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9.

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An der Theke wirtschaftete die rote Jule. Nur zeitweise bediente sie mit. Der Kommissar beobachtete sie unausgesetzt, jedoch so, dass sein Tischnachbar nichts davon merken konnte.

Auch die übrigen Gäste wurden von ihm scharf ins Auge gefasst. Sein Kollege sass mit zwei finsteren Gesellen in einer Nische zusammen, bei denen sich auch ein Frauenzimmer befand. Das Radio war angestellt und kreischte überlaut in den Raum. Dichter Rauch stieg zur Decke. Er ballte sich in den Höhlungen des Gewölbes zusammen.

Es ging auf Mitternacht zu. Einige Gäste liessen es sich nicht nehmen, alle möglichen Kunstfertigkeiten zum Besten zu geben. Augenblicklich verrenkte sich in der Mitte des Raumes ein Schlangenmensch. Nur wenige beachteten ihn. Als er dann aber mit einem Blechteller bei den Leuten herumging, warf ihm jeder eine Münze hinein.

Eine fette, abgetakelte Sängerin bellte ein Liebeslied und verdrehte die Augen dabei, dass es einem Angst werden konnte. Anschliessend führte ein geschmeidiges Paar einen Apachentanz vor, wobei der Mann ein blankes Messer zwischen den Zähnen hielt.

Berreux kannte dieses Milieu zur Genüge, um noch erstaunt zu sein. Er sah mit derselben übersättigten Miene zu, wie all die anderen. Niemand schöpfte Verdacht.

Langsam erhob er sich, ging von Tisch zu Tisch und bot seine Streichhölzer an. Das tat er mit einer Geste, als ob er bereits jahrzehntelang gar nichts anderes mehr getrieben hätte. In dieser Beziehung war er ein schauspielerisches Genie.

Während er so die Runde machte, beobachtete er alle Gäste auf das genaueste. Er setzte eine derartig bemitleidenswerte Miene auf, dass man ihn hier und da bat, am Tisch Platz zu nehmen und einen Absynth oder sonst etwas Stärkendes hinter die Binde zu giessen.

Er nutzte diese Möglichkeit weidlich aus. Ueberall spitzte er seine Ohren, überall wusste er das Gespräch bald geschickt auf den Fall Didier überzuleiten.

Er bemerkte zu seiner Befriedigung, dass die meisten tatsächlich mit Abscheu von dem Chauffeurmörder sprachen. Viele von ihnen schienen selbst nach ihm Umschau halten zu wollen, natürlich nur um der hohen Belohnung willen, die auf die Ergreifung des Mörders ausgesetzt worden war. Einigen fiel es auf, dass sich Gaston Solfour nicht mehr blicken liess. Dadurch kam er auch hier unter diesen Menschen schon in Verdacht. Einige blinzelten immer wieder zu der roten Jule hinüber, von der man wusste, dass sie mit ihm befreundet war. Einer wollte sogar schon wissen, dass die Kellnerin von der Polizei auf Schritt und Tritt beobachtet werde, was Berreux auch tatsächlich veranlasst hatte. In ihrem Zimmer hielt man sogar bereits — ohne ihr Wissen — eine genaue Durchsuchung ab. Dabei fand man auch mehrere ausgeplünderte Damenhandtaschen. Eine Verhaftung der Jule nahmen jedoch die Beamten auf Berreux’ Weisung hin vorläufig noch nicht vor. Selbst von einer Vernehmung dieser Person sah man ab. Man wollte sie noch in Sicherheit wiegen. Jeder Eingriff hätte ihren Verdacht erweckt.

So aber konnte man hoffen, dass Gaston über kurz oder lang doch wieder bei ihr vorsprach — und dann hatte man ihn.

Uebrigens tat sie wirklich ganz unbefangen. Verstellte sie sich etwa nur?

Sieh mal an — da kam sie ja wieder mal unter die Gäste, um dem Kellner den augenblicklichen Andrang bewältigen zu helfen. Sie trat auch an den Tisch, an dem der Kommissar gerade sass, stellte ein Bier hin, gab einem der beiden jungen Leute, zwischen denen Berreux sass, einen Klaps auf die Schulter.

„Nun, mon petit, was macht das Geschäft?“ fragte sie übermütig und wiegte sich in den Hüften. Berreux konnte sie jetzt genau mustern. Sie war eher hässlich als hübsch zu nennen. Zwei grosse Pferdezähne sprangen aus ihrem Oberkiefer hervor, von denen der eine einen protzigen Goldüberzug trug. Die Nase war plattgedrückt, und eine grosse Narbe glühte auf ihrer Wange. In den Ohren trug sie zwei geschmacklose Messingringe, ihr Haar war struppig und ungepflegt. In den grellen Augen lag ein unergründliches Flimmern, das sie auch durch ein unentwegtes nervöses Blinkern nicht verbergen konnte.

Im Gegensatz zu ihrem hässlichen Aeusseren stand ihre schlanke Figur, die ihr trotz allem eine gewisse Anmut verlieh.

Der von ihr so vertraulich Behandelte nahm ihre blasse Hand und zog sie zu sich heran. „Ah! Jule! Sag mal, wo steckt denn dein Liebster eigentlich jetzt? Der lässt sich ja gar nicht mehr blicken? Hat er mal wieder was ausgefressen?“

Sie setzte sich dem Mann auf den Schoss, nahm, ohne zu fragen, sein Glas und leerte es mit einem einzigen kräftigen Zug. „Was sagst du? Mein Liebster? Wer soll denn das sein?“

„Na, der Gaston natürlich. Ihr stecktet doch immer die Köpfe zusammen.“

Sie stiess ein hässliches Lachen aus. Es klang wie ein Piccicato auf einem verstimmten Instrument. „Höhöhö — spuck dir man nicht auf den Schlips, du! Bist wohl eifersüchtig, mein Junge, was?“

„Warum redest du um die Sache herum? Wir wissen doch alle, was es geschlagen hat.“

Sie gab ihm im Scherz eine Maulschelle. „Siehst du — das hat es geschlagen. Und nun rutscht mir alle den Buckel herunter. Wiedersehen, meine Herren!“

Schon sprang sie mit leichten Schritten davon. Alle lachten. Auch Berreux stimmte mit ein.

„Eine verfluchte Hexe!“ meinte sein Nachbar zur Linken, auf dessen Schoss sie gesessen hatte, „aus der kriegt kein Deuwel was ’raus.“

Berreux hatte doch etwas herausbekommen. Er hatte, als der Name Gaston fiel, ein Zucken um ihre Augenlider bemerkt, das ihm zu denken gab. Auch den überlegen spöttischen Ton, in dem sie den anderen ihre Abfuhr gab, wusste er sich auf seine eigene Art zu deuten. Sie musste etwas von Gaston wissen. Sie musste mit ihm noch irgendwie in Verbindung stehen.

In diesem Augenblick war Berreux überzeugt, dass er des Mannes bald habhaft sein würde.

Taxi 303

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