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2.2 Risikoanalyse und Brandschutzbedarfsplan

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RisikoanalyseZur Sicherstellung des abwehrenden Brandschutzes richten die Gemeinden nach den geltenden Brandschutzgesetzen entsprechend der örtlichen Gegebenheiten öffentliche Feuerwehren ein.

Die Gemeinden müssen also eine FeuerwehrFeuerwehrn. örtlichenGegebenheiten aufstellen, die in der Lage ist, den nach den örtlichen Gegebenheitenörtliche Gegebenheiteneiner Gemeinde zu erwartenden Aufgaben gerecht zu werden. Diese örtlichen Gegebenheiten einer Gemeinde werden geprägt durch:

 Einwohnerzahl und Einwohnerstruktur(Anzahl, Altersstruktur, Ausländeranteil etc.)

 Größe(Fläche, Längsausdehnung)

 Topographie(Berge, Flüsse, Wälder, Moore)

 Gebäudestruktur(moderne Bauten, Altstadtkern, historische Baudenkmäler)

 Verkehrswege und Verkehrsträger(Fernstraßen, Fernbahnen, Schnellfahrstrecken, Flughäfen, Binnenschiffverkehr)

 Industrie und Gewerbe(Metallindustrie, Luftfahrtindustrie, Chemieindustrie, Dienstleistungsgewerbe, Zentrallager etc.)

 Infrastruktur(Löschwasserversorgung, Nachrichtenversorgung)

Die Gemeinde hat nun für ihr Gebiet in einer objektiv und ohne Bezug zur derzeitigen Leistungsfähigkeit der Feuerwehr durchzuführenden Risikoanalyse die vorhandenen strukturellen Gefahren mit einer sinnvollen räumlichen Auflösung zu erfassen, darzustellen und die sich daraus ergebenden Risiken zu bewerten (Risiko = Eintrittswahrscheinlichkeit * Schadenshöhe; siehe hierzu [2.3], Grabski et al. [2.5] sowie Schubert [2.6]). Als weitere Risikokomponente sind auf dem Gemeindegebiet denkbare Schadensszenarien zu beschreiben (z.B. Unfälle mit Gefahrgütern, Großveranstaltungen wie Messen und Rock-Konzerte, Waldbrände etc.) und zu bewerten.

Im Rahmen der sich an der Risikoanalyse orientierenden Bemessung der örtlichen Feuerwehrkräfte und Einsatzmittel und deren räumlichen Anordnung ist darzulegen, welches Sicherheitsniveau Sicherheitsniveau sie den Einwohnern ihrer Gemeinde bieten will. Mit anderen Worten: Sie muss nachvollziehbar darlegen, was ihre Feuerwehr leisten können soll und was sie eingeplant nicht leisten können muss (s. g. Überlastungsrisiko). Diese Brandschutzbedarfsplanung ist ausreichend zu dokumentieren und in regelmäßigen Abständen fortzuschreiben.

Das gewünschte Sicherheitsniveau einer Gemeinde ist im Rahmen der gesetzlichen Sicherstellungsverpflichtung eine politische Entscheidung. Die Willensbildung über und der Beschluss des Sicherheitsniveaus erfolgt durch die politischen Vertreter der Kommune und führt in Folge dieses Beschlusses zu einer Selbstbindung der Gemeinde (Graeger [2.7]), diesen Bedarfsplan auch zu erfüllen, d.h. im Wesentlichen die notwendigen Haushaltsmittel zur Verfügung zu stellen. Der BrandschutzbedarfsplanBrandschutzbedarfsplan einer Gemeinde sollte die folgenden Gliederungspunkte enthalten ([2.3], [2.4]):

 Allgemeiner Teil

 Darstellung der rechtlichen Grundlagen

 Darstellung der Aufgaben der Feuerwehr

 Gefährdungspotential

 Schutzzielfestlegung

 Sollstruktur der Gefahrenabwehr

 Iststruktur der Gefahrenabwehr

 Vergleich der Strukturen

 Erforderliche Maßnahmen

 Berichtswesen

 Fortschreibung

 Anhänge

Wesentlich zur Feststellung des Bedarfes ist dabei der Vergleich der Sollstruktur der Gefahrenabwehrkräfte (der gewünschten Situation) mit der Iststruktur (der tatsächlich vorhandenen Situation). Hierzu liefert zunächst die oben dargestellte Risikoanalyse eine Darstellung des GefährdungspotentialsGefährdungspotentialeiner Gemeinde der Gemeinde. Zum Zweiten sind die SchutzzieleSchutzzieleeiner Gemeinde der Gemeinde festzulegen. Ähnlich wie das Baurecht Schutzziele vorgibt (vgl. MBO § 14 [2.8]), ist die Gemeinde verpflichtet eine klare Aussage über das Sicherheitsniveau, was sie ihren Bürgern zur Abwehr verschiedener Gefahrensituationen bieten will, zu formulieren (siehe z.B. FSHG NRW [2.1]). Diese Schutzziele werden heute allgemein über die folgenden Begriffe definiert:

