch.“
„Wer verboten? Gar nicht verboten!“
„Rusch!“
„Was der verbietet, ich hust' in die Hosen.“
„Da steht doch wer!“
„Mensch, Bruhn, kommst du mit uns mit?“
„Au fein, Emil, da können wir schön miteinander klöhnen.“
„Petrow hat mich rausgeschmuggelt, Rusch ist jetzt nicht im Bau. Fein, was, Willi?“
„Das gibt es gar nicht! Der ist noch nicht mal zweite Stufe! Herr Oberwachtmeister –!“
„Ich nichts sehen. Nicht wissen, wie Bruhn rausgekommen.“
„Hältst du den Sabbel, neidischer Hund! Gönnst das dem Bruhn wohl nicht, daß er ein einziges Mal mit uns rauskommt?“
„Stubben, dämlicher, wenn ich mal was will, gibst du an, noch und noch.“
„Bei Bruhn ist das anders, bei Bruhn sagt kein Wachtmeister was.“
„Anders – weil er dein Süßer ist, was? So was gibt's gar nicht, ich werde dir Lampen machen!“
„Tu's doch, wenn du's wagst! Ich weiß auch was von dir ...“
Sie sind draußen. Es ist der Freihof vom Jugendgefängnis, auf dem sie Fußball spielen und spazierengehen dürfen, ohne Aufsicht – Petrow hat sich schleunigst gedrückt –, als Vorbereitung für die Freiheit, allerdings von einer fünf Meter hohen Mauer umgeben.
„Komm, Willi, laß ihn doch reden, ich bin ja jetzt draußen.“
„Ja, komm. Wir gehen hier die Mauer lang, da stören wir sie nicht beim Spiel.“
„Dir muß man eine in die Fresse schlagen, du hochnäsiger Hund, du!“
„Schlag doch, schlag doch, wenn du Courage hast!“
„Das will ich dir beweisen, du Priemmaul, du elendes –!“
„Spielen wir nun Fußball oder nicht, Schuster –?“
„Viel zu elend bist du mir, hau bloß ab mit deinem Puppenjungen. Aber ich sag' es dem Rusch –!“
„Also komm endlich, Willi!“
„Dieser elende Schuster, Emil! Ich will dir auch sagen, warum er so stänkert. Meine beiden gelben Spatzen hab' ich ihm verkauft für vier Pakete Tabak. Und der Rusch hat es gerochen. Nun ist er die Vögel und den Tabak los. Darum ist er so giftig, nicht deinetwegen.“
„Wann kommt er raus, der Schuster? Der spinnt ja schon.“
„Und ob! Drei Jahre muß er noch abreißen. Aber er schmiert sich ja an jeden ran, den Beamten besohlt er heimlich die Schuhe, noch und noch, und jetzt will er ja auch wieder in die katholische Kirche eintreten, da kriegt er sicher Bewährungsfrist!“
„Ja, der kommt immer wieder raus, der versteht den Bogen.“
Sie gehen in der warmen Maisonne immer unter der Mauer auf und ab. Grün ist kein Gräserl, kein Zweig zu sehen, aber der Himmel ist schön blau, und nach den trüben Zellen ist die Sonne doppelt hell und warm. Sie wärmt bis in die Knochen, die Glieder werden schlaff und lässig, die immer gespannte, sprungfertige, abwehrbereite Stimmung entspannt sich, die beiden werden weich und ruhig.
„Du, Willi“, sagt der kleine Bruhn.
Er ist ein dicker, molliger Junge, erst achtundzwanzig, mit siebzehn in den Bau gekommen. Mit seinen hellblauen Augen, dem rosigen, vollen Gesicht, dem fast weißen Haar sieht er aus wie ein großes Kind. Auf seinem Schild in der Zelle steht aber ›Raubmord‹, und er hat auch die Höchststrafe für Jugendliche bekommen, damals noch fünfzehn Jahre. Doch nach so was sieht er nicht aus, er ist ein guter Junge, alle im Bau mögen ihn. Nie hat er sich angeschmiert, und doch mögen sie ihn.
