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Eisenbahngegner und ihr Delirium furiosum

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Zwar ist das Privateigentum heilig, doch seit dem 11. März 1838 gilt im Kanton Zürich das Landenteignungsgesetz «zum Zwecke des öffentlichen Wohls», die Konzession für den Bahnbau kann erteilt werden. Doch nun wächst eine breite Opposition gegen die Liberal-Radikalen. Am Bodensee sind wegen der neuen Dampfschiffe Schiffsleute brotlos geworden. Verelendete Textilheimarbeiter und ihre Zulieferer, die Fergger, haben bereits Ende 1832 in Oberuster jene Satansfabrik niedergebrannt, in der nach Spinnmaschinen auch Webmaschinen eingerichtet worden sind.5 Und nun noch die Eisenbahn! Sie würde die Nahrungsmitteleinfuhr verbilligen und die Bauern ruinieren, den Gemeinden und Kantonen Land-, Geleit-, Weg- und Brückenzölle wegnehmen, allein im Kanton Aargau umgerechnet eine Million Franken. Ein ärztliches Gutachten beweist nach der Eröffnung der Nürnberg—Fürth-Bahn Ende 1835 wissenschaftlich, dass die Ortsveränderung mittels irgendeiner Art von Dampfmaschine die geistige Unruhe, das Delirium furiosum, hervorrufe. Zudem schwärzt das gottlose Feuerross das Korn, macht Pferde störrisch und hält Hühner vom Eierlegen und Kühe vom Milchgeben ab. Und schliesslich hat die Aktienzeichnung gezeigt, dass die Schweiz zum ökonomischen Vasallen fremder Geldtyrannen wird.6


Festliche Eröffnung der französischen Bahn in Basel, links das für die Bahn erweiterte Stadttor.

Stahlstich L’illustration Paris 1844.

Die Basel—Zürich-Eisenbahngesellschaft publiziert in der «Zeitschrift für das gesamte Bauwesen» ab 1837 Pläne für eine Linienführung mit weiten Kurvenradien und geringen Steigungen. Uneinig ist man sich noch über den Standort des Kopfbahnhofs in Zürich. Soll er im Talacker auf Stadtgebiet sein oder ohne Brücke über der Sihl auf Aussersihler Gemeindeboden? Die Bahngesellschaft findet über den berühmten George Stephenson einen Bahnbauingenieur: John Locke leitet mit dem einheimischen Vermesser Johann Wild das Geniekorps. Dieses sieht sich im Kanton Aargau behindert und angegriffen: Nivellierungsarbeiten werden lokal verweigert, bei Klingnau und im ganzen Siggental verschwinden nachts Vermessungspfähle und Signaltafeln.

Am 5. September 1839 kommt es zum «heiligen Kampf für Gott und das Vaterland», ausgerufen von konservativ-kirchlichen Führern. Am Landsturm auf Zürich nehmen 4000 Personen teil, die Hälfte mit Gewehren und Sensen. Beim Münsterhof schiesst das Militär, 15 Menschen sterben, ein liberal-radikaler Politiker flieht in Frauenkleidern, die Regierung löst sich auf.

Der «Züriputsch» bringt wieder die Konservativen an die Macht. John Locke reist nach England zurück. Nach einem vergeblichen Hilferuf an die konservative Regierung liquidiert sich die erste schweizerische Bahngesellschaft Ende 1841 und erstattet die schon einbezahlten Aktienanteile weitgehend zurück. Der Bahninitiator Martin Escher-Hess glaubt weiterhin, das neue Verkehrsmittel fördere die Volkswohlfahrt und die Bildung. Er erwirbt die Baupläne und kann sie dann mit Regierungsbeteiligung einer Interessengemeinschaft verkaufen.

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