 die MindesteinsatzstärkeMindesteinsatzstärked. Feuerwehr der Einheitennach Personal und technischem Gerät, mit der bestimmte sog. Kritische Ereignisse (z.B. Wohnungsbrände, siehe Punkt 2.4.2) bekämpft werden sollen,

 die HilfsfristHilfsfristder Feuerwehrmit der eine Aussage getroffen wird, welche Zeit von der Entgegennahme des Notrufes in der Leitstelle der Feuerwehr bis zum Eintreffen der Feuerwehr an der Einsatzstelle vergehen darf und

 den ErreichungsgradErreichungsgradd.h. einer Vorgabe, in wie viel Prozent der grundsätzlich unabhängig voneinander erfolgenden Ereignisse die jeweils definierten Werte für die Mindesteinsatzstärke und die Hilfsfrist erreicht werden sollen.

Anmerkung: Schutzziele müssen nicht zwangsläufig für das gesamte Gemeindegebiet gleich sein. Insbesondere die erforderliche Mindesteinsatzstärke kann an die überwiegend anzutreffenden örtlichen Verhältnisse von Teilgebieten angepasst werden.
Als eine Folgerung aus dem Forschungsprojekt TIBRO [2.9] wurde angeregt, künftig weitere Indikatoren zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit von Feuerwehren heranzuziehen.

Schutzzieldefinitionen sind nun durchaus nicht überall einheitlich, sondern unterscheiden sich insbesondere hinsichtlich der einzuhaltenden Hilfsfrist. Die Länder Bayern, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen geben in ihren jeweiligen Brandschutzgesetzen 10 Minuten vor. Hessen legt die Hilfsfrist ebenfalls auf 10 Minuten fest, fordert aber bei besonders gefahrenerhöhenden Gegebenheiten 8 Minuten. Letzteres ist die Frist, die in Rheinland-Pfalz generell einzuhalten ist. Das Land Hamburg gibt – abhängig vom Risiko – Hilfsfristen zwischen 5 Minuten und 15 Minuten vor. Über diese Uneinheitlichkeit hinaus ist häufig nicht (legal-)definiert, welche Zeiten in die Ermittlung der Hilfsfrist eingehen (eine Übersicht über deutsche und ausgewählte internationale Hilfsfristen findet man bei Bentz [2.10][2.9]).

Abbildung 2-1:

Hilfsfristen verschiedener Bundesländer für Feuerwehren in Städten

Im Jahre 1998 hat die Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren – AGBF – eine Schutzzieldefinition vorgeschlagen [2.12], die 2015 überarbeitet wurde und den Rang einer technischen Regel gewonnen hat (Graeger [2.7]). Als Hilfsfrist wird daher hier nach [2.3] und [2.12] die Zeit zwischen Annahme des Hilfeersuchens (erstes Klingeln des Notrufes in der Leitstelle) und Eintreffen der Feuerwehr am Einsatzort bezeichnet (siehe Punkt 2.4.1); diese Definition wurde 2010 in die DIN 14011 übernommen [2.14]. Die Hilfsfrist soll nach AGBF nicht mehr als Hilfsfristn. AGBF10 Minuten für die ersten 10 Einsatzkräfte und weitere 5 Minuten für weitere 6 Einsatzkräfte betragen, so dass spätestens nach 15 Minuten die für die Bewältigung des sog. Kritischen Ereignisses erforderlichen 16 Feuerwehrangehörigen (Einsatzdienstfunktionen) mit einer ausreichenden Fahrzeugausstattung am Einsatzort sind. Das nach Meinung der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren anzusetzende Kritische Ereignis wird unter Punkt 2.4.2 näher dargestellt.