Übrigens behauptet er, wenn er auf die Sache, sehr selten und sehr hilflos, zu sprechen kommt, daß er zu Unrecht verurteilt ist. Es war kein Raubmord, es war Totschlag, in Wut und Verzweiflung hat er seinen Kahnschiffer, der den Schiffsjungen Bruhn bis aufs Blut peinigte, erschlagen. Daß es ihm dann leid tat, mit dem toten Schiffer die goldene Uhr ins Wasser zu werfen, das steht seiner Ansicht nach auf einem anderen Blatt. Nicht um die Uhr hat er den erschlagen.
Da gehen die beiden jungen Leute, fünf Jahre und elf Jahre Knast haben Sie hinter sich, jetzt sind sie in der Sonne, und in zwei Tagen ist alles überstanden, und alles wird wieder gut.
„Du, Willi?“ fragt der kleine Bruhn.
„Ja, Emil?“
„Ich hab' dich schon in der Spülzelle gefragt: Willst du nicht hier bleiben? Hier am Ort, meine ich. Nein, sag noch nichts, ich denke mir, wir nehmen uns zusammen ein Zimmer, das wird billiger. – Und wenn du nicht gleich Arbeit kriegst, kochst du und wäschst und machst die Hausarbeit. Ich werd' gut verdienen. Und abends werfen wir uns fein in Schale und gehen aus.“
„Ich muß doch sehen, daß ich Arbeit kriege, Emil. Ich kann doch nicht ewig deine Hausarbeit machen.“
„Arbeit kriegst du. Nur so für den Anfang, dachte ich. Wenn du kräftiger wärst, würde ich dich in der Holzfabrik unterbringen, aber du mußt wohl Schreibkram machen oder so was ... Der Alte mag dich doch gerne, der besorgt dir sicher was.“
„Ach, der Direktor, der kann auch nicht, wie er möchte. Und dann, Emil, hier das kleine Nest, überall laufen die Wachtmeister rum und die blauen Jungens auf Außenarbeit und ewig hast du den Bunker vor Augen und nach drei Tagen wissen die Krimschen, woher du bist. Und dann schwatzt es sich rum und die Wirtin erfährt's und dir wird gekündigt ...“
„Wir gehen gleich zu einer, die's nicht stört.“
„Ach, das sind doch auch wieder solche, die wollen uns dann gleich hochnehmen.“
„Braucht nicht zu sein, Willi, glaub mir, braucht nicht zu sein. Es gibt auch andere. – Ich denk' immer, ich krieg' noch mal ein anständiges Mädel, nicht solch Nuttenpack, und heirate und werde Meister und hab' Kinder ...“
„Würdest du's ihr denn sagen?“
„Weiß nicht. Müßte man mal sehen. Aber besser nicht.“
„Aber du mußt es ihr sagen, Emil! Sonst hast du ja immer Angst, es kommt raus und sie läuft dir weg.“
Sie stehen in der vollen Sonne, sie sehen sich nicht an, sie sehen vor sich hin in den grauen Sand, Kufalt wühlt mit seinem Pantoffel darin.
Bruhn bittet noch einmal: „Also, Willi, mach, komm mit mir!“
Und Kufalt: „Nein. Nein. Nein. Das mit dir, Emil, wäre doch auch wieder Kittchen. Wir würden immer nur vom Bau reden und vom Knast. Nee, nicht.“
„Nein!“ sagt nun auch Bruhn.
„Man hat ja hier alles mitgemacht, und man hat schön mitgeschoben und beschissen und hat andere in die Pfanne gehauen und ist denen in den Arsch gekrochen, denen vorne, aber nun Schluß!“
„Ja“, sagt Bruhn.
