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„Klopfet an, so wird euch aufgetan“

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Es behagte Mackie nicht in der Eilbecker Schule, und er setzte es durch, wieder nach Rothenburgsort zu kommen. Wie er auch später keinen langen Weg gescheut hat, um zu erlangen, was er wollte. Er wurde in der Eilbecker Kirche konfirmiert, und der Tag war festlich geschmückt durch die Anwesenheit seiner drei munteren Kusinen. Der Spruch, den ihm der Pastor mit auf dem Weg gab, hiess: „Klopfet an, so wird euch aufgetan.“ Kein schlechtes Omen fürwahr für seinen späteren Beruf.

Auch für das, was er nun erstmal wurde, war es ein gängiger Spruch. Das Kunstmalen hatte er nach zwölf Monaten aufgegeben. Danach hatte ihm eine Weile vorgeschwebt. Förster zu werden, denn sein verehrter Onkel war nebenbei auch ein leidenschaftlicher Jäger. Die Mutier jedoch riet ihm notgezwungen von der langwierigen Laufbahn ab, und das ganz energisch. Somit wurde er Stift in einer Anzeigenvertretung, die mit dem Hamburger Fremdenblatt zusammenarbeitete.

Es war das Jahr 1920. Mit Mühe war der Bürgerkrieg in Deutschland in seinen Anfängen erstickt worden. Und langsam überpinselten Wind und Wetter und Sott die weissen Wunden, die dem Hamburger Rathaus von den zahlreichen Einschlägen durch Maschinengewehr- und Flintenkugeln der Aufständischen zugefügt worden waren. Jedermann, der nach langen trüben Jahren noch lebte, freute sich des Daseins, so gut es ging. Singend und klampfend zog Mackie in die Lüneburger Heide, falls er die Sonntage nicht nötiger für seinen Sportklub St. Georg brauchte, wo er Torwart der zweiten Schülermannschaft war. Die Hamburger Kaufmannschaft begann den Nacken neu zu steifen. Die Hamburg-Amerika Linie erhob sich aus kläglichen Resten. Sie willigte in eine Gemeinschaft mit dem amerikanischen Harrimankonzern und legte damit den Grund zu einem neuen Aufstieg, der die Welt bald in Erstaunen setzen sollte.

Mackie war sechzehn Jahre und für sein Alter ungewöhnlich gross und kräftig. Der Kontorbock schien ihm kein rechtes Streitross zu sein für seinen Wagemut. Der Sportverein, der sich allmählich zum Ringerklub gewandelt hatte, war allerdings geeigneter, um sich richtig auszutoben, und bald war Max dort der Hauptmacker.

Eines Tages wurde er ausersehen, in einem öffentlichen Ringkampf die Ehre seines Vereins gegen einen um neun Jahre älteren Gegner zu verteidigen. Der Kampf sollte an einem Sonntagvormittag stattfinden. Schon um sechs Uhr morgens erhob sich Mackie aus den zerwühlten Federn, er, der gern an Feiertagen bis Mittag schlief. Seine Mutter merkte, dass etwas im Busche sei. Nach längerer Auseinandersetzung, bei der Mackie sein Vorhaben nicht leugnete, aber auch nicht davon abzubringen war, schloss sie ihn kurzerhand und gnadenlos in sein Zimmer ein.

Und während zu Prag Klein Anny, schon ein halber Backfisch, vor dem Nationaltheater wartete, um einen Platz zu ergattern und Lusette zu sehen, sass Mackie dumpf und hilflos in seiner nördlichen Kammer und sah seine Ringerlaufbahn auf ewig abgebrochen. Er schämte sich tatsächlich so vor seinem Verein, dass er sich dort von da ab nie mehr blicken liess.

