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II

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Der Yankee schrieb eigenhändig die Schecks aus, die Mannschaftsliste vor sich. Die Heizer und Matrosen, von dem ungewöhnlichen Reiz der Stunde aufgekratzt, drängelten, zum Teil schon landfein, geräuschvoll um den Tisch. Der Marinekommissar, stehend und rauchend in der Ecke lehnend, beäugte mit steifem Auge die kräftigen Gestalten. Der großrunde Makler flüsterte ihm an Hand einer Aufstellung einiges zu, was er nicht zu beachten schien. Neben den beiden, auf einer Art Anrichte mit bunten Glasscheiben in Jugendstil, befanden sich benutzte Bechergläser und leere und halb geleerte Rotwein-, Whisky- und Ginflaschen sowie ein Kübel mit Eis, das aber in der dampfigen Wärme rasch dahinschmolz.

Eine Stimme erhob sich lauter. Der Koch, behäbig und seit Urzeiten auf diesem Dampfer, stemmte beide Fäuste auf die Platte.

„Und was nun?“ fragte er höflich, doch nicht ohne Beben in der hohen, brüchigen Stimme. „Man mustert uns ab, man weist uns ohne weitere Entschädigung von Bord? Bin ich eine Pestratte, Herr? Habe ich mich schlecht betragen?“

„Halt das Geschäft nicht auf, Hoggard!“ grunzte der Mann hinter ihm. „Wir haben doch Krieg, du Büffel!“

„Da hast du es!“ grinste der Reeder und reichte ihm das schmale Papier.

„Ich bin hier in Ehren grau geworden!“ wandte sich der Koch an die Mannschaft, indem er mit dem Scheck wie mit einem Kamm über seine Glatze strich.

Ein wieherndes Gelächter antwortete ihm. Seine Stimme wühlte sich hoch und vorwurfsvoll hindurch. „Ihr seid unhöflich, Leute, und kurzsichtig. Gott wird es wissen, wenn Ihr erst durchlöchert wie Siebe und stumm wie ein Handtuch auf den Grund der Hölle fahrt!“

Der Marineoffizier, mit einem Zuck des scharfen Mützenrandes, schnitt ihm das Wort ab. Und der Makler fügte in die Stille nach dem militärischen Ton milde stotternd hinzu: „Die Feldpredigerstellen sind, wie ich höre, alle schon besetzt.“

Das wiederum aufprasselnde Gelächter legte sich erstickend über den Vorgang. Man rangelte den Koch zur Tür. Er sollte lieber einen gehörigen Galgentoddy in die Erscheinung zaubern. Draußen traf er auf den herabtorkelnden Kapitän. Der beiden Auseinandersetzung verwob sich mit dem Geschrei der Zeitungsverkäufer, die auf das leere Deck gedrungen waren. Die Abmusterung nahm ihren eiligen Fortgang.

Tamp wartete bis zuletzt, das heißt, der Reeder machte keine Anstalten, ihm Vortritt zu lassen, und er schmeichelte sich, obgleich nicht ganz behaglich, daß ihm so etwas wie eine Aufsicht bis zu guter Letzt anvertraut sei. Manche von den Leuten nickten ihm zu, ehe sie die Treppe hinaufliefen.

Der Kapitän stand schon wieder bei der Anrichte, mixte und füllte mit abzirkelndem Ruck, der eingefleischte Gewohnheit verriet, die Gläser. Er meckerte hinter den Davontürmenden her, mit einem Seitenblick auf den Mariner: „Daß ihr euch alle freiwillig meldet, ihr Schweinsfische! Prost!“ — „Kommen Sie, Herr Tamp“, fuhr er fort. „Auf ein fröhliches Wiedersehen!“

Alle tranken, und auch Tamp nahm und trank. Dann sah er ungeduldig auf den Reeder, der die Liste zusammenfaltete und die Hände mit einem Röcheln der Erleichterung wie zwei stallreife Pferde in die Hose zurückkehren ließ. Der Mariner, der Makler und auch der Kapitän ließen sich auf die verschabten Plüschsitze fallen, die Gläser füllten sich neu, nicht ohne daß Patternell vergeblich nach dem schon abgelohnten Steward grölte. Man trank auf den Sieg Amerikas.

„Ich habe draußen einiges zu besorgen!“ sagte Tamp und dachte an das Mädchen auf der Rampe und daß er nach Hause fahren wolle, nach acht Jahren zum ersten Mal.

„Gut, wir wollen Sie nicht halten!“ drehte der Reeder den geierhaften, blassen Schädel, auf dem der Melonenhut langsam in den Nacken strebte.

„Und meine Heuer?“ sagte Tamp erstaunt.

„Ihre Heuer?“ gab der Yankee ebenso erstaunt zurück. Er blinzte den Marinevertreter an. „Ja, mein Lieber, da muß ich Ihnen leider gestehen, oder wissen Sie es noch nicht, daß alles feindliche Eigentum —? Sehen Sie, Ihr Vater ist Deutscher, das ist bei Gott ein Jammer. Meinetwegen, war Deutscher, aber ich muß Ihre Summe erst mal bei der Regierung hinterlegen.“

„Ja, erst mal!“ fügte der Makler rasch und augenklappernd hinzu, als sei die Sache ihm peinlich.

