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IV

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Hishwa Dulborts Eltern bewohnten eine nette Villa beim Botanischen Garten in Bronx, von Neuyorks innerer Stadt günstig in einer halben Stunde erreichbar. Es war eigentlich ein Landhaus, etwas unmodern, aber in dem alten vornehmen Kolonialstil gebaut, mit einer Säulenveranda, weißgrün gestrichener Holzverschalung und dunkelgrünen Fensterläden. Der Garten dabei war geringfügig. Aber Tennis- und Golfplätze lagen ganz in der Nähe. Und Hishwa hatte, solange ihr Bruder lebte, die halben Tage im Sattel verbracht und war durch Veranlagung und Tollkühnheit zu einer hübschen Fertigkeit im Umgange mit Pferden gediehen. Berry, ihr Bruder, drei Jahre älter als sie, ein blonder und großer Mensch, hatte es mit soldatischen Neigungen zu einem gutbezahlten Verwaltungsposten im Polizeidienst gebracht, ohne damit der Achtung seiner Freunde oder seinem eigenen Ehrgeiz zu genügen. Die begehrte Kadettenausbildung zu Westpoint und damit eine einwandfreie und aussichtsvolle militärische Laufbahn war ihm aus Gründen, die ihn zum Sieden bringen konnten, weil sein Blut sich keiner mütterlichen Vererbung teilhaftig fühlte, verschlossen geblieben. Er hatte früh einen versonnen zusammengebissenen Zug um den Mund und nahm jede Gelegenheit wahr, um sich in gefährliche Abenteuer einzulassen, beteiligte sich, ohne daß es sein Amt erforderte, an Verbrecherjagden, aber auch an Schlägereien und Gelagen, und übertraf seine Schwester in seiner Leidenschaft als Reiter, wenngleich nicht an Geschicklichkeit.

So kam es unglücklicherweise, daß eines schönen Herbstmorgens, als beide in feurigem Wetteifer zugleich über das nicht einmal hohe, aber reichlich enge Gatter einer Viehweide setzen wollten, das Tier des Bruders durch einen im gleichen Augenblick vorbeistürmenden Ochsen erschreckte, mit den Hinterhufen anschlug und stürzte, den Reiter unter sich begrabend, der, durch einen Wirbelbruch wahrscheinlich fürs Leben am vernünftigen Gebrauch der Beine gehindert, seinem ihm nun gänzlich verpfuscht dünkenden Dasein schon wenige Wochen später ein freiwilliges Ende bereitete.

Hishwa hatte sich danach auf der Columbia-Universität eintragen lassen und mit ziemlichem Eifer, aber ohne Ausdauer nacheinander medizinischen, geschichtlichen und philosophischen Fächern obgelegen. Da sie keine weiteren Geschwister besaß, begann sie ihre Alleinherrschaft daheim mit großer Selbstverständlichkeit und der jungen Generation gemäß ohne Hemmungen auszukosten, zumal sie zur Rechtfertigung des tragischen Geschickes ihres so sehr geliebten Bruders dem Elternhause eine dunkle Schuld beimaß.

Eines Tages unterbreitete sie etwas Neues. Sie erklärte, sie wolle Missionarin werden Sie machte dabei einen rührend sanften, aber auch unerschütterlichen Eindruck, und es stellte sich heraus, daß sie eine Red des berühmten Ehrwürden Burn gehört habe. Sie sei bekehrt und überzeugt, für die Seligmachung der Heiden und für Afrika geboren und nötig zu sein. Jawohl, Josua Burn sei der berühmte Negerprediger.

Es gab nun eine ungewöhnliche häusliche Aussprache bei Dulborts. Hishwa überhörte die milden Verwünschungen ihres Vaters. Die Beschwörungen der Mutter, die Schmach eines so nahen farbigen Verkehrs nicht auf die unglückliche Familie zu laden, unterband sie mit der lange zurückgedrängten Vermutung, daß ihre Mama selber sicherlich nicht ohne Beimischung sei. Sie wolle gestehen, ihr heimlicher Neckname in den Vorlesungen sei Klein China gewesen, was durchaus nicht nur Porzellan zu bedeuten brauche. Man hätte ebensogut und offener Gelbnigger sagen dürfen, und nur Gewandtheit und Verschlagenheit (letztere ebenfalls angeboren) hätten sie vor noch größeren Schmähungen bewahrt.

