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1.5 Brandschutz als System
ОглавлениеBrandschutzals SystemBrandschutz wird heute allgemein verstanden als die Summe aller Maßnahmen, die geeignet sind, das Auftreten von Schadenfeuern zu verhindern und die Folgen von Bränden zu mindern. Nachdem historisch, wie oben unter Punkt 1.1 dargestellt, wesentlich Maßnahmen des Vorbeugenden Baulichen Brandschutzes, bzw. Maßnahmen des Abwehrenden Brandschutzes im Vordergrund standen, kam Anfang des 19. Jahrhunderts der heute so genannte Betriebliche BrandschutzBrandschutzBetrieblicher hinzu (gelegentlich auch Organisatorischer Brandschutz genannt, siehe aber Abbildung 1-4). Dieser umfasst betriebliche Maßnahmen, wie die Beauftragung von Einzelpersonen mit der Aufrechterhaltung und der Überwachung von Brandschutzmaßnahmen, der Erarbeitung von Notfallplanungen und der Ausbildung von Mitarbeitern über das Verhalten im Brandfall und das Bekämpfen von Bränden durch Mitarbeiter. Historisch hat der Betriebliche Brandschutz seine Wurzeln schon um 1830 in der Einrichtung von „Fabrikfeuerwehren“ aufgrund der gewachsenen Erkenntnis, dass der betriebliche Aufwand für die Unterweisung von Mitarbeitern über das Verhalten im Brandfall und zur Erstbekämpfung von Schadenfeuern sehr wohl auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll ist. Diese Fabrikfeuerwehren sind die Vorläufer der heutigen WerkfeuerwehrenWerkfeuerwehrenVorläufer der und Betriebsfeuerwehren BetriebsfeuerwehrenVorläufer der(siehe Kapitel 2). Erste betriebliche Brandschutzordnungen Brandschutzordnungbetriebliche– heute inhaltlich in DIN 14096 beschrieben ([1.53]) – sind seit 1870 bekannt (Grönke [1.54], Lucke [1.55]).
Bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind erste Maßnahmen des heute so genannten Anlagetechnischen Brandschutzes (siehe Punkte 1.6 und 1.8) bekannt. Diese Maßnahmen, die mittels technischer Einrichtungen in und an baulichen Anlagen dazu beitragen, die Auswirkung auftretender Schadensfeuer zu begrenzen, konnten erst auf der technischen Grundlage der rasanten industriellen Entwicklung im 19. Jahrhundert erdacht werden und wurden, umgekehrt, auch erst zu dieser Zeit zum Schutze der bis dahin so nicht bekannten Wertekonzentration in Form der Produktionsanlagen notwendig. Grönke [1.54] berichtet von ersten mit Dampfmaschinen betriebenen privaten Wasserversorgungsnetzen in Fabriken schon 1875, im Jahre 1879 wurde der erste Sprinkler und im Jahr 1894 ein erster Brandmelder (der allerdings noch biologische Grundlagen hatte) patentiert.
Abbildung 1-4:
Brandschutz als ganzheitliches System
BrandschutzAbbildungVorbeugender BrandschutzheuteInsgesamt wird der BrandschutzBrandschutzganzheitlicher heute als ein ganzheitliches System aus den 4 Komponenten
Baulicher Brandschutz,
Anlagentechnischer Brandschutz,
Betrieblicher Brandschutz und
Abwehrender Brandschutz.
verstanden, wie es in Abbildung 1-4 dargestellt ist.
Die 4 Komponenten eines ganzheitlichen BrandschutzkonzeptesBrandschutzkonzeptganzheitliches können nun heute nicht mehr isoliert betrachtet werden, sondern es gibt eine Vielzahl von (teilweise gewollten) Interdependenzen und gegenseitigen Beeinflussungen. So findet man in den Bauordnungen der Länder folgende Formulierung (hier zitiert nach § 3 Musterbauordnung – MBO [1.51]):
„Für Nutzungseinheiten … müssen in jedem Geschoss mindestens zwei voneinander unabhängige Rettungswege vorhanden sein …“
„Für Nutzungseinheiten, die nicht zu ebener Erde liegen, muss der erste Rettungsweg über eine notwendige Treppe führen. Der zweite Rettungsweg kann eine weitere Treppe oder eine mit Rettungsgeräten der Feuerwehr erreichbare Stelle der Nutzungseinheit sein …“
Diese Vorschrift erlaubt es also ausdrücklich, Maßnahmen des Vorbeugenden Baulichen Brandschutzes, nämlich die Verfügbarkeit eines zweiten baulichen Rettungsweges, durch Maßnahmen des Abwehrenden Brandschutzes, das Retten von Personen über Geräte der (öffentlichen) Feuerwehren, zu ersetzen.
In vielen Sonderbauordnungen wird den gegenüber reiner Wohnbebauung erhöhten Gefahren in Bauten besonderer Art oder Nutzung dadurch begegnet, dass bestimmte anlagentechnische Maßnahmen – wie z.B. Brandmeldeanlagen – gefordert werden. Sonderbauten sind u. A. Verkaufsstätten, Versammlungsstätten und Krankenhäuser, vergl. hierzu § 2 (4) MBO und hinsichtlich erlassener Sonderbauordnungen der Länder z.B. bei Löbbert et al. [1.56]). Das heißt, dass für viele Sonderbauten auch denkbare und verordnungskonforme, jedoch häufig kostenintensivere oder aus gestalterischer Sicht nicht erwünschte bauliche Brandschutzmaßnahmen durch anlagentechnische Maßnahmen ersetzt werden (zu den gegenseitigen Abhängigkeiten von baulichen und anlagentechnischen Brandschutzmaßnahmen bei gleichem Sicherheitsniveau siehe bei Dehne [1.57]).
Ähnliches gilt für die behördliche Anordnung der Aufstellung einer Werkfeuerwehr in baulichen Anlagen besonderer Art oder Nutzung nach § 2 (4) MBO. Werkfeuerwehren (siehe hierzu Kapitel 2) werden auf Kosten des Betreibers eingerichtet, um auf eigentlich erforderliche bauliche Brandschutzmaßnahmen verzichten zu können, den Abwehrenden Brandschutz durch die öffentlichen Feuerwehren zu verstärken bzw. dessen Schlagkraft zu erhöhen und/oder Anlagentechnische Brandschutzeinrichtungen zu bedienen (Tschöpe [1.58]).