Читать книгу In drei Stunden bist du nicht mehr da - Hans-Jürgen Kaiser - Страница 8

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An einem Sonntag im Juli hast du mich das erste Mal besucht. Wir hatten uns für 11 Uhr verabredet. Ich ließ die Haustüre offen und erwartete dich vor dem letzten Treppenabsatz. Schneller als erwartet kamst du mir entgegen, nahmst sportlich-behände die letzten Stufen. Rotes Kostüm mit taillierter Jacke, lässig hing die kleine schwarze Handtasche über deiner Schulter. Die türkisgrünen Ohrstecker bemerkte ich erst bei dem flüchtigen Willkommenskuss auf deine Wange. „Tolles Kostüm. Steht dir gut. Herzlich willkommen.“ „Puh, fünf Stockwerke ohne Aufzug. Kleine sportliche Aktion.“

Damals ahnten wir noch nicht, dass wir einmal in der Wohnung zusammenleben würden und der fehlende Aufzug ein Problem werden sollte.

„Komm herein. Darf ich dir etwas zum Trinken anbieten, Wasser, Espresso?“ „Gerne, ein Glas Wasser. Ich setze mich erst einmal.“

„Du hast eine schöne Altbauwohnung, darf ich mich ein bisschen umschauen? Ich bin immer neugierig zu sehen, wie Leute wohnen.“ Du standst vor meinem Bücherregal. „Interessant, hier finde ich die ganzen Existenzialisten, Beauvoir, Beckett, Camus, Sartre. Und so schön ordentlich nach Autoren geordnet. Hast du die vielen Bücher im Regal alle gelesen? Was ich vermisse, ist, Fontanes Effi Briest, mein eigentliches Lieblingsbuch.“

„Anna, wir müssen langsam los. Für 13 Uhr habe ich zwei Plätze reserviert in einem italienischen Restaurant. Es liegt gleich ums Eck und wir können bei dem schönen Wetter im Freien sitzen.“

Ursprünglich hatten wir vor, in eine Ausstellung zu gehen, aber das Wetter war zu schön. Nach dem Lunch fuhren wir mit der Straßenbahn zum Nymphenburger Schloss und gingen händchenhaltend spazieren. Wir waren nicht die Einzigen, auch andere, viele ältere Paare, absolvierten ihren Sonntagsspaziergang im Schlosspark. Eine Biedermeier-Szenerie. Sie erinnerte mich an den Künstler FK Wächter und seinen Cartoon „Ältere Herrschaften im Park“, denen Jugendliche auf den Mantelrücken Zettel mit der Aufschrift „Wir haben gefickt“ geklebt haben. Einen Augenblick dachte ich daran, dir meine Eingebung mitzuteilen. Aber ich kannte dich noch nicht gut genug.

Für den Abend hatte ich ein paar Häppchen hergerichtet, und ich fragte dich, ob ich dir noch ein Glas Wein nachschenken dürfe. „Lieber nicht, ich muss ja noch heimfahren.“ „Eigentlich ist es umständlich, heute noch zurückzufahren und morgen wieder nach München. Wenn du hier übernachtest, kannst du noch ein Gläschen Wein trinken, und ich lese dir später eine Gute-Nacht-Geschichte vor. Falls du etwas brauchst, Schlafanzug, Zahnbürste, Nachtcreme, Pads zum Abschminken: Habe ich alles da.“

Vor einigen Jahren hatte ich den Film American Gigolo gesehen, mit Richard Gere in der Hauptrolle. Der hatte so ein Package dutzendweise in seiner Penthouse-Wohnung, für seine Kundinnen, alles in Zellophan verpackt, aufbewahrt in Glasschubladen. Das fand ich ziemlich cool, und aus einer Laune heraus habe ich mir ein paar Tage danach ein Exemplar eines solchen Sets zugelegt, nur nicht in Zellophan verpackt, und den Damen-Schlafanzug in der Größe 38. Das entsprach dem Standard meiner Frauen und passte auch für die Größe 36.

Anna schaute mich naiv-lächelnd an. „Brauche ich nicht, ich habe meinen kleinen Reisekoffer dabei. Im Auto.“ Wir schauten uns an und prusteten los. „Oh Mann, nicht was du denkst. Den habe ich immer dabei, wegen der unverhofften Dienstreisen.“

Ich fühle deinen Rhythmus; wenn ich die Augen öffne, sehe ich deine kleinen, festen Brüste, die sich auf und ab bewegen. Du beugst dich zu mir, schmiegst deine Wange an meine und flüsterst mir ins Ohr: „Ich bin bei dir.“

In drei Stunden bist du nicht mehr da

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