„Und dann, wegen des anderen auch ... Weißt du, als ich auf der Penne war, auf der Schule, verstehst du, da habe ich 'ne Liebe gehabt, ganz von weitem, wir haben höchstens zweimal miteinander gesprochen, und einmal hab' ich gesehen, wie sie ihr Strumpfband wieder festmachte in den Anlagen. Das war damals, als die Mädchen noch lange Röcke trugen, weißt du ...“
„Ja“, sagt Bruhn.
„Aber das war nichts gegen das erste Jahr hier, als du mir gegenüber auf der anderen Seite die Zelle hattest und ich sah dich morgens. Du hattest nur Hemd und Hose an und setztest den Kübel raus und den Wasserkrug. Und dein Hemd stand offen über der Brust. Dann fingst du an, mir zuzulächeln, und ich hab' immer auf das Schließen gewartet, ob ich dich zu sehen kriegte ... Und dann schicktest du mir den ersten Kassiber ...“
„Ja“, sagt Bruhn, „das war damals noch durch den langen Kalfaktor, den Tietjen, der wegen Raub saß. Der war stiekum, der machte es selber so.“
„Und dann das erstemal, als du im Duschraum, wie der Wachtmeister sich umdrehte, zu mir unter meine Dusche krochst und wie du dich immer hinter dem Schirm verstecktest, wenn der linste ... Gott, es waren doch manchmal schöne Zeiten hier im alten Bau ...“
„Ja“, sagt Bruhn, „aber ein Mädchen ist doch besser.“
Kufalt besinnt sich: „Siehst du, darum hab' ich mich daran erinnert: wenn wir beide zusammen wären, es ginge gleich wieder los wie früher ...“
„Nein“, sagt Bruhn. „Nicht, wenn Mädchen da sind.“
„Doch“, sagt Kufalt. „Und es soll alles vorbei sein. So schön es gewesen ist, es soll alles vorbei sein. Jetzt geht es ganz neu los, und ich will genau so sein wie alle anderen.“
„Also du gehst bestimmt nach Hamburg?“
„Nach Hamburg, ja, da fragt keiner nach mir.“
„Na schön, bleib bloß fest in Hamburg, Willi. – Gehen wir noch ein Stück?“
„Ja, gehen wir, die Sonne ist schon richtig heiß.“
Der kleine Bruhn sagt: „Dann werde ich also mit Krüger zusammenziehen. Der kommt am 16. Mai raus.“
Kufalt fragt erschrocken: „Hast du den jetzt, Emil? Der ist aber nicht gut.“
„Nein, ich weiß. Er klaut uns noch immer unseren Tabak. Und er hat drei Strafen, weil er Arbeitskollegen bemaust hat.“
„Na also!“
„Aber was soll ich machen? Einen muß ich haben, ganz allein halt' ich's nicht aus. Und die meisten wollen draußen nichts von mir wissen, von wegen Raubmord, weißt du.“
„Aber nicht gerade mit Krüger!“
„Wer kommt denn schon mit mir! Du hast doch auch nein gesagt.“
„Aber doch nicht darum, Emil!“
„Und ich muß auch jemanden haben, der mir hilft, Willi. Ich bin doch elf Jahre im Bunker, ich weiß doch von nichts, Mensch. Manchmal habe ich direkt Angst, ich denke, ich mach' was falsch, und es geht gleich wieder schief und ich sitz' mein' Lebtag drin.“
„Schon darum ginge ich nicht mit Krüger.“
„Also zieh du zu mir.“
„Nein. Ich kann nicht. Ich will nach Hamburg.“
„Dann nehme ich Krüger.“
Eine Weile gehen sie stumm nebeneinander. Dann sagt Bruhn: „Ich muß dich auch noch was fragen, Willi. Du weißt doch mit solchen Sachen Bescheid ...“
„Mit was für Sachen?“
„Mit Geld. Mit Sparkassenbüchern.“
„Ein bißchen. Vielleicht.“
