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Menschen am Schnittpunkt dreier Kulturen
ОглавлениеImmer wieder hat das Kanaltal/Val Canale/Val Cjânal/Kanalska dolina also stürmische Zeiten erlebt. Aus allen Richtungen, zumeist aber aus dem Süden, sind die Menschen hierhergekommen. Es waren familiäre Gründe, kaufmännische oder berufliche Überlegungen und nicht zuletzt die Liebe, die Menschen ins Tal am Dreiländereck, im äußersten Nordosten Friaul-Julisch Venetiens, brachte.
Nach dem Ersten Weltkrieg, nach der Option 1939, nach dem Ersten Weltkrieg und dem darauffolgenden wirtschaftlichen Aufschwung gab es vielerlei Gründe hierherzuziehen. Manche kamen, wie die Eltern von Gianni Macoratti, mit den englischen Besatzern von Tarcento nach Tarvisio und wurden hier gastronomisch tätig. Andere, wie der damalige Schüler Edi Kranner, zogen mit ihren Eltern und Geschwistern nach der Option aus Kärnten zurück ins Tal und bauten sich hier ein neues – und auch erfolgreiches – Leben auf.
In politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich bewegten Zeiten wie diesen muss ich das Kanaltal geradezu als „mitteleuropäisches Mustertal“ bezeichnen. Das Zusammenleben der Menschen mit vier Sprachen, aus drei Kulturkreisen und an zwei Grenzen funktioniert. Natürlich ist nicht immer alles eitel Wonne, und es gibt da und dort auch Streit. Aber einer hat hier vom anderen angenommen und gelernt, und trotzdem konnte sich jeder seine Traditionen erhalten. Und: man pflegt sie sogar gemeinsam!
Dass dies etwas Besonderes ist, wurde auch der bereits zitierten amerikanischen Reisegruppe bewusst, die über die ungezwungene Art des Zusammenlebens nicht schlecht staunte, zumal sie die Geschichte Mitteleuropas und Altösterreichs kannte. Ein zwangloses Miteinander von Menschen innerhalb und außerhalb der Grenzen.
Aus zahlreichen Gesprächen mit den Menschen vor Ort weiß ich, wie wichtig und wertvoll den Menschen ihre sprachliche Vielfalt ist, wie es etwa auch Wirt Sandro Zanazzi einmal betonte. Ein alter Almwirt, der sich als Windischer bezeichnete, erzählte mir, dass er drei Sprachen spricht, die meisten im Dialekt, aber kaum in einer Sprache fehlerfrei schreiben kann. „Wos solls, bin so a durchs Leben kemmen“, meinte er schmunzelnd.
Staunend habe ich oft miterlebt, wie Kanoltoler Freunde vom Hochdeutschen ins Italienische und von dort in den „kärntnerischen“ Kanoltoler Dialekt gewechselt haben. Andere wieder wechselten vom Windischen ins Italienische und dann ins Deutsche. Einfach so, einfach weil es selbstverständlich ist und weil es beruflich wie privat schon seit Generationen üblich ist.