Читать книгу Wer einmal aus dem Blechnapf frißt - Ханс Фаллада - Страница 26

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Er muß sehr fest geschlafen haben. Als er aufwacht, sieht er, daß – mit dem Rücken gegen ihn – eine kurze fette Gestalt an seinem Schränkchen steht, in Uniform, mit einem dicken, kurzgeschorenen Schädel darüber: der Hauptwachtmeister Rusch.

Er hat das Gesangbuch in der Hand. Nun faßt er es bei beiden Deckeln, schüttelt es – und nichts fällt zur Erde. Dann schaut Rusch durch die Rückenhöhlung.

Er legt das Gesangbuch in den Schrank zurück und kriegt die Bibel vor.

Kufalt denkt: ›Such du nur!‹ und bleibt liegen, mit offenen Augen.

Der Hauptwachtmeister schließt die Schranktür und geht an den Tisch. Er macht eine tiefe Kniebeuge und sieht unter die Tischplatte. Als er sich wieder aufrichten will, begegnet sein Blick dem des Gefangenen. Aber der Hauptwachtmeister hat sich in der Gewalt. Er geht gegen das Bett: „Schlafen! Schlafen! Heller Tag! Arbeiten!“

„Die haben mir ja die Arbeit fortgeholt“, sagt Kufalt.

„Scheuern! Rein machen! Wienern! Tischplatte ist ganz schietig! Drunter! Drunter!“

„Mach' ich, Herr Hauptwachtmeister. Mach' ich, mach' den Tisch auch von unten reine!“ sagt Kufalt und eilt zum Tisch.

„Halt! Wann haben Sie Post gehabt?“

„Wann –? Ja, das ist lange her, Herr Hauptwachtmeister. Warten Sie ...“

„Heute keinen Brief bekommen?“

„Nee. Ist ein Brief für mich da? Au fein, der ist von meinem Schwager, der schickt Geld.“

„So!!!“ sagt der Hauptwachtmeister, betrachtet sich noch einmal seinen Gefangenen und murrt: „Wienern! Scheuern! Rein machen! Bett hoch machen!“ Und geht aus der Zelle.

„Und mein Brief?“ ruft Kufalt, aber der Hauptwachtmeister ist schon fort.

So stürzt er sich wirklich über den Tisch, er hat noch nie daran gedacht, daß man den auch von unten rein machen könnte. Und als er damit fertig ist, hängt er sein Schränkchen ab und scheuert die Rückwand.

Er ist gerade dabei, als er merkt, daß ein ungewohnter Lärm durchs Haus geht. In allen Stationen wird Zelle um Zelle aufgeschlossen, etwas hineingerufen – Kufalt springt auf und lauscht. Aber er versteht nicht, bis er das Wort ›Brief‹ hört, dann ›falscher‹, er grinst.

Näher und näher kommt seiner Zelle das Gerassel, nun sind sie in der Zelle nebenan, und nun ...

Seine Tür geht auf, ein Wachtmeister steckt den Kopf rein: „Ist hier ein falscher Brief ... ach so, Sie sind das Kufalt, nee, ist schon alles in Ordnung.“

„Was ist denn los, Herr Wachtmeister?“

Der ist schon weiter.

Als Kufalt aber seinen Schrank sauber hat, stellt sich die Notwendigkeit heraus, den Zellenboden neu zu wienern. Er hat stramm zu tun. Der Bau ist voll von den leisen, gedämpften Taggeräuschen, die Eisenstange eines Netzestrickers klirrt, ein Kübeldeckel klappert, einer fängt an zu pfeifen und bricht rasch ab, ein paar Rollen Strickgarn werden vor einer Nachbarzelle abgeworfen. Von der hochstehenden Sonne wird seine Zelle ganz hell.

›Neugierig bin ich doch, was die tun werden.‹

Es ist schon bald Abendessenszeit, also nach fünf, als seine Zellentür sich wieder öffnet. Drei Mann hoch treten sie ein: Polizeiinspektor, Pfarrer und Hauptwachtmeister. Die Tür wird sorgsam angezogen. Kufalt stellt sich unter das Fenster mit dem Gesicht gegen die Beamten und wartet.

