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Die Transformation spätantiker Begriffe

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Im frühen Christentum waren die Begriffe histrio, mimus, scurra, sannio und ihre qualitativen Ableitungen scurrilitas und iocularitas Kampfbegriffe der Kirche gegen falsches Verhalten im Rahmen des Lächerlichen und Obszönen. Warum aber ist die Kritik an theatralen Darstellern wie Spaßmachern und Komödianten bei den Kirchenvätern so radikal, und warum bleibt sie es bis zu Thomas fast über das gesamte Mittelalter hinweg? Für die erste Frage hat die Forschung verschiedene Antworten gegeben, die für den Problemzusammenhang Lachen und Körper nicht unwichtig sind:

 (1) rezeptionsgeschichtliche Ursachen: die Geschichte des griechischen und römischen Theaters war den Kirchenvätern mit der Ausnahme Tertullians nur fragmentarisch bekannt. Sie kannten aber viele Schauspieler und Stücke ihrer Gegenwart.9 Im vierten nachchristlichen Jahrhundert war das römische Volkstheater jedoch vor allem von Mimus und Pantomimus beherrscht.10 In den Quellen wird immer wieder deutlich, dass sich die Kirchenväter vor allem auf Komödien und aufgeführte Possen beziehen, nicht auf Tragödien.11

 (2) ideologische Ursachen: das römische Theater sahen die Kirchenväter als zugehörig zum heidnischen Kult (und insofern als Verbreiter von idolatria und superstitio).12 In einer breiten Beweisführung legten Tertullian und Augustinus den kultischen Ursprung aller antiken Feste und Spiele dar.13 Die Präsenz der Gläubigen bei Schauspielen aller Art ist aus dieser Perspektive Götzendienst, und dieser ist teuflisch. Die Gleichsetzung heidnisch und teuflisch kehrt in allen Polemiken leitmotivisch wieder.

 (3) Erniedrigung und verletzte Gefühle durch Gelächter, Spott und Verhöhnung des Christentums im Theater: Wichtiger als die generische Zuordnung des Theaters zur heidnischen Götzenverehrung waren ganz spezifische Züge am spätantiken Volkstheater. In Mimus und Pantomimus sind, wie Reich zeigt, Christen und Christentum stark karikiert und verhöhnt worden. Auch Kirchenfürsten wurden von den Mimen auf der Bühne verspottet. Dies wird an den insistenten Klagen von Gregor von Nazianz über Parodien von Taufritualen und Märtyrertode, oder an der Nachahmung seiner Person als Patriarch von Konstantinopel deutlich.14 Chrysostomos als Nachfolger Gregors beschwerte sich ebenfalls bitter darüber, dass die Mimen seinen Streit mit den Bischöfen Severianus und Antiochus auf die Bühne brachten, und beklagte, dass seine Gemeinde die Kirche leer stehen lasse, um zu den Mimen zu laufen.15

 (4) Konkurrenz zum Christentum: dass Chrysostomos die Aufmerksamkeit seiner Gemeinde mit den Mimen teilen muss, zeigt die hohe Konkurrenzsituation zu den Resten der römischen Mythologie und anderer Religionen aus dem Osten, in der sich das frühe Christentum befand.

 (5) Körperfeindschaft: Der menschliche Körper ist in christlicher Anschauung dem Bösen besonders ausgesetzt. Dies gilt vor allem für den Bereich des Geschlechtlichen, aber auch für die Ausstellung und Aufführung des Körpers zum Zwecke der Unterhaltung und des Gelächters. Als besonders provokativ müssen die frühen Christen die freizügigen Körperdarstellungen von Mimen, Pantomimen und Lustigmachern aufgenommen haben, was die Wut und den Abscheu erklärt, mit denen sie auch begrifflich diesem Phänomen begegnen: fornicatio, turpitudo, immunditia, impudicitia usw. Darin begriffen waren auch alle äußeren Veränderungen des Körpers: Verkleidung, Masken, Tanz, Akrobatik, Entblößung, unsittliche Worte und Gesten, lachenerregende Possen. Diese Körperfeindschaft des Christentums ist Ausdruck einer scharfen Trennung von Reinheit und Unreinheit.16

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