Tamp räusperte sich. Er fand kein Wort und lief rot an.

„Sehen Sie, Herr Tamp, Sie könnten ja mit dem Gelde allerlei Dummheiten machen. Es schwirrt jetzt so manches herum. Spione und dergleichen.“

„Nehmen Sie die Sache einfach, Kamerad!“ warf nun der Mariner dazwischen. „Verlassen Sie sich auf mich, es wäre schade um Sie! Das Geld ist Ihnen sicher. Ich rate, Sie melden sich freiwillig. Hier ist meine Karte. Gehen Sie den Nachmittag noch in das Büro der Battery. Ich werde Sie dort empfehlen. Jungens wie Sie dürfen wir nicht hinter Stacheldraht setzen. Ich weiß, Sie sind Amerikaner. Prost! Aber das Gesetz ist eben für den Durchschnitt notwendig und für den Besseren bitter!“

Patternell stand mühselig auf, um eine neue Flasche von der Anrichte zu holen. Der Marinevertreter nahm die Gelegenheit wahr, zuckte hoch, tippte an seine Mütze, ließ ein eisernes Lächeln kreisen und ging davon.

„Tamp?“ wieherte der Kapitän hinter ihm her, den Schnaps auf der Gurgel, „der ist ein Querulant, aber treu wie ein Kinderfräulein, so wahr ich diesen Sotteimer nicht nüchtern verlassen werde. Herr Tamp, die arme friedliche Dame „Merryland“, sie machen jetzt einen Mann aus ihr, sie kleben ihr eine Kanone an!“

Tamp stand steif und stumm.

Der Makler und der Reeder wandten sich privaten Dingen zu.

„Wir feiern also bei Ostlers!“ gähnte Smithson und scheuerte eins seiner langfleischigen Ohrläppchen an dem blankgetragenen Stoff seiner Schulter. „Ich habe da ein Täubchen hinbestellt, eine markige Nummer, die es selbst mit uns dreien aufnehmen kann, und dann gehen wir zu Mammi Silk und versetzen sie, tauschen sie ein gegen Lucky, hihi, stellen sie unter, bis wir ein paar zusammenhaben, wie abgemacht, Obsthandel nach —“, er unterbrach sich und sah mißbilligend auf die noch immer vorhandene Anwesenheit Tamps, der mit verstopftem Gesicht auf den einsam und eifrig an der Anrichte schluckenden Adamsapfel seines Kapitäns starrte.

Makler Dulbort erhob sich nun auch. „Ich muß jetzt los,“ sagte er, „sie wartet und brät mir die Hölle.“

„Wer, wer?“ meckerte Smithson unvergnügt. „Du kennst doch nicht etwa —? Ach so!“ entblößte er grinsend die gelbe Harke seiner Oberzähne, sich besinnend. „Dein Töchterchen, hilf sakra, ich vergaß zu fragen, wie kommt es, daß der heilige Engel dich plötzlich wieder mal zu deinen unheiligen Geschäften begleitet?“

„Sie will ihren Direktor abholen!“ antwortete Dulbort kleinlaut.

„Burn? Den Nigger? Pfui Satan! Ist der drüben nicht verreckt? Weiß Gott, das Mädchen sollte ins Feld oder schleunigst heiraten!“

Dulbort sah den Reeder dankbar an, und sein gutmütig fettes Gesicht nahm danach gleichsam einen zögernden Abdruck von diesem vertrockneten Yankee, der sein nicht schlechtester Kunde und sein guter Freund war, und er goß die wenig ansprechende Form rasch aus mit hübschem, glattem Golde und stellte sich die gewichtige Figur probeweise ins Herz neben das zarte Bild seines Kindes, das er da bewahrte. „Wir haben treffliche Geschäfte gemacht diese Tage,“ sagte er und verbarg sein beklemmtes Gemüt hinter einer pfiffigen Miene. „Ihre Aussteuer würde sich nicht zu schämen haben. Wenn ich das Balg nur aus der verflixten Mission herauskriegen könnte!“

„Müssen wir besprechen! Ist ja eine Schande!“ zog ihn Smithson wieder zu sich aufs Sofa.

„Eine Schande, Sie hören es!“ faßte Kapitän Patternell die letzten Worte auf und begann widerlich zu schluchzen.

Tamp ging ohne Wort hinaus. Als er im Freien stand und der Gewohnheit nach den Tabaksbeutel zog, bemerkte er, daß sich der geschnitzte Pfeifenkopf, der eine Negerfratze darstellte, tief in seinen Daumen gedrückt hatte und ihm seltsam deutlich und lebendig entgegengrinste.

*

Wie Brüder sprecht

zu Herrn und Knecht:

Recht ist nicht Menschenrecht!

Die Blondjäger

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