Der Pfarrer spricht zuerst: „Kufalt, hören Sie. Es ist da ein Versehen vorgekommen, es wird sich noch aufklären. Heute ist ein Brief eingegangen für Sie ...“

„Ja, ich weiß. Herr Hauptwachtmeister hat mir schon gesagt. Von meinem Schwager, mit Geld.“

„Hab nichts gesagt“, grollt der Hauptwachtmeister. „Lügst. Gar nichts. Sie haben's gesagt.“

„Nein, nicht mit Geld, mein lieber, junger Freund. Es war – ein Schlüssel darin.“

„So?“ fragt Kufalt gedehnt. „Darf ich den Brief haben –?“

„Das ist es eben. Der Brief ist verlegt. Er wird sich wieder anfinden. Aber Sie gehen morgen schon ab ...“

„Verlegt?“ fragt Kufalt. „Hier verschwindet doch nichts? Warum soll ich das Geld nicht haben? Herr Polizeiinspektor, der Direktor hat auch angeordnet, daß ich meine Arbeitsbelohnung voll ausbezahlt bekomme, und die von der Abfertigung wollen mir nur sechs Mark geben. Das ist doch ungerecht. Wenn Herr Direktor es anordnet ...“

„Nun, nun, Kufalt, immer ruhig! Darüber ließe sich vielleicht reden. Aber ...“

„Aber das Geld von meinem Schwager, das ist mein Geld! Das müssen Sie mir aushändigen. Warum wollen Sie mir den Brief nicht geben –?“

„Kufalt“, sagt der Hauptwachtmeister, „mach kein Quatsch! Es ist kein Geld darin gewesen. Der Pastor weiß es bestimmt. Der Brief ist mir weggekommen.“

„Ich hatte Ihren Brief gerade gelesen“, sagt nun wieder der Pastor. „Ihr Schwager schrieb Ihnen gar nicht selbst, er ließ Ihnen durch seinen Prokuristen sagen, er könnte Ihnen nicht helfen. Und Geld wollte er Ihnen auch nicht geben, Sie hätten ja Ihre Arbeitsbelohnung ...“

„Die soll ich ja auch nicht kriegen.“

„Aber Ihr Schwager schickt Ihnen einen Teil Ihrer Sachen. Das andere können Sie später haben.“

„Ich hab' mich erkundigt, Kufalt. Ihr Koffer ist schon da. Sie können ihn ausnahmsweise heute nach Einschluß einsehen, wir lassen ihn in Ihrer Gegenwart aufmachen. Der Hausvater bleibt extra Ihretwegen hier.“ Der Polizeiinspektor ist so sanft ...

„Kufalt“, sagt der Hauptwachtmeister, „der Brief ist wirklich weg. Wenn Sie darauf bestehen, muß der Polizeiinspektor eine Meldung schreiben und ich bin haftbar.“

Der Polizeiinspektor sagt: „Sie sind doch ein Mann von Bildung und Verstand, Kufalt. Warum wollen Sie dem Herrn Rusch Schwierigkeiten machen? Versehen kommen überall vor.“ Kufalt sieht sich die drei an. Er sagt: „Und wie mir beim Baden meine Strümpfe geklaut wurden, da kriegt ich drei Tage Entziehung der warmen Kost und mußte sie von meiner Arbeitsbelohnung bezahlen, nicht? Das haben Sie damals angeordnet, Herr Inspektor! Warum soll denn Rusch ohne Strafe ausgehen, wenn er sich Briefe klauen läßt?“

Alle drei sind bei dem nackten ›Rusch‹ zusammengezuckt.

Dann sagt der Pastor: „Man muß auch verzeihen können, lieber Kufalt. Sie werden auch Fehler machen und der Verzeihung bedürfen.“

Aber nun ist es bei Kufalt alle. Er schreit wütend: „Gehen Sie raus aus meiner Zelle, Herr Pastor! Gehen Sie raus! Ich schlag' alles in den Klump. Und Sie, Herr Inspektor, gehen Sie auch raus!“

„Ich finde, Sie werden unverschämt ...“ bricht der Inspektor los.

Und der Pastor: „Schämen Sie sich, Kufalt ...“

Aber Rusch ist energisch: „Bitte doch, bitte!“

Sie gehen. Gehen mit bösen Blicken. Und sind weg.

Kufalt steht da und sieht die Tür an. Er ist immer noch wütend, er hat rot gesehen, er sagt hastig: „Warum bringen Sie die mit, Herr Hauptwachtmeister? Solche Lügner wie die. Das macht mich wild, wenn ich die Schleicher nur sehe! – Sie haben mir nie was vorgemacht, Herr Hauptwachtmeister, versprechen Sie mir, daß ich morgen meine Arbeitsbelohnung voll ausbezahlt kriege?“

„Versprech' ich dir, Kufalt.“

„Geben Sie den Zettel her, ich unterschreibe, daß ich den Brief bekommen habe.“

Der Hauptwachtmeister gibt den Zettel nicht her, er denkt nach:

„Woher wissen Sie denn, daß es ein Einschreibebrief war, Kufalt?“

„Na, mein Schwager wird doch einen Schlüssel nicht in einem einfachen Brief schicken!“

Rusch denkt immer noch nach.

Kufalt setzt fort: „Wo sogar Einschreibebriefe verschwinden –?“

Der Hauptwachtmeister zieht den Zettel aus der Tasche: „Kufalt, bist en Aas. Na, unterschreib schon. Kriegst dein Geld – trotzdem.“

Wer einmal aus dem Blechnapf frißt

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