HilfsfristAbbildungEingreifzeitEingreifzeitn. AGBFAls Beispiel für eine SchutzzieldefinitionSchutzzieleDefinition sei hier jene der Feuerwehr Braunschweig genannt, die dem Feuerwehrbedarfsplan der Stadt [2.13] zu entnehmen ist und seit 2008 inhaltlich mit der AGBF Schutzzieldefinition übereinstimmt:

Die Feuerwehr Braunschweig hat das Ziel, im gesamten Stadtgebiet

  innerhalb von 9 , 5 Minuten nach Eingang des Notrufes mit einer Funktionsstärke von 10 Einsatzkräften (H 1 , F 1 )

  innerhalb von 14 , 5 Minuten nach Eingang des Notrufes mit einer Funktionsstärke von 16 Einsatzkräften (H 2 , F 2 )

  mit einer auf das Kritische Ereignis ausgerichteten technischen Ausstattung

  auch bei zwei parallelen Einsatzstellen

einzusetzen und dies für 90 % aller Einsatzfälle sicherzustellen.

Die Nichtverfügbarkeit geeigneter taktischer Einheiten soll maximal einmal pro Jahr auftreten.

Abbildung 2-2:

AGBF-Schutzziel

Aus der Anzahl der Einsätze pro Jahr und deren durchschnittlicher Dauer kann über statistische Berechnungen (sog. Poisson-VerteilungPoisson-Verteilung, siehe z.B. bei WIBERA [2.15], mathematische Grundlagen z.B. bei Meschkowski [2.16]) die Wahrscheinlichkeit für das gleichzeitige Auftreten mehrerer Einsätze ermittelt werden. Sollen diese Einsätze gleichzeitig und parallel – d.h. ohne Verzögerung – abgearbeitet werden, so muss für jeden der berechneten ParalleleinsätzeParalleleinsätze die erforderliche Mindesteinsatzstärke vorgehalten werden.

Hieraus folgt unmittelbar die für die Bewältigung gleichzeitiger Ereignisse erforderliche Anzahl der für ein Gemeinwesen erforderlichen EinsatzeinheitenEinsatzeinheitend. Feuerwehr (d.h. der Fahrzeuge mit der zugehörigen Besatzung) und damit die Anzahl der stets zu besetzenden Einsatzdienstfunktionen. Einsatzdienstfunktionen sind die außerhalb von Einsätzen stets auf einer Feuerwache sofort für den Einsatz bereiten Feuerwehrangehörigen; hierzu gehören auch rückwärtige Einsatzdienstfunktionen, wie z.B. Mitarbeiter einer Feuerwehr-Einsatzleitstelle. Mit Hilfe der Anzahl der EinsatzdienstfunktionenEinsatzdienstfunktionen kann unter Berücksichtigung der wöchentlichen Dienstzeit und der Ausfallquote der Personalbedarf einer Feuerwehr berechnet werden.

Die zusammengefassten personellen und materiellen Anforderungen sind in einer Sollstruktur in die gewünschte organisatorische Form zu bringen und ergeben dann die gewünschte Struktur der FeuerwehrFeuerwehrSollstruktur.

Die Ermittlung der Iststruktur der FeuerwehrFeuerwehrIststrukturStruktur der Feuerwehr erfolgt, indem vorhandenes Personal und Material ermittelt und die vorhandenen Strukturen aufgezeigt werden. Des Weiteren sind sämtliche durch die Feuerwehr wahrgenommenen Aufgaben aufzuzeigen. Die Ermittlung der Iststruktur erfolgt wertungsfrei.

Im Vordergrund des Vergleiches der Strukturen steht die Untersuchung, mit welchem Erreichungsgrad die Feuerwehr mit der vorhandenen Organisationsform und Ausstattung (personell und technisch) die Qualitätskriterien Mindesteinsatzstärke und Hilfsfrist der Schutzzielfestlegungen erfüllt. In einem umfassenden Vergleich, der alle vernünftigerweise einzubeziehenden Ereigniskonfigurationen enthalten muss, sind alle Abweichungen zwischen Soll- und Iststruktur festzustellen und die Ursachen zu ermitteln.

Aus den festgestellten Abweichungen zwischen Soll- und Iststruktur ergeben sich die notwendigen Folgerungen für die notwendigen Änderungen. Dabei muss den Maßnahmen zur Erfüllung der gesetzlichen Pflichtaufgaben unbedingt der Vorrang vor nur wünschenswerten Maßnahmen eingeräumt werden. Zu den Pflichtaufgaben einer Gemeinde zählt nach der Interpretation von Gräger [2.7] auch die Erfüllung der Schutzzielfestlegungen.

Abwehrender und Anlagentechnischer Brandschutz

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