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Die Küche des Tals
ОглавлениеBringe ich meine Einblicke in die Kanaltaler Küche auf einen gemeinsamen Nenner, dann sieht das Ergebnis folgendermaßen aus: Tradition haben im Tal und den Nebentälern die slowenische und die kärntnerische Küche, dazu kommt die altösterreichische mit all ihren Einflüssen. Da in manchen Orten mehr Slowenen und Windische, in anderen wiederum mehr Deutsche ansässig waren, gab es von Ort zu Ort auch unterschiedliche kulinarische Gewohnheiten. Im Wesentlichen ist die alte Kanaltaler Küche jener des kärntnerischen Gailtales sehr ähnlich. Was wiederum auch auf den slowenischen Dialekt, das Windische im Tal, zutrifft.
Schritt für Schritt hielten nach dem Ersten Weltkrieg Italien und Friaul in der Küche Einzug. Menschen, die aus dem Süden hierherzogen, brachten neben anderen kulinarischen Elementen die Fischküche mit. Mehr und mehr kamen später auch Gerichte aus der Carnia zu ihrem Recht. Allen voran die Cjalcons. Jeder nahm das für sich an, was ihm eben schmeckte und die Gastronomie das, was sich gut verkaufen ließ.
In den gastronomischen Betrieben sind alte, typische Kanaltaler Gerichte selten anzutreffen. Mit einer Ausnahme, doch dazu später mehr. Den Küchen von Friaul und dem Bergland der Carnia begegnet man inzwischen immer öfter. Strenge Trennlinien gibt es ohnehin nicht. Wie auch, in Zeiten, in denen internationale Fusionsküchen Vorbildwirkung haben? Doch das war nicht immer so. In deutschen Familien gab es durchaus Sasaka oder andere typische slowenische Lebensmittel bzw. Zubereitungsarten. Der Speck hat im Tal seine Heimat, hinzu kam im Laufe der Jahre der Lardo. Das ist jener weiße Bauchspeck, wie er im Friaul und in anderen Regionen Italiens serviert wird. Sterz und Polenta, Topfen und Ricotta, Würste und Salsicce sind Beispiele für die kulinarische Vermischung. Der Kärntner Gerschtbrein (Gerstensuppe mit Speck und Bohnen) ist dem Orzo e fagioli nicht unähnlich.
Ein Hort der Kanaltaler Küche: Antica Trattoria „Da Giusi“
So bestätigt mir Lucia Mischkot, dass daheim, in der traditionellen Kanaltaler Küche, die Ähnlichkeit mit der Gailtaler Küche sehr groß war und ist. So macht Lucia noch heute die Gelbe Suppe, den Schweinsbraten oder ein Gulasch mit Polenta. „Mangels eigener Schweine ist im privaten Bereich die Produktion von Speck und Würstln allerdings zurückgegangen“, weiß die Wirtin zu erzählen.
„Wir haben auch Knödel, es gibt Zwetschkenknödel und Marillenknödel“, erzählt auf der Gacceman Alm auf 1286 Meter Seehöhe Herr Errath aus Ugovizza. „Und zwei Schweine füttern wir auch noch.“ Die werden aber eher auf italienische Weise verarbeitet. Einfach deshalb, weil auf einer Kanaltaler Alm die Leute lieber Soppressa essen als Hauswürstel oder Schweinsbraten.
Und apropos Knödel: In Rutte gab es sogar schon Zwetschkenknödel-Feste. Bio-Bäuerin Giulia Gorasso aus Oltreacqua-San Antonio bietet neben Zwetschkenknödeln auch andere hausgemachte Knödel und Gnocchi oder frisch geschlachtete Kaninchen an. Letztere gelten besonders in der italienischen Küche als Spezialität.
Richtig ans Eingemachte, sprich „Kanoltolerische“, geht es bei Giuseppina Alsido und Alfredo Domenig in der Trattoria „Da Giusi“ in Malborghetto. Sie waren in den 1980er-Jahren die Ersten, die mit der traditionellen Küche des Tales in die Öffentlichkeit gingen. Damals galten noch Pizza, Pasta, Lasagne, Calamari fritti und Fisch als die Hauptgründe für eine Fahrt über die Grenze ins Val Canale.
Alfredo erzählt: „Unsere Speisekarte war fast ein Skandal.“ Ein anderer wiederum sah das ganz anders. Im Jahr 1987 verfasste der Präsident der Dante Alighieri Gesellschaft Spittal/Drau, Gerd Thalhammer, für die Kleine Zeitung Kärnten einen Artikel zum Thema „Traditionelle Kanaltaler Küche“ mit dem Titel: Von Erdäpfelkipfalan und Polstazipfalan. Darin beschreibt er das Bemühen um die kulinarische Tradition von Giusi und Alfredo. Ein Teil der Speisekarte kommt bei ihnen noch immer im Dialekt daher. Ich gebe sie zwecks leichterer Verständlichkeit für Nicht-Kanoltola und Nichtkärntner auf „Österreichisch“ wieder: Leberknödelsuppe, Reibgerstl, Fisolensuppe, Brotknödel mit Schmalz, Kalbsbraten, Schweinsbraten oder Kartoffelgulasch sind darauf zu finden.
Aus dem Dreiländereck kommt das Geselchte vom Schwein oder die Blutwurst. Auch Beilagen wie die Polenta. Aber die ist viel weiter südlich ebenso äußerst beliebt. Nicht italienisch hingegen sind geröstete Kartoffeln, Krautsalat, Sauerkraut, Kartoffelsalat oder Gurkensalat mit süßem Rahm. Dem untergegangenen Österreich-Ungarn begegnen wir beim Tellerfleisch oder beim Szegediner Gulasch. Ebenso bei der Kren-Soße, beim Kaiserschmarren, den Buchteln, dem Topfen- (=Schotten-) und Apfelstrudel oder den Polsterzipfeln. Doch – was mir bei meinen Recherchen auf den Speisekarten abging, war die Kärntner Nudel! Alfredo Domenig klärte mich auf: Im Kanaltal wird nur der süße Ableger davon zubereitet, nämlich die Klotznnudel (Kletzennudel). Übrigens: Die Mama von Giusi kam aus Treppo Grande (Provinz Udine) und derPapa aus Col San Martino, einem schönen Ort im Prosecco-Gebiet (Provinz Treviso). Alfredos Vater war ein Saifnitzer und die Mutter stammte aus Malborghetto. So viel zum „Schmelztiegel“ Kanaltal. Gekocht wird im Haus nach wie vor nach ihren alten Rezepten.
Wild, Pilze und Schwammerln spielen überall im Tal eine bedeutende kulinarische Rolle. Nur bei der Zubereitung hat sich im Laufe der Zeit doch einiges geändert, manches wurde bekömmlicher und kreativer. Längst aber hat sich die alte Kanaltaler Küche mit jenen der anderen Kulturkreise vermischt. Ich behaupte einmal: In kaum einem anderen Tal Mitteleuropas ist die kulinarische Vielfalt so groß wie hier.
Aus der Speisekarte von „Da Giusi“