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Max geht auf Wanderschaft

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Wie gesagt, Büroarbeiten waren nichts für Max. Er musste mehr frische Luft um sich haben, und seine Arme sehnen sich nach anderen Lasten, als es Federhalter, Briefmarken, Bestellzettel und Kontobücher ihm sein konnten. Er wurde Arbeiter in einem Hamburger Rohrbogenwerk. Dort wurden riesige Eisenplatten mit Gasbrennern zu Rohrstücken gewölbt. Das behagte Max eine Weile ganz gut, bis er sich eines Tages die Hand so übel verbrannte, dass er die weitere Neigung zu dieser Art Beschäftigung verlor. Es fiel ihm ein, wie anders doch sein Vater gelebt habe, und er spürte, das Erbteil, das er in sich trug, hiess: Sehnsucht in die Weite. Seine Mutter verstand ihn, und da er versprach, niemals Seemann zu werden, schnürte sie ihm den Pappkarton, versorgte ihn mit einem dicken Paket deftiger Butterbrote und wünschte ihm viel Glück. Er fuhr nach Düsseldorf, um bei den Eltern eines Hamburger Sportfreundes zu wohnen.

Nun begann eine harte Schule für ihn. Schliesslich wurde er Arbeiter bei einer Hoch- und Tiefbaufirma. Er schaufelte, schuftete und grub, drehte Winschen, mischte Zement, bohrte Brunnen und legte Rohre. Das bekam seinen Muskeln und seinem Appetit vortrefflich, obwohl es nicht immer gross was zu beissen gab. Auch Freizeit gab es wenig, aber selbst in dieser kargen Freizeit verlangte sein Körper nach Betätigung. Somit wurde er Mitglied eines „Ring- und Stemmklubs“ zu Benrath, in welchem Ort seine Firma einen grösseren Auftrag auszuführen hatte.

Mit kaum glaublicher Zähigkeit widmete er sich seiner sportlichen Fortbildung, rang, boxte und trieb Leichtathletik.

Manchen Sonntag aber zog er mit einem ehemaligen Artisten auf die Dörfer, und die beiden auf den kleinen Bühnen der ländlichen Tanzsäle erstaunten die Menge mit „sensationellen Attraktionen“, indem sie Nägel mit der ungeschützten Hand in ein Brett schlugen, Ketten zerrissen und Hufeisen verbogen, hin und wieder auch einmal ein bisschen boxten.

Max war es eben gewohnt von Jugend auf, seine Fertigkeiten nicht nur zum Vergnügen auszuüben, sondern vielmehr das Vergnügen durch Zweckmässigkeit zu steigern.

Boxen, das war ein Sport, der vor dem Kriege in Deutschland als roh und blutig öffentlich verboten gewesen war und der übrigens heute noch in den Vereinigten Staaten fast überall der behördlichen Genehmigung bedarf, sobald es sich um öffentliche Kämpfe handelt. Nach dem Kriege änderte sich die deutsche Einstellung. Deutsche Kriegsgefangene hatten in England, zumal auf der Insel Man, den Faustkampf sozusagen aus Verzweiflung und Langerweile gelernt. Prenzel, Breitensträter, Grimm, Naujoks, Wiegert, Dubois, Huber, Koch, Möller, Spörl, das hauptsächlich waren die ersten, die in Lederhandschuhen zu Hamburg, Berlin oder Köln auf das „Ring“ genannte, hanfseilumspannte rechteckige Podium vor das Publikum traten, und Otto Flint, ein Verwandter der berühmten Taucherfamilie, der schon vor dem Kriege bedeutendes boxerisches Können erlangt hatte, wurde der erste deutsche Schwergewichtsmeister.

Durch seine Baufirma kam Max nach Köln. Dort lernte er seinen ersten richtigen Boxlehrer Adolf Dübbers kennen. Er hatte eine Menge allzu privater „Boxauffassung“ abzulegen. Er musste sozusagen ganz von vorn anfangen. Aber er lernte rasch. Dübbers fiel von einem Erstaunen ins andere. Und bald lagen auch die ersten „Gegner“ auf den Brettern.

Wo etwas geleistet wird, stellen sich die Manager ein. Zwischenhandel gibt es nicht nur in der Wirtschaft, sondern ebensogut in der Kunst und im Sport. Der Manager und Agent eines Artisten zum Beispiel ist sozusagen sein Makler und Spediteur und oft auch sein Bankier. Nicht viel anders ist es beim Film. Und nicht viel anders im Berufssport, zumal bei den Boxern.

Damals verdienten einige Boxer selbst in Deutschland schon ansehnliche Summen, so zum Beispiel der Gentlemanfighter Prenzel und auch Breitensträter, der blonde Hans. Summen von zwanzigtausend bis fünfundzwanzigtausend Mark als Kampfbörse. Max schwindelte es, wenn er sich das vorstellte. Aber es war nicht nur die Sehnsucht, Geld zu verdienen, die ihn anspornte. Der erste Beifall lag ihm in den Ohren, Ehrgeiz brannte in ihm. Er wollte zeigen, was er konnte. Sein Vater hatte die weite Welt gesehen, und auch sein Herz schlug für grössere Horizonte, als Adolf Dübbers und als sein erster Manager Abels ahnten.

Es war um die Zeit, als der Fiskus ebenfalls seinen Anteil an den steigenden Boxunternehmungen suchte. Mit einem Schlage aber vermochte das die Entwicklung abzudrosseln. Die Kämpfe wurden seltener; das durch die Lustbarkeitssteuer vergrösserte Risiko schreckte viele Veranstalter ab.

Auch kamen immer weniger Ausländer in den deutschen Ring. Die fortschreitende Geldentwertung machte ihre Bezahlung fast unmöglich.

Es war das Jahr 1924.

Damals schon gab es eine Fachzeitschrift des Faustkampfes: „Der Boxsport“. Der Hauptschriftleiter hiess Arthur Bülow. Unter den Mitarbeitern sah man auch den einstigen Hamburger Seemann Walter Rothenburg.

Rothenburg war einer der frühesten Boxveranstalter nach dem Kriege. Jetzt sah er sein Geschäft dahinsinken, und da er auch ein fruchtbarer Lyriker war, erleichterte er sein Herz mit einem Gedicht, dessen melancholische Überschrift lautete: „Unheimliche Ruhe“.

Max und Anny

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