„Wenn jemand – also einer hat ein Sparkassenbuch auf meinen Namen und er hat auch die Marke dazu, kann er da Geld abheben darauf? Nicht wahr, das kann er doch nicht?“
„Meistens wird er's können, wenn das Sparbuch nicht gerade gesperrt ist oder es ist Kündigung ausgemacht Meistens kann er's. Hast du ein Sparbuch?“
„Ja. Nein. Es ist eins angelegt worden für mich ...“
„Vor deinem Knast?“
„Nein, hier ...“
„Quatsch dich rein aus, Emil, ich halt' schon den Sabbel. Vielleicht kann ich dir was helfen?“
„Ich hab' doch immer in Schuppen drei gearbeitet, erst bei den Möbeltischlern und nachher für die Firma Steguweit die Geflügelställe ...“
„Ja?“
„Und dann hat doch Steguweit auf der Großen Geflügelausstellung die goldene Medaille gekriegt auf seine Fallennester und mußte liefern, noch und noch. Und damit wir ordentlich was fertig kriegten, haben seine Werkmeister uns heimlich Tabak zugesteckt. Das war damals, als im Bau überhaupt noch nicht geraucht werden durfte.“
„Vor meiner Zeit ...“
„Ja, und dann kam es raus, es gab einen Riesenkrach, und mit dem Tabak war es alle. Aber sie hatten sich was anderes ausgedacht. Wir hatten ja nun keine Lust mehr, uns das Leder von den Händen zu arbeiten, bloß damit Steguweit Geld verdiente, und schlugen so Nest für Nest zusammen, gerade, daß der Tag hinging. Und da kamen dann die Werkmeister und sagten: ›Jungens, für jedes Nest, das ihr über fünfzehn abliefert pro Tag und Mann, kriegt ihr zwanzig Pfennig. Und das Geld wird für jeden von euch eingezahlt auf ein Sparkassenbuch mit seinem Namen. Und wenn ihr entlassen seid, dann kommt ihr zu uns und holt euch das Geld ab.‹“
„Saubere Sache das! Da wurden Nester fertig?“
„Mensch, ich sage dir! Wir haben Tage gehabt, da haben wir zweiunddreißig, ja, fünfunddreißig pro Nase extra abgeliefert. Na, es war auch Schinderei, meine Pfoten hättest du sehen sollen, das hat was gekostet!“
„Und das Geld ist richtig für dich eingezahlt?“
„Klar. Im ersten Jahre waren schon über zweihundert Mark da. Und im nächsten machte es noch mehr. Jetzt müssen's schon weit über tausend sein.“
„Na, nun verlang doch das Sparbuch. Nimm's ihm einfach weg, wenn er's dir zeigt.“
„Ja, jetzt zeigt er es doch nicht mehr. Ist zu gefährlich, sagt er, riecht sauer, sagt er. Da sind doch eine Masse Leute rausgekommen in der Zeit, und manche haben Krach gemacht und sind zum Direktor gelaufen, weil es zu wenig ist. Und Steguweit hat zum Direktor gesagt, das alles ist Scheißhausparole, so was wie Sparbücher gibt es natürlich überhaupt nicht, weil es nicht zulässig ist vor dem Gesetz, daß Gefangene sich Geld extra verdienen.“
„Es sind doch sicher welche von den Entlassenen wieder reingekommen in der Zeit in den Bau, was haben die denn erzählt?“
„Welche sind, die hat der Steguweit gefragt, wenn sie zu ihm gekommen sind, ob sie träumen, er weiß von Sparbüchern nichts. Und wenn sie gemein geworden sind, dann hat er mit der Polizei gedroht. Manchen, die sehr gebettelt haben, hat er auch zwanzig Mark gegeben und manchen fünfzig, aber was ist das gegen die vielen Hunderter, die sie zu kriegen hatten? Ich hab' allerdings das meiste, ich bin von Anfang an dabei.“
„Und was sagen die Werkmeister?“