Der Vater begann gepeinigt einzulenken, der aufbrausenden Gattin begütigend zu verstehen gebend, seine Schwiegermutter, Friede ihrer Asche, habe ihm in einer schwachen Stunde selbst gebeichtet, daß sie eine Quinterone sei und sowohl schwarzes als rotes Blut, wenngleich nur verschwindend tropfenweise, geerbt habe. Nein, sie habe es sogar voller Stolz behauptet, und es sei etwas ganz Besonderes dabei, es sei von beiden Seiten garantiert echtes Häuptlingsblut, sowohl indianisch als auch afrikanisch, und der letztere sei oder vielmehr die letztere sei nicht etwa eine Sklavin gewesen, sondern eine Fulla-Prinzessin, und sei in einem Zirkus aufgetreten.

In den überreizten Schrei seines Weibes, der den Himmel aufforderte, den Mund eines gewissen Maklers und Schuftes mit einem Blitzstrahl zu schließen, murmelte er nur ergeben hinein, er pfeife auf derlei unzeitgemäße Begriffe über angebliche Reinheit. Er sei überhaupt ein geschlagener Mann.

Hishwa nahm alles dies mit sachlicher Anteilnahme auf, wohnte auch nicht ohne Widerwillen der durch Frau Dulbort restlos erfolgenden Zusammenstauchung ihres Papas bei, die durch schonungslos vernichtende Untersuchungen über seine Herkunft, sein Vorleben (in London, Berlin und Paris), seinen Beruf, sein Einkommen, sein Aussehen und seine Herzensbildung eine so traurige Figur aus dem guten Makler machte, daß ein soeben vom elektrischen Stuhl Geschnallter neben ihm wie ein frischgebügelter Salonlöwe ausgesehen hätte. Hishwa, von diesem Vergleich überfallen, konnte nicht anders als in ein lautes und befreiendes Gelächter ausbrechen. Sie stellte den elektrisch betriebenen Flügel an, und in einen verrückten Zuckschlager hinein rief ihre Mutter sämtliche Heiligen zu Zeugen herab, daß sie ebenso weiß und schlank sei wie nur eine der kalkigen Puten der oberen Vierhundert zu Boston, Washington oder in diesem gräßlichen Neuyork und daß, wenn sie schon bezüglich der Abstammung etwas voraus habe, höchstens nur uraltes, hocharistokratisches Indianerblut in Betracht komme, echtes Mohikanerblut, und das sei vornehmer als jede May-flower, wie man wisse.

Hishwa umfaßte ihr Elternpaar, das wie zwei erledigte Zebus einander auf geblümten, für ihre Ausmaße zu kleinen Sesseln gegenübersaß, mit einem Blick, der zum ersten Male Rührung zeigte. Mit Erschrecken ahnte sie das grausige Wirrsal dieser Welt, diesen Schlingenboden aus Einbildung, Dünkel, Verständnislosigkeit, ungeklärten Neigungen, Wünschen und Gehässigkeiten.

Sie wehrte sich gegen derlei abgründige und unerquickliche Einsicht, faßte sich in dem Worte: „Affentheater!“, gab dem Mädchen Auftrag, ihre Sachen zu packen und sie ihr mitsamt der geliebten weißen Katze, die auf den Namen Gräfin Fisch hörte, zu schicken und verließ das Haus.

So schloß sie ihre Studien ohne Prüfung ab und nahm ein Zimmer in der Schwarzen Sonne, was kraft des Bankkontos ihres Vaters und ihrer unabweisbaren und aus einer entflammten Seele, so schien es, sich anklammernden Bitte gelang, zumal ein Teil der geeigneten Schwestern den großen Verkünder nach drüben begleiten sollte und es darum Platz gab. Hishwa wurde nach einem kurzen Examen durch Dr. Burn, den sie danach vorerst nicht wiedersah, eingereiht in die Schar der Neuzöglinge oder sogenannten „Funken“ der Schwarzen Sonne und widmete sich ihrer Ausbildung in allen Zweigen der als Ziel ersehnten, nach Afrika weisenden Missionstätigkeit, die in manchem abwich von dem, was seither üblich gewesen. Es wurde vor allem die äußere und innere Ausbildung einer gewissen Engelhaftigkeit erstrebt, was sich äußerlich in öfterem Anlegen langer weißer Gewänder, seltsam schwebenden Bewegungen, schöner Singstimme und fließenden, blonden Haaren kundzutun hatte. Die Tanz- und Musikschulung bestritt einen großen Teil des Unterrichts. In bezug auf die Blondheit scheute man sich nicht, der Natur, soweit die Auslese nicht ganz darauf Rücksicht hatte nehmen können, des hohen Zweckes halber zu Hilfe zu kommen.

