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1. Kapitel Geschichte und Zukunft des Aktienrechts › IV. Ausblick – Was bringen die nächsten 25 Jahre?

IV. Ausblick – Was bringen die nächsten 25 Jahre?

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Unser Aktiengesetz hat einen guten Stand erreicht, es kann sich international sehen lassen, unsere Corporate Governance hat sich gerade auch mit Blick auf die Finanzkrise als stabil und robust erwiesen. Eine große Aktienrechtsreform steht nicht auf der Agenda, zum Beschlussmängelrecht wird sie immer wieder gefordert und soll auch nicht ausgeschlossen werden. Da die zugrundeliegende ökonomische Problematik sich aber seit dem ARUG weitgehend erledigt hat,[1] wäre dies eine eher rechts-kosmetische Maßnahme. Wenn wir heute Veränderungslinien suchen, dann könnte man folgende ansprechen.

1. Kapitel Geschichte und Zukunft des AktienrechtsIV. Ausblick – Was bringen die nächsten 25 Jahre? › 1. Gesellschaftspolitisch motivierte Regelungen im Gesellschaftsrecht

1. Gesellschaftspolitisch motivierte Regelungen im Gesellschaftsrecht

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Wir haben mit dem Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung und dem Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst[2] zwei gesellschaftspolitisch motivierte Aktienrechtsänderungen gesehen. Manche machen sich bereits Sorgen über zu viele nicht originär gesellschaftsrechtlich begründete Eingriffe des Gesetzgebers. In eine ähnliche Richtung gehen die laufenden Diskussionen um Compliance, Corporate Social Responsibility, die Erweiterung der Rechnungslegung auf „nicht finanzielle Ziele“,[3] Diversität, die Beachtung der Umwelt und der Menschenrechte auch in ausländischen Konzerntöchtern und der Lieferkette weltweit und allgemein zur Nachhaltigkeit, auch hinsichtlich Stimmrechtsausübung der Asset Manager, als auch hinsichtlich der Investitionen der Unternehmen.[4] Dahinter steht die klare Abkehr vom Shareholder Value Denken der 90er Jahre und die Hinwendung zum Stakeholder Value Ansatz auf OECD-, Unions- und nationaler Ebene. Solche Eingriffe sind in einer Demokratie freilich legitimer Ausdruck des Primats der Politik, der besonders nach der Krise stärker betont wird.

1. Kapitel Geschichte und Zukunft des AktienrechtsIV. Ausblick – Was bringen die nächsten 25 Jahre? › 2. Internationalisierung der Aktionärsstruktur

2. Internationalisierung der Aktionärsstruktur

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Eine zweite Linie rührt weiterhin von der Internationalisierung her, die Aktionärsstruktur hat sich weiter stark verändert. Wir haben kaum noch Privataktionäre, sondern überwiegend institutionelle Aktionäre und mehr als 50 % davon kommen aus dem Ausland. In der heutigen Hauptversammlung dominiert nicht mehr der Privataktionär mit Weste und Nadelstreifen, der einen Rollgriff in die Zigarrenkiste tut und am Büffet gewichtig über Strategie und Dividenden diskutiert. Die Zeiten haben sich geändert. Stimmgewicht und Macht haben nicht die lediglich zahlenmäßig vielen Kleinaktionäre, die den Versammlungssaal füllen, sondern Agenten, Vertreter von internationalen Fondsgesellschaften, Versicherungen und Banken als Nominee-Aktionäre. Sie alle vertreten die Interessen irgendwo hinter ihnen, am Ende einer Investment-Kette stehender wirtschaftlicher Eigentümer. Agenten kontrollieren Agenten, die von Agenten kontrolliert werden, könnte man sagen.[5] Es verwundert daher nicht, dass sich die OECD[6] mit der Überarbeitung ihrer Corporate Governance Principles in 2015 und die EU-Kommission mit ihrer Änderung der Aktionärsrechterichtlinie den Finanzintermediären, vor allem aber den Asset-Managern, Proxy Advisors und institutionellen Anlegern zuwenden,[7] um Interessenkonflikte zu vermeiden und dafür zu sorgen, dass diese Akteure im typisiert-betrachteten langfristigen Interesse der wirtschaftlichen Eigentümer handeln. Hieraus ergeben sich Fragen zu Sinn und Form der klassischen deutschen Präsenzhauptversammlung (From Event to Process).[8] Das ist aber Zukunftsmusik, momentan erwächst daraus noch kein rechtspolitischer Handlungsdruck. Da alte Industrien und Dienstleistungsbranchen, die Ineffizienzen aufweisen, neuerdings von disruptiven, also abschaffenden digitalen Technologien angegriffen werden (FinTechs), kann man im Übrigen gespannt sein, ob es solche Vorgänge auch auf den Kapitalmärkten geben wird.

1. Kapitel Geschichte und Zukunft des AktienrechtsIV. Ausblick – Was bringen die nächsten 25 Jahre? › 3. Börsenstandort Deutschland

3. Börsenstandort Deutschland

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Eine dritte Entwicklungslinie, oder vielleicht eher ein Problem, kann in der zunehmenden Regulierungsdichte gesehen werden, die insbesondere die börsennotierten Gesellschaften trifft. Auch dies dient dem Handlungsnachweis der Politik nach der Finanzkrise und betrifft vor allem das Kapitalmarktrecht und den regulierten Bereich (Banken, Versicherungen). So sinnhaft das alles sein mag und so gute Gründe in jedem Einzelfall dafür angeführt werden mögen, sollte man sich doch nicht der Illusion hingeben, durch politische Regulierung und ein immer enger geschnürtes Corporate Governance Korsett jedes Scheitern wegorganisieren zu können, denn Scheitern ist die notwendige eine Seite des unternehmerischen Handelns, dessen andere Seite die Chance ist. Oder um an Josef Schumpeter zu erinnern: „die kreative Zerstörung ist Quelle unseres Wohlstands“.[9] Wir sind heute an einem Punkt angelangt, an dem die Börsengänge in Deutschland rückläufig sind. Die Frosta-Entscheidung des BGH von 2013[10] hat den Überlegungsprozess zum Delisting noch beschleunigt und manche haben das Zeitfenster vor der gesetzlichen Neuregelung durch das Gesetz zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie[11] für ein Going-Private[12] genutzt. Das ist für unseren Finanzplatz und für die Möglichkeiten unserer Bürger, ihr Geld in einem extremen Niedrigzinsumfeld sinnvoll anzulegen und an der Prosperität unserer Unternehmen teilzuhaben, bedauerlich. Auch benötigen wir die Börse als organischen Exit für die Start-up- und Private-Equity-Investoren. Ein schwacher IPO-Markt für Wachstumsunternehmen erschwert die Venture Capital-Versorgung für die Gründer. Wir benötigen aber die jungen Unternehmen als Innovationstreiber in einer alternden Industriegesellschaft. Das IPO hat natürlich noch weitere wichtige Funktionen, u.a. zur Schaffung einer Übernahmewährung und zur Erleichterung von Mitarbeiterbeteiligungen. Wir müssen aufpassen, gutgemeinte Regulierung nicht zu überdrehen – auch wenn man hoffen darf: Das Geld ist rund und es rollt über alle Hindernisse hinweg immer dorthin, wo es sich am besten zu vermehren hofft.

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