„Daß die Kerls schwindeln. Daß die ihr Geld gekriegt haben und daß sie es nur nicht wahrhaben wollen, weil sie es gleich versoffen und verhurt haben.“
„Möglich ist das ja. Das sind doch alles Scheißer, die wieder reinkommen in den Bunker. Aber warum zeigen sie dir das Buch dann nicht? Das ist doch Schwindel, daß sie Angst haben! Du müßtest den Steguweit anzeigen. Aber nee, das ist auch nichts, das laß lieber. Nachher kriegst du noch Knast wegen Erpressung wie der Sethe da an der Mauer.“
„Der hat doch was mit dem Küchenmeister gehabt?“
„Ja. Laß schon, ich seh' rot, wenn ich daran denke. Der käme auch übermorgen raus und muß noch drei Monate abreißen, weil ich den Sabbel nicht gehalten habe. Der brächte mich am liebsten um. Na, laß schon ...“
„Ich hab' gedacht“, sagt der kleine Bruhn, „ich geh' am schlausten zum Alten. Der ist doch ein netter Kerl und hilft uns, wenn er kann.“
„Freilich, wenn er kann. Er kann nur nicht, wie er will.“
„Warum soll er nicht können? Er braucht nur jeden Gefangenen in Schuppen drei zu fragen, dann hört er, daß ich die Wahrheit sage.“
„Und wenn er dir auch glaubt, er kann gar nichts machen, Das ist doch was Verbotenes, das Spargeld, und er kann dir doch nicht zu was Verbotenem verhelfen! – Sieh mal, da ist die Sache von dem ollen Sethe drüben, die war ganz sauber, und doch schiebt der Olle Knast dafür noch ein Vierteljahr.“
Sie stehen in einem Winkel. Die Fußballspieler sind müde geworden, liegen an der Mauer in der Sonne, schlafen und rauchen. „Rauchen auch wieder, die Äster“, murrt Kufalt. „Wissen, daß es verboten ist hier vorm Jugendgefängnis, Na, laß sie, übermorgen bin ich in der vierten Stufe, da kann mir piepe sein, was aus der dritten wird. – Also, der olle Sethe, der war Kartoffelschäler für die Küche und saß seine sechs oder acht Jahre im Kartoffelkeller und schälte Kartoffeln. Und jeden Monat einmal meldete er sich zum Arbeitsinspektor, er bäte um andere Arbeit, er wäre nun lange genug im Kartoffelkeller gewesen, möchte auch mal an die Luft. Und immer wurde sein Gesuch abgelehnt. Schließlich kommt er dahinter, daß es der Küchenmeister ist, der den Arbeitsinspektor aufputscht, er soll ihn nicht aus dem Kartoffelkeller rauslassen. Weil Sethe nämlich so viel schafft wie sonst zwei Kartoffelschäler. Das hast du vom vielen Arbeiten hier im Bau.“
„Richtig.“
„Und er fleht den dicken, vollgefressenen Küchenbullen an, er soll ihn doch rauslassen, er wird trübsinnig in dem nassen, dunklen Keller, und der sagt: ja, ja, nur noch dies Vierteljahr, und im Frühjahr soll er zu den Gärtnern kommen. Und dann wieder nicht und wieder nicht, bis dem ollen Sethe die Geduld reißt.
Der weiß doch eine ganze Menge aus der Küche, und so weiß er auch, daß der Küchenmeister sich jeden Mittwoch und Sonnabend seine fünf, sechs Pfund Fleisch unter die Weste steckt und nach Hause schleppt. Und dann dürfen die Beamten sich doch Hobelspäne holen aus der Tischlerei, in einem Sack auf dem Handwägelchen, zum Feuer anmachen. Aber im Sack vom Küchenmeister sind oben Späne, und unten drin sind Erbsen und Linsen und Graupen und Grieß. Aber das beste ist: meistens muß ausgerechnet der olle Sethe dem Dicken das Handwägelchen nach Hause ziehen.
