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Mackie verdient Geld
ОглавлениеDie Familie Schmeling zog nach Rothenburgsort, dorthin, wo Max seinen vielleicht ruhmvollsten Kampf gegen den tüchtigen österreichisch-amerikanischen Studenten, Allround-Athleten und Wirbelwind Steve Hamas austragen wird.
Während des Krieges war Mackies Vater bei der Marine eingezogen, und im Hause sah es nicht rosig aus. Da versuchte Mackie auf manche Weise Geld zu verdienen. Er wohnte derzeit mit Mutter, Bruder und Schwesterchen in der Hasselbrookstrasse (Hamburg-Eilbeck), und eben elfjährig, bewarb er sich auf eigene Faust in der Apotheke an der Wandsbecker Chaussee um einen Laufjungenposten. Seine Offenheit und Zutraulichkeit gefielen dem Apotheker und dessen Tochter, und Mackie blieb dort über ein Jahr.
Regelmässig lieferte er seinen kleinen Wochenverdienst in die Hände seiner Mutter, von den Trinkgeldern aber kaufte er jeden Sonnabend Blumen für sie.
Und man kann wohl sagen, diese kleinen bescheidenen Jungssträusse wiegen alle Blumen auf, die Mackie in späteren Jahren so reichlich empfangen durfte.
Die Lebensmittel wurden damals knapp, aber Mackie war immer rechtzeitig darauf bedacht, seinem Körper zu geben, was ihm gebühre. Somit erlag er eines Tages der Versuchung, eine Flasche Rahm und eine Flasche Lebertran-Emulsion mitgehen zu heissen. Da er sie zu Hause nicht zu vertilgen wagte, nahm er die Schätze mit in die Schule. Dort trank er den Rahm selber. Den Lebertran aber, der so ähnlich aussah, schenkte er grossmütig den Kameraden, die sich in der Pause reihum gütlich daran taten.
Dem kleinen Max bekam der Rahm glänzend. Die Emulsion aber war weniger leicht verdaulich. In der Stunde meldeten sich seine Mitschüler einer nach dem andern, um wegen Übelkeit einen stillen Ort aufzusuchen.
Das wollte dem Lehrer eine auffällige Sache scheinen, und er forschte nach, drang bis zu der geleerten Lebertranflasche vor, von da bis zu dem Spender und sodann, ungeachtet der flehentlichen Bitten: „Herr Fehse, ich will es auch wirklich nicht wiedertun, Herr Fehse!“ — bis zu dem gutherzigen Apotheker, der dann aber dem reumütigen Sünder verzieh und ihn behielt.
Damals jedoch dachte Mackie, er würde eines Tages Seemann werden wie sein Vater. Allzusehr lockten ihn die fernen Länder, von denen der weitgereiste Bootsmann so oft erzählt hatte.
Die Kartothek des Hamburger Seemannsamtes enthält übrigens nicht weniger als siebzehn Typen des Namens Schmeling, die alle zur See gefahren sind. Der Vater von Mackies Vater aber war Malermeister gewesen, und dessen Vater hatte die Militärkantine zu Stettin geleitet, war also in der preussischen Heeresverpflegung tätig gewesen und somit sozusagen ein vormärzlicher Kollege des Schwiegervaters seines Urenkels. Mütterlicherseits waren Mackies Grosseltern Bauern aus der Uckermark, in denen aber die Sehnsucht zu Höherem aufstand und sich der Kunstmalerei zuwandte, was teils in Berlin, teils in den Vereinigten Staaten sesshaft wurde. Aber auch der Bruder des Vaters steigerte die vererbte Grundlage der Farbenbehandlung ins Künstlerische, und dieser Onkel lebte in Hamburg.
Max in seiner weissen Marinebluse, die Schülermütze keck ein wenig auf das rechte Ohr gerückt, den breiten Sportgürtel mit dem doppelten Schlangenschloss eng um die Taille gezogen, verkehrte dort gern, zumal drei nette Kusinen das verwandte künstlerische Haus belebten.
Mackies aufkeimende Meinung, dass vielleicht Kunstmaler ein noch netterer Beruf sei als der des Seemanns, wurde von seiner Mutter kräftig unterstützt. Denn keine Seemannsfrau wünscht die Sorgen, die sie um ihren Mann gehabt, in dem Sohne noch einmal zu durchleben.
Der kleine Max wurde also für manchen Nachmittag einem Kunstmaler übergeben, sein Ehrgeiz aber gedachte die Kosten für den Unterricht selbst aufzubringen. Und das gelang ihm volle vier Wochen, indem er als Fremdenführer bei Hagenbeck wirkte. Er tat es heimlich und auf eigene Faust, seine Eltern hätten es ihm nämlich nicht gestattet, und da sein Fehlen nachmittags zu Hause aufgefallen wäre, verlegte er seinen neuen Posten auf die Vormittage. Er schwänzte einfach die Schule. Seine grosse Liebe zu Tieren, die ihn auch heute noch erfüllt, war sicher seiner Idee zu Hilfe gekommen.
Aber in der Schule roch man schliesslich Lunte. Der Schuldiener wurde zur Erkundigung ins Haus geschickt, und das zweckmässige Abenteuer war aus.
Max Schmeling sagt selbst darüber: „Ich fand dieses Vorgehen sehr hässlich, denn ich hatte jeden Tag einen Entschuldigungszettel durch meinen Bruder Rudolf abgeben lassen — dass ich für meine Mutter unterschrieb, geschah doch nur, um ihr eine Arbeit zu ersparen ... und noch lange Zeit spürte ich beim Sitzen die Folgen meiner Tätigkeit als Fremdenführer.“
Zu Ende des Krieges war Mackie schon ein stämmiger Junge und Mitglied eines Fussballvereins.
Seine Erkenntnis, dass es für einen Mann im Leben wichtig sei, Geld zu verdienen, hatte ihn nicht wieder verlassen. Er versuchte in der Zeit der ausserordentlichen Tabakknappheit einen flottgehenden Handel mit selbstgedrehten Zigaretten. Vielleicht kommt es daher, dass es ihm später nie schwer gefallen ist, sich des Nikotins zu enthalten.
Die Sache ging gut, bis er einmal im Dunkel des Wandsbecker Gehölzes seine Erzeugnisse versehentlich dem eigenen Vater zum Kaufe anbot.
Der hatte Humor genug, zu sagen: „Bitte, geben Sie mir zehn, aber dann scher dich nach Haus, Bengel!“