Читать книгу Brandung hinter Tahiti - Hans Leip - Страница 8
Tumult im Strom
ОглавлениеZur rechten Zeit in Schwall und Schwarm,
zur rechten Zeit allein gehaust,
zur rechten Zeit ein Liebesarm,
zur rechten Zeit die Faust.
Vom Orchester in Parishs Park erscholl jetzt der stolze »Einzugsmarsch in den Palast des Paschas«.
Die rot überfüllten Harburger Ewer querten die Buge der Transportschiffe, schwenkten regellos ein und legten sich an die runden Bäuche. Freiherr von Platow angelte mit Mühe das Stabsboot aus dem Knäuel und leitete es zur Juno. Seine beiden Schreiber turnten wie Meerkatzen von Bord zu Bord, mit heiserem Geschrei nach den Compagnien suchend und die Quartierzettel schwingend, die am Vormittag unter Vorbehalt fertig gemacht worden waren. Die Fallreepe verschwanden allerorts unter hochkletternden Rotröcken. Die Feldwebel ließen in den Mitteldecks antreten. Aber bei der ungewohnten Raumenge war keine rechte Ordnung zu halten. Die Schlafstellen wurden gruppenweise zugeteilt. Es erwies sich bald, daß sie nicht reichten, oder vielmehr, daß nur mit Ablösung abteilungsweise geschlafen werden konnte. Und wo sollte man mit dem Gepäck bleiben? Das Bettzeug war dürftig, Geschirr und Einrichtung spärlicher als selbst in einem Kasemattenlager. Man verlangte nach Verpflegung – Marsch und Wasserfahrt hatten Magen und Kehle begehrlich gemacht.
Jedoch die Kapitäne, bis auf den der Juno, hatten es trotz aller Vorbesprechung mit dem Reeder unterlassen, hinreichend vorzusorgen. Womöglich wollten sie gerade dadurch ihr Verständnis für das Geschäft des Reeders erweisen. An Bord der Juno aber dampfte der Grogkessel auf dem Kombüsenfeuer, und Brot und Rauchfleisch waren reichlich zur Hand. Die Juno schien sich der Ehre bewußt, den Regimentsstab aufzunehmen.
Auf den beiden Hamburger Schiffen ging es auch noch an, da man sich mit der Besatzung wenigstens verständigen konnte. Bei der Unterhaltung kam allerdings nichts Erquickliches heraus, weil die Seeleute nach alter Gewohnheit die Landratten betreffs der Fahrt, des Essens und des Reisezieles gehörig durchs Garn zogen.
Schlimmer ging es alsbald an Bord der Dänen zu, deren Kapitäne am meisten getrunken oder am wenigsten vertragen hatten und erstens nichts verstanden und zweitens sich nichts sagen lassen wollten.
Die Soldaten stolperten, da die Luken noch nicht geschlossen waren, mutwillig über die Proviantfässer her und brachen auch einige gewaltsam auf, wobei aber nichts als Sauerkraut zum Vorschein kam. Es begann deswegen ein Mordsgefluche, das schnell in eine allgemeine Prügelei ausartete, erst nur zwischen Unteroffizieren und Gemeinen, die sich aber bald einigten und nun gemeinsam über die Matrosen herfielen und Kapitän und Steuerleute von Bord jagten. Der Krakeel wirkte ansteckend. Auch die Hamburger Kapitäne mußten in die Boote flüchten, ehe die Offiziere, die sich auf der Juno versammelt hatten, eingreifen konnten. Und da der Rapport des Quartiermeisters so überaus ungünstig ausfiel, zögerte Oberst Löwenstein mit einer raschen Gegenmaßnahme. Man sollte höherenorts ruhig erkennen, daß mit seinen Werbe-Regimentern nicht zu scherzen sei. Und waren es teils auch nur gepreßte Söldner und Abenteurer von allen deutschen Landstraßen, so waren es teils doch gute hessische Bauernjungen und teils wirklich ebenso repektierliche hannoversche Landeskinder.
Vielleicht wäre man über Bremen besser bedient worden als über Hamburg, meinte der Kommandeur ärgerlich. Er verlangte nach dem Agenten.
Der Transportagent aber war ganz entgegen eigenem Wunsch von den Hamburgern mit an Bord genommen worden und geriet dort einem Sergeanten in die Finger, der jene denkwürdige Fahrt nach Ostindien vor fünfzehn Jahren mitgemacht hatte und erst vor vieren zurückgekehrt war. Er glaubte, den Herrn von damals wiederzuerkennen, der sie »zum Satan schlecht« bedient hatte. Er raunzte, zwei Jahre hätten sie gebraucht, um hinzukommen, und dieser krumme Knauser sei schuld, auch am Unglück der Brillant, von sieben Offizieren seien dort vier verreckt, und auch sein guter Hauptmann von Platow, Vetter des jetzigen Quartiermeisters, die Gemeinen ungerechnet, und ob er nun wieder Schindluder mit braven Kerlen treiben wolle!
Da half kein Gezeter, man warf den Agenten mit Hohngebrüll über die Reling, dem Kapitänsboot nach, das ihn nicht sehr freundlich auffischte.
Nun wurde die Sache ernst. Oben in Parishs wundervollem Park blieb man kraft einiger Fernrohre nicht lange im unklaren, und es gab verstörte Gesichter. »Mein Lord, mein Lord!« rang der große Handelsherr die Hände. »Nie wieder Menschenfracht! Pökelfleisch ist dankbarer!«
Er suchte Captain Popham, um auf diesen alle Gewissensbisse von sich abzuwälzen. Hatte er nicht alles getan, was der Kalkulation nach angemessen war? Er war schon einmal mit einem westindischen Geschäft hereingefallen, hatte viel Geld in ein paar niedliche Briggs gesteckt, hatte sie mit Pökelfleisch befrachtet, und alles war wohlbehalten in Tobago angekommen; nur daß Herr Millar, der Superkargo, mit dem prächtigen Erlös nach Amerika verduftet war und die wackeren Schifflein in purem Ballast heimgeschickt hatte, das war bitter. Und mußte einen redlichen Menschen wohl zur Vorsicht mahnen. So sagte sich Herr Parish. »Mein teuerster Popham!« jammerte er vor der Tür eines diskreten Ortes, wohin, wie er annahm, der englische Bevollmächtigte sich zurückgezogen hatte. »Warum haben Sie keine Fregatten, keine Linienschiffe oder wenigstens ein paar Kanonenboote mitgebracht, um unsere Ladung in Räson zu halten? Alles geht über Top und Takel, mein allerwertester Seelord!«
Aber Käptn Popham war schon fortgegangen.