Na, der Sethe überlegt sich hin und her, wie er es machen soll, daß er den Küchenmeister absägt und ein anderer kommt und er aus dem Keller. Schließlich erzählt er mir den ganzen Quatsch und fragt: ›Kufalt, was soll ich machen?‹ Und ich sage ihm: ›Sethe, die Sache ist klar wie Kuhkäse, mit der Scheiße gehen wir zum Direktor.‹ Und er sagt: ›Zum Alten! Auf keinen Fall! Da schussele ich rein!‹ Und ich sage: ›Wie kannst du da reinschusseln, der Quatsch ist klar, wir drehen das Ding so, daß du nicht reinfallen kannst.‹ Und er zu mir: ›Ich wollte Gott, ich hätte dir nichts gesagt, ich falle rein, du bist ja grün.‹ Und ich zu ihm: ›Ich bin nicht grün, aber du bist in einer Woche bei den Gärtnern.‹ Und melde mich zum Direktor.
Denn eine schöne Wut hatte ich im Bauch auf das fette Schwein von Küchenmeister. Uns armen Gefangenen, die Kohldampf schieben, frißt so ein Speckjäger noch das bißchen Fleisch weg!“
„Und was sagt der Alte?“
„Der Direktor hört sich also die Geschichte an und wiegt seinen ollen Glatzkopf hin und her und sagt: ›So ist das also. Gehört habe ich auch schon davon, aber wie es im einzelnen zuging, das wußte ich noch nicht.‹ Und ich sagte ihm: ›Ja, nun darf aber der Sethe nicht reinfallen. Wenn Herr Direktor sich vielleicht am nächsten Mittwoch oder Sonnabend um sechs Uhr am Tor aufhalten wird? Da kommt der Küchenmeister mit seinem Handwagen mit Spänen drauf und Sethe vorneweg. Und kneift Sethe die Augen zu, so ist diesmal wirklich nur Holzzeug im Sack, und läßt er die Augen offen, so greifen Sie zu und haben den Speckjäger.‹ – ›Ja‹, sagt der Direktor, ›das haben Sie sich gut ausgedacht, das machen wir. Und ich danke Ihnen auch, Kufalt.‹
›Na‹, sage ich zu Sethe, ›die Sache ist in Butter.‹ Und er freut sich auch. Aber am nächsten Mittwoch sagt er: ›Der Direktor war nicht da, und drei Büchsen Corned beef waren im Sack!‹ Und am Sonnabend sagt er: ›Die haben dem Küchenmeister die Sache verpfiffen, der ist ganz anders zu mir.‹
Und wie der Kram zum Klappen kommt, kriegt der Sethe eine Anklage wegen Beamtenbeleidigung in die Zelle. Und die Köche stehen wie ein Mann da und schwören, daß sie nie gesehen haben, daß der Küchenmeister sich Fleisch genommen hat oder Erbsen und daß das auch gar nicht möglich ist, und ol Vadder Sethe hat drei Monate Knast weg. Übermorgen wäre er sonst rausgekommen.“
„Aber vielleicht hat er wirklich geschwindelt. Warum soll der Direktor so was machen?“
„Das hat doch nicht der Direktor gemacht, das hat doch die Beamtenkonferenz gemacht. Das geht doch nicht, daß ein alter Beamter von einem Gefangenen reingelegt wird! – Sei du vernünftig, mach es, wie ich es dir gesagt habe, und geh nicht zum Direktor.“
„Ich weiß nicht, Willi. Bei mir ist das doch anders.“
„Natürlich ist es anders bei dir. Aber das gleiche ist, daß der ein Verbrecher ist und du auch, und uns wird schon von vornherein gar nichts geglaubt. Mach es, wie ich es dir gesagt habe. Halt die Klappe und sei froh, wenn du draußen bist und Arbeit hast!“
„Wenn du wirklich meinst, Willi?“
„Natürlich meine ich das. Ich mach' es auch nicht anders, Emil!“