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3 › IV. Vorrats-SE

IV. Vorrats-SE

3IV › 1. Gründung

1. Gründung

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Die Gründung einer SE als Vorratsgesellschaft ist zulässig.[1] Sie stellt insbesondere keine Umgehung des numerus clausus der Gründungsformen aus Art. 2, 3 SE-VO sowie des für jede Gründung geforderten Mehrstaatlichkeitsprinzips dar.[2] Die Gründungsvarianten der SE-VO setzen keine Geschäftstätigkeit der zu gründenden SE voraus. Die SE-VO bietet auch keinen Schutz vor faktischen Erleichterungen einer SE-Gründung infolge der effektiven Kombination verschiedener Gründungstatbestände.[3] Maßgeblich ist allein, dass die formalen Voraussetzungen des jeweiligen Gründungstatbestands eingehalten werden. Die Vorratsgründung ist gegenüber dem Registergericht – etwa unter Verwendung des Unternehmensgegenstands „Verwaltung eigenen Vermögens“ – offenzulegen.[4]

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Beschäftigen die Gründungsgesellschaften einer SE – was bei Vorratsgesellschaften regelmäßig der Fall ist – keine Arbeitnehmer, kann die (Vorrats-)SE in teleologischer Reduktion des Art. 12 Abs. 2 SE-VO eingetragen werden, ohne dass es eines vorherigen Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens bedarf.[5] Ein Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren wäre bloßer Formalismus. Denn ein Verhandlungsgremium auf Arbeitnehmerseite existiert nicht. Dementsprechend kann auch die Verhandlungsfrist nach § 20 Abs. 1 SEBG gar nicht erst beginnen. Für die Eintragung der SE sind gegenüber dem Registergericht damit lediglich entsprechende Negativerklärungen einzureichen.[6] Das Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren entfällt allerdings nur dann, wenn die Gründergesellschaften vollständig arbeitnehmerlos sind. Für eine darüber hinausgehende Einschränkung des Art. 12 Abs. 2 SE-VO auch in dem Fall, dass die Gründungsgesellschaften und deren Tochtergesellschaften weniger als zehn Arbeitnehmer beschäftigen, besteht entgegen einer im Hinblick auf die rechnerische Mindestgröße des besonderen Verhandlungsgremiums (vgl. § 5 SEBG) vielfach vertretenen Auffassung kein Bedarf.[7] Vielmehr ist es ausreichend, lediglich die Größe des besonderen Verhandlungsgremiums bei weniger als zehn Arbeitnehmern entsprechend zu reduzieren.[8] Schließlich ist alleine maßgeblich, dass die Gründungsgesellschaften keine Arbeitnehmer beschäftigen; unbeachtlich bleibt hingegen, ob die SE selbst arbeitnehmerlos sein soll.[9]

3IV › 2. Aktivierung und wirtschaftliche Neugründung

2. Aktivierung und wirtschaftliche Neugründung

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Für die Aufnahme des operativen Geschäftsbetriebs durch eine zuvor erworbene Vorrats-SE ist diese typischerweise durch Anpassung des satzungsmäßigen Unternehmensgegenstands und Austausch des Leitungsorgans, ggf. verbunden mit einer Sitzverlegung, zu aktivieren.

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Die im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht geltenden Grundsätze der wirtschaftlichen Neugründung finden auch bei der Aktivierung einer Vorrats-SE mit Sitz in Deutschland Anwendung.[10] Danach ist für den Zeitpunkt der Anmeldung der o.g. Änderungen sicherzustellen, dass das gezeichnete Kapital der SE (Art. 4 SE-VO) durch Einlageleistung der Anteilsinhaber analog §§ 36 Abs. 2, 36a, 54 Abs. 3 AktG zur endgültig freien Verfügung des Leitungsorgans aufgebracht wurde. Dies ist analog § 37 Abs. 1 AktG von den Anmeldenden gegenüber dem Registergericht zu erklären und nachzuweisen. Anmeldende sind neben allen zum Zeitpunkt der Anmeldung existierenden Anteilsinhabern („Verwender“ der Vorratsgesellschaft) im Fall einer dualistischen SE sämtliche Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats (vgl. § 36 Abs. 1 AktG)[11] bzw. bei einer monistischen SE sämtliche Mitglieder des Verwaltungsrats und alle geschäftsführenden Direktoren (vgl. § 21 SEAG).[12] Erforderlich sind ferner ein Gründungsbericht und eine Gründungsprüfung analog §§ 32 ff. AktG.[13] Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 52 AktG sind überdies die Vorgaben für die Nachgründung zu beachten.[14] Vor der Eintragung prüft das Registergericht die ordnungsgemäße wirtschaftliche Neugründung analog § 38 AktG.

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Wurden im Namen der SE vor der Anmeldung[15] der wirtschaftlichen Neugründung Rechtshandlungen vorgenommen, haften die Handelnden nach Maßgabe des analog anzuwendenden Art. 16 Abs. 2 SE-VO.[16] Unterbleibt die Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung im obigen Sinne, haften die Anteilsinhaber der SE dieser gegenüber im Umfang einer Unterbilanz, die in dem Zeitpunkt besteht, zu dem die wirtschaftliche Neugründung entweder durch die Anmeldung der Satzungsänderungen oder durch die Aufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit erstmals nach außen in Erscheinung tritt.[17]

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Für weitergehende, an die wirtschaftliche Neugründung anknüpfende Beschränkungen der Restrukturierungsmöglichkeiten der SE – wie etwa ein Verbot der gleichzeitigen Sitzverlegung analog Art. 37 Abs. 3 SE-VO oder die Auslösung der Zweijahresfrist des Art. 66 Abs. 1 S. 2 SE-VO, innerhalb welcher die SE nicht in eine AG umgewandelt werden kann[18] – besteht kein Anlass.

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Die wirtschaftliche Neugründung allein führt nicht analog § 18 Abs. 3 SEBG zur Durchführung eines Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens.[19] Sie dient lediglich der ordnungsgemäßen Kapitalaufbringung und entspricht daher keiner strukturellen Änderung. Jedenfalls ist sie nicht per se geeignet, die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer zu mindern. Ein Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren kann nur bei anschließenden Restrukturierungsmaßnahmen stattfinden, wenn diese auch die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 SEBG erfüllen (z. B. Verschmelzung einer mitbestimmten Gesellschaft auf die Vorrats-SE).[20]

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