Der Lehrgang sah weiter vor: Kenntnisnahme der Küche Afrikas, Sprachkurse, von eingeborenen Lehrern betrieben, Naturgeschichte und Rassenkunde des dunklen Erdteils, Tropenarznei. Über allem natürlich stand das Lesen, Durchsprechen und Aneignen der Burnschen Erweckungsreden, unterstützt durch das Aufsuchen passender Texte, Gebete und Glaubensformeln, sowie Zwiesprachübungen mit eingebildetem heidnischen Gegenüber, wobei allerdings als geistlicher Widerpart nicht viel mehr als ein finsterer Fetischismus, verknüpft mit Höllenfurcht, angenommen wurde, ja selbst das mohammedanische Paradies wurde kurzweg als hohle Fata Morgana des wahrhaften christlichen Himmels bezeichnet, hinter der nichts als der grinsende Satan höchsteigen stecke.

Hishwa war ehrgeizig, aber auch sprunghaft und vorlaut. Sie überragte jedoch keineswegs die anerzogene Überlieferung, wollte demokratischerweise auch durchaus nichts anderes als alle anderen. Sie verachtete die Neger, beugte sich aber vor jeder Berühmtheit. Burn war berühmt. Und auch der schwarze Missionsarzt Connel war es. Und die äußerliche Leitung der Mission lag in weißen Händen, in denen des Haus- und Musikmeisters Pjoff und denen der Oberin Maria. Somit waren innere Kämpfe kaum angebracht. Aber die Zucht des Hauses war streng in ihrer Regelmäßigkeit. Das war einesteils herrlich, es war militärisch, und man brauchte nie selber nachzudenken. Andernteils konnte es unbequem werden und zu Durchbrüchen reizen, wie Hishwa hier und da an sich erfuhr. Nur unter dem Seufzen der Oberin war sie zu den „Strahlen“ aufgerückt. Sie hatte gelobt, von nun an ganz abgeklärt zu werden, zumal Ehrwürden Burn bald heimkehren mußte. Da warf der Tag des Kriegseintritts neue und allgemeine Unruhe über das Haus der Schwarzen Sonne.

Burn hatte sich gerade durch Funkmeldung angesagt. Große Plakate, wie er sie beschrieben hatte, lagen längst gedruckt vor bis auf den Zeitpunkt seiner ersten Rede und Versammlung, die sofort am Abend seiner Ankunft stattfinden sollte. Aber eine ganze Reihe der Zöglinge ließ sich trotzdem im ersten und allgemeinen Rausch beurlauben, was ebenso kopflos gewährt wurde, und traten zum Jubel und zur Erleichterung mancher Familie als Hilfsschwestern in den Felddienst. Auch Hishwa war drauf und dran, wenn nicht die bitteren Militärerfahrungen ihres toten Bruders und die aufrichtige Neigung, den Missionar Burn wiederzusehen und unter dessen Leitung die wahre Reife für den schweren Dienst am Wort zu erlangen, sie nicht hätten zögern lassen. Sie wurde innerlich verwirrt und voller Zweifel, was zu tun das Rechte sei. Nach einer mit Pralinen, Büchern, Tränen, schemenhaften Vorsätzen und zwei der süßesten Engelsschülerinnen ihrer Gruppe, die beide am Morgen in den Dienst des Vaterlandes treten wollten, und der kleinen Zofe Moali verbrachten Nacht fuhr sie hinauf nach Bronx in ihr elterliches Haus.

Ohne Vorwürfe, ja voller Zärtlichkeit empfing man sie dort, sie, die in tiefstem Herzen zerknirscht wie der verlorene Sohn und doch nicht wie dieser, sondern mit wertvolleren Erfahrungen, deuchte ihr, sich aufgemacht hatte. Als aber die Mama unter einem Scherze ihr jene kleine schwarze Sonne, das Abzeichen der Mission, vom Aufschlag der Bluse entfernen wollte, widersetzte sie sich und war froh, als ihr Vater, die Schwüle der Stimmung bemerkend, sie einlud, ihn an den Hafen zu begleiten. Er erklärte auch auf ihr vorsichtiges Befragen, den Ankunftssteg des nächsten Afrikadampfers zu wissen. Es sei der nämliche, an dem er zu tun habe. Der Reeder Smithson verkaufe seine ganze Flotte an die Marine, ein blendendes Geschäft, gestern zwei, heute das dritte, beste und letzte.

So also kam Hishwa, noch immer ohne bestimmten Entschluß über ihre nächste Zukunft, an den Liegeplatz der „Merryland“, wo sie auf ihren Vater warten wollte, oder vielmehr auf den Dampfer Burns, und wo sie den Steuermann Tamp zum ersten Male sah.

*

Die Farbe tut

Nicht schlecht noch gut:

Blut ist in jedem rot.

Die Blondjäger

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