Dennoch ist er einmal öffentlich als Ringer aufgetreten, und zwar bald danach. Es war auf dem Wandsbeker Pflaumenmarkt, einem munteren Herbstrummel, nahe Hamburgs Grenzen, der nicht weit von der Wirkungsstätte des aller Gewalt so abholden Mondbesingers Matthias Claudius vor sich zu gehen pflegte. Mackie nahm dort die übliche Herausforderung des Direktors einer Artistenbude ernst und legte „Bully, die Eiche Deutschlands“, nachdem er sich überzeugt hatte, dass sie zu fällen sei, zu Beginn der zweiten Runde auf die Schultern. Leider liess der „Direktor“ im gleichen Augenblick den Gong erschallen und verkündete, die Zeit sei überschritten, welche Auffassung eines dehnbaren Begriffes mangels vorangegangener Verträge schwer zu widerlegen war. Somit gingen Max die bei seinem ersten öffentlichen Sportsiege ausgelobten hundert Mark aus der Nase. Er zog daraus die Lehre, dass es besser sei, von da ab sich an keinem öffentlichen sportlichen Kampf ohne gehörigen Vertrag zu beteiligen, und obwohl ihn nun zum ersten Male der Beifall des Publikums umschmeichelt hatte, so fand er doch, dass ausgerechnet mit dem Ringen nicht das wahre Glück für ihn verbunden sei, und deshalb lernte er Boxen.

Mit dem Boxen war es nun zuerst noch nicht weit her. Es handelte sich da erstmal um das, was man an der Wasserkante unter den Befahrenen so Boxen nennt. Es war englische Überlieferung mit einem gehörigen Schuss Rum und Kautabak; von adligem Stil konnte keine Rede sein, man gab und nahm so richtig aus der Plünnenkiste, haste was kannste. Gewiss, da gab es so eine kleine Schrift: „Der perfekte Faustkämpfer“ oder „Die Kunst der Selbstverteidigung ohne Waffen“. Da las man auch richtig von Haken, Schwingern, Uppercuts, Geraden, von Clinch und Beinarbeit, von Unzen, Bandagen hart und weich, von „Nierenschützern“ aus Aluminium, von Schuhen aus „Kautschuk, die einen leichten, federnden Tritt geben“, von Sandsack und Lederbirne und der geradezu akrobatischen Arbeit daran, und es war auch von den internationalen Regeln der Runden und Pausen die Rede und von der dazu gehörigen Massage vor, während und nach dem Kampfe und auch, dass man frisches Kalbfleisch auf die geschwollenen Stellen legen solle, um sie zum raschen Abziehen zu bringen. Das war alles ganz schön, und man konnte stundenlang darüber sprechen. Man sah auch manchmal im Edentheater ein Kraftweib auftreten, das in grosser Abendrobe anfangs weisse Tauben aus einem Goldfischhafen hervorzauberte und danach, noch diese zarten Geschöpfe auf der Schulter, einen tadellos aufgehängten Lederball zu bearbeiten begann, bald mit den Fäusten, bald mit den Ellenbogen, den Schultern, dem Busen, dass es nur so schnurrte und flimmerte. Die Dame lud auch Herren aus dem staunenden Publikum ein, es ihr nachzumachen. Nur einer soll es einmal fast so gut wie sie gekonnt haben: Mackie. Er war froh, endlich einmal ein so teures Stück unter die Knöchel zu kriegen; denn in seinem Sportverein gab es dergleichen noch nicht, sondern im Anfang wurde das einzige Paar Handschuhe, das vorhanden war, jedesmal unter die beiden Kämpfer dem Los nach verteilt, und da, wie die Sage geht, Mackie meistens den Rechten zog, wurde seine Rechte frühzeitiger geschult und früher hart als die Linke. Und weil für Nachkuren das teure Kalbfleisch nicht in Frage kam, lernte er früh, sich trefflich vor allzu unzarter Berührung der gegnerischen Pfoten zu wahren und im übrigen, sozusagen durch „Selbstbesprechung“, seinem Schädel anzugewöhnen, harten Schlägen die Wirkung einfach nicht zu gönnen, sondern sich zu einer stählernen Maske auszubilden. Es ergab sich, dass Max körperlich und geistig ungewöhnliche „Konzentrationskraft“ besass. Er war geradezu vorbildlich für den Boxsport begabt. Wohin das führen würde, ahnte noch niemand, und auch er selber noch nicht